Kapitel 50

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Kiano schloss die Zusammenkunft mit ein paar kühlen Worten, mit denen er an unser Pflichtbewusstsein und den vollständigen Fokus auf den kommenden Angriff apellierte.
Es war auch sein erster Krieg, rief ich mir ins Gedächtnis, auch wenn er nicht den Anschein machte, als stünde er all den erfahrenen Kriegsberatern in nichts nach.
Auch Gladion, dessen Seitenblicken ich recht erfolgreich ausgeblendet hatte, hatte kompetent gewirkt und die richtigen Fragen gestellt.
Ich fragte mich, ob ich die Einzige war, die sich von alldem ein wenig überfordert gefühlt hatte.
Einst war ich ein normales Menschenkind unter Tausend anderen in Fost gewesen, jetzt saß ich im Kriegsrat der Feuerfinger und hatte eine spezielle Mission vom Kronprinz der Feuerfinger selbst aufgetragen bekommen. Es war schlichtweg absurd.
Nach Kianos eindringlichen Abschlussworten sah ich, wie Gladion sich auf mich zu bewegte und seine eisblauen Augen mich taxierten. Glücklicherweise erreichte Madeline mich vor ihm und rettete mich somit vor dem Gespräch, das ich unter keinen Umständen führen wollte.
Die Drachenflüsterin hatte ihr gelocktes Haar hochgesteckt und in ihren silbergrauen Augen glitzerte der Schalk.
"Kiano weiß, wie er einem den Spaß verderben kann.", fand das Mädchen kopfschüttelnd.
"Der Krieg ist kein Spaß.", erinnerte ich sie; "Und Kiano hat schon einen Bruder verloren, für ihn ist das alles andere als Spaß."
Madeline verdrehte die Augen.
"Ich meine ja nur, dass es unter ihm keinen motivierenden Kampfschrei oder eine flammende Rede über Ehre und Zusammenhalt geben wird.", erklärte sie sich; "Aber ja, Nathans Tod war für alle schrecklich. Ich kannte ihn; Dante hat uns miteinander bekannt gemacht. Nathan war echt ein guter Kerl."
Madelines Blick verdüsterte sich und ich berührte sie aufmunternd am Arm.
"Viele, nicht nur Prinz Nathan, sind gestorben, aber das wird ganz bestimmt nicht umsonst gewesen sein.", versicherte ich meiner Freundin.
Madeline nickte zustimmend.
"Frieden - das klingt wie ein Paradies. Schön und alles, aber auch irgendwie unrealistisch.", seufzte sie dann und in ihre Augen schlich sich ein sehnsüchtiger Ausdruck.
Ich verstand sie. Menschen, Feuerfinger, Wasserbändiger, Schatten - wie sollte es da Frieden geben?
"Wenn wir es nicht versuchen, können wir uns gleich den Schatten zum Fraß vorwerfen.", murmelte ich.
Madeline rümpfte die Nase.
"Igitt, fressen die uns überhaupt?", fragte sie; "Also meine Drachen sind zumindest angewidert von den Schatten; Menschenfleisch verachten sie aber nicht."
"Wenn ich ein Drache wäre, würde ich auch keinen Schatten essen.", überlegte ich.
Ich hatte die Seele des Schattenprinzen in mich aufgenommen, indem ich sein Blut getrunken hatte. Würden Madelines Drachen auch von Schatten besessen werden, wenn sie deren Fleisch fraßen?
Ich erschauderte.
"Lass sie auf keinen Fall einen Schattenkadaver anrühren.", warnte ich sie.
Madeline gab einen zustimmenden Laut von sich.
Gladion, der noch mit einem weißhaarigen Feuerbändiger geredet hatte, stieß nun zu uns.
Augenblicklich versteifte ich mich und Madelines Gesicht wurde zu einer Maske der Feindseligkeit, als der Feuerfinger mit dem weißblonden Haar und der schneeweißen Haut sich vor uns stellte.
Gladions blaue Augen funkelten und fixierten zuerst Madeline und blieben dann an mir hängen.
"Können wir reden?", fragte er mit rauer Stimme.
Madeline und ich wechselten einen einstimmigen Blick.
"Ich weiß nicht, was wir dir noch zu sagen hätten.", entgegnete die Drachenflüsterin in einem Ton, kalt wie Eis.
Gladion schaute Madeline an, bevor sein Blick wieder auf mir lag und Löcher bis in meine Seele brannte.
"Es tut mir leid, wie alles zwischen uns verlaufen ist, Madeline.", entschuldigte sich der Feuerfinger, woraufhin Madeline nur eine Augenbraue hochzog.
"Aber könnte ich bitte mit Kate sprechen, allein?"
Nun ruhten auch Madelines Augen auf mir, während sie abwägte, wie sie reagieren wollte.
Gerade als sie den Mund wieder zu einer zweifellos spitzen Erwiderung öffnen wollte, sah ich sie rasch an und sie schloss ihn wieder.
Nach einem kurzen Augenblick des Schweigens hob Madeline dann das spitze Kinn und blickte noch einmal von mir zu Gladion und zurück.
"Na gut; ich warte auf dem Trainingsplatz auf dich.", sagte sie dann an mich gewandt.
Sie drückte noch im Vorbeigehen in freundschaftlicher Unterstützung meine Schulter, bevor sie Gladion und mich alleine ließ.
Ich zwang mich, wie Madeline das Haupt hoch zu erheben und begegnete Gladions Blick.
Verdammt, wieso bei allen Göttern traf mich dieser Blick nur immer direkt ins Herz?
Doch nun war es zu spät, um wegzusehen und diesen blauen Augen zu entkommen, die mein Innerstes lasen wie ein offenes Buch.
"Kate", sagte Gladion leise und allein mein Name auf seinen Lippen ließ mich eine Gänsehaut bekommen.
Wie schaffte dieser Verräter es, mir noch immer so unter die Haut zu gehen?
"Willst du dich entschuldigen?", wollte ich wissen; "Entschuldigung nicht angenommen."
Die Spannung zwischen uns brachte mich fast um.
Ich erwischte mich dabei, wie ich mir vorstellte, diese energiegeladenen zwei Schritte zwischen uns zu überbrücken und ... Nein! Bei den Göttern, war ich verrückt geworden?
"Wegen dir wäre ich fast gestorben", fuhr ich ihn an, doch da war ein Zittern in meiner Stimme, für das ich mich hätte schlagen können; "Sie wollten mich umbringen, Gladion! Und du hast es in die Wege geleitet. Du bist wie ein hirnloser Soldat, der nicht imstande ist, eigenständig zu denken, zu deinem Prinzen gerannt und hast mich dem Tod ausgeliefert. Ich habe dir vertraut!"
Den letzten Satz schrie ich ihm entgegen.
"Ich habe dir vertraut, du elendiger Bastard, und du hättest mich sterben lassen - wofür? Für ein bisschen mehr Anerkennung von Kiano, der dich sowieso nicht so sehr leiden kann wie Drake?", führte ich meine bissige Tirade fort;"Du denkst vielleicht, ich bin nichts wert; ich bin ein Mensch mit einem Schatten in mir - Aber ich weiß verdammt genau, dass ich etwas wert bin! Und ich werde mich nicht von dir auf irgendetwas reduzieren lassen!"
Wutentbrannt richtete ich mich kerzengerade vor Gladion auf, bis in die letzte Faser von Zorn, Trauer und Enttäuschung erfüllt.
Der Feuerfinger schwieg jedoch nur, doch ich sah jede seiner Emotionen an seinem Gesicht, dem verbissenen Kiefer und seinen gottverdammten Augen.
"Du denkst, Drake ist ein Scheißkerl?", fragte ich; "Weil er deine Familie verraten hat und sie deswegen ermordet wurden? Weil er dich hintergangen hat? Eins kann ich dir verraten, du bist keinen Deut besser! Ich bin auch nicht perfekt, aber das gibt dir nicht das Recht, darüber zu bestimmen, ob ich leben darf oder nicht. Und ganz ehrlich? Ich glaube, deine Eltern würden sich für dich schämen, wenn sie noch leben würden!"
Damit war ich wohl einen Schritt zu weit gegangen.
Bevor ich mich versah, war Gladion bei mir, ein eisiges Feuer aus loderndem Zorn brannte in seinen Augen und er presste mich mit seinem Körper gegen die Wand in dem Gang, der sich zum Glück inzwischen geleert hatte.
Ich spürte jeden Muskel an seinem Körper, jeden Knochen, jeden Atemzug.
Keine Lüge, keine Täuschung passte mehr zwischen uns.
Sein Herz hämmerte gegen meine Brust und ich spürte seinen warmen Atem auf meinem Gesicht, während er mich an meinen Armen gegen die harte Wand drückte.
"Sprich nicht über meine Eltern!", fauchte der vor Wut bebende Feuerfinger; "Du kanntest sie nicht und du hast keine Ahnung, wie sie waren und was sie von mir denken würden."
Schwer atmend schaute ich hoch, direkt in das blitzende Blau seiner Augen. Unsere Herzen schlugen im galoppierenden Gleichtakt aneinander.
"Du bist ein Arschloch, Gladion.", sagte ich leise.
Unsere Blicke waren ineinander verhakt und ich legte all meinen Trotz und meine Wut aus meinem Herzen frei, um seinen wilden Augen etwas entgegenzusetzen zu haben.
Seine Hände um meine Arme, seine Brust an meiner, sein Herz direkt an meinem - ich nahm jeden Kontakt intensiv wahr.
"Und du bist wunderschön.", erwiderte Gladion ebenso leise.
Vollkommen überrumpelt konnte ich nichts als ein verblüfftes Aufkeuchen von mir geben.
Meine Augen weiteten sich, doch ich sah ihm an, dass er jedes Wort todernst meinte.
Warum verdammt hatte er das gesagt?
Bevor ich mich zu einer Entgegnung sammeln konnte, ließ Gladion auch schon von mir ab und machte einen Schritt zurück.
Ich las Verwirrung und Resignation in seinem blassen Gesicht.
Der Feuerfinger fuhr sich mit der Hand durch das blonde Haar und blinzelte dabei ebenso ungläubig, wie ich es war.
"Es tut mir leid.", sagte er, ohne mich dabei anzusehen.
Sprachlos konnte ich nur zusehen, wie er sich umdrehte und schnellen Schrittes von dannen ging.
Und mich mit flatterndem Herzen und zitternden Händen zurückließ.
Fassungslos schlug ich die Hände über dem Kopf zusammen und grub meine Finger ins blonde Haar.
Was bei allen Göttern war soeben passiert?





Blazing - Feuriges BandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt