Das Training mit Madeline stellte sich als äußerst kräftezehrend, gleichzeitig aber auch als großer Spaß heraus.
Es tat gut, zu kämpfen, ohne dass mein Leben auf dem Spiel stand und einfach Genuss am wilden Tanz aus Tritten, Schlägen und Ausweichen zu finden.
Madeline offenbarte mir ihr unleugbares Kampfgeschick und forderte mich, auch wenn ich ihr überlegen war.
Wir hatten ausgemacht, dass sie ihre Feuerkräfte aus dem Kampf herausließ, wenn ich den Schatten zurückhielt, aber dennoch war ich erfahrener und hatte schon deutlich öfter mit meinen Händen getötet, als Madeline, die ihre Gegner meist vom Rücken ihrer geliebten Drachen vernichtete.
Nichtdestotrotz gab die temperamentvolle Drachenflüsterin nicht auf und stellte eine beeindruckende Ausdauer und Willenskraft unter Beweis.
Nach dem Training waren wir beide verschwitzt mit geforderten Muskeln und
Meine Arme und ältere, noch nicht verheilte Blessuren schmerzten vom Parieren von Madelines Angriffen, doch es war ein guter, ein zufriedenstellender Schmerz.
Eine braune Locke klebte Madeline an der schweißnassen Stirn, ihr Gesicht war rot, aber das Grinsen hatte ich ihr trotzdem nicht vom Gesicht holen können.
"Das müssen wir wiederholen!", lachte sie mit leuchtenden grauen Augen.
"Unbedingt!", stimmte ich zu und fiel wie automatisch in ihr Lachen ein.
Es war mir ein Rätsel, wie ich die Drachenflüsterin einmal hatte hassen können.
Es war Gladions Schuld gewesen., ging mir dann auf. Der blasse Feuerfinger mit den eisblauen Augen war zwischen uns gestanden, hatte jede mögliche Freundschaft vergiftet.
Jetzt, da Madeline und ich ihn beide hassten, waren wir frei von derartigen Problemen.
All ihre Hochnäsigkeit und meine Abweisung ihr gegenüber hatten sich in Luft aufgelöst.
"Rate mal, wer mich heute beiseite genommen hat, um mit mir über dich zu reden?", fragte Madeline und der blaue Stein über ihrer Oberlippe blitzte im Licht der untergehenden Sonne auf.
Ahnungslos schüttelte ich den Kopf.
"Doch nicht etwa ...?"
"Nein!", schnaubte Madeline und kniff die Augen zusammen; "Gladion weiß, dass ich ihn meinen Schätzen zum Fraß vorwerfe, sollte er mir nochmal zu nahe kommen. Nein, es war Ace."
Ich warf ihr einen überraschten Blick zu und begann dann, mein mir verschwitzt im Nacken klebendes blondes Haar zu einem Zopf zu flechten.
"Ace?", echote ich.
Der talentierte Feuerfinger mit dem feuerroten Haar, dem dürren Körper und mangelhaften sozialen Kompetenzen hatte sich zum letzten Mal in meiner Nähe blicken lassen, als man mich meiner Mutter überlassen hatte, die mich hätte töten lassen.
Meines Wissens nach war der unsichere Junge zum Günstling Kianos aufgestiegen.
Ich ließ die Hände sinken, nachdem mein Zopf fertig geflochten war. Er reichte mir bereits halb über den Rücken. Ja, ich müsste meine Haare dringend schneiden lassen.
"Hmm", machte Madeline und nickte nachdrücklich; "Er hatte ein richtig schlechtes Gewissen. Meinte, du hast ihm nie etwas zuleide getan und warst nur nett zu ihm und er hätte dich einfach dem Tode überlassen."
Ich seufzte.
"Da ist ein Schatten in mir, bereit, meinen Körper zu übernehmen. Bisher hat noch niemand gut darauf reagiert.", gab ich zu Bedenken; "Gladion hat mich verraten, meine Mutter wollte mich umbringen, Drake wendet sich Jenna zu ..."
"Und ich habe auch nichts getan, um dir zu helfen.", fügte Madeline hinzu; "Na gut, bis ich dir später ganz heroisch den Arsch gerettet habe."
Spöttisch verdrehte ich die Augen und rempelte sie freundschaftlich mit der Schulter an.
"Ja, das stimmt", gestand ich ihr die gute Tat zu; "Was Ace angeht: Ich sollte vielleicht mal mit ihm reden. Es ist so viel Verrücktes passiert und ... Eigentlich ist er doch immer ein guter Kerl gewesen."
"Verrückt ist noch untertrieben.", wandte Madeline ein; "Aber du solltest wirklich mit Ace reden. In ein paar Wochen sind wir ja vielleicht alle tot."
Über ihren lockeren Ton musste ich lachen, doch wir wussten beide, wie recht Madeline hatte.
Der Krieg war so gut wie hier.Albträume plagten mich spät nachts in meinem Bett.
Ich wälzte mich durch die Laken, wimmernd und schwitzend, in meinen Träumen immer schlimmeren Dingen ausgesetzt.
Das Gesicht meiner Mutter, zu einer grauenerregenden Fratze verzogen, spie mir die schlimmsten Beschuldigungen entgegen und im nächsten Moment sah ich meinen Vater wie er in unserem alten Haus in Fost meinen kleinen Bruder Lucas schlug.
Zwischendurch sah ich Lilianes traurigen Blick, spürte ihre Enttäuschung und wollte etwas sagen, doch in diesem Traum war ich geknebelt.
Am Ende erschienen all die Menschen, die ich im Lager meiner Mutter getötet hatte, nur, dass sie keine Menschen mehr waren. Nein, sie hatten sich alle in grässliche Schatten verwandelt. Die Haut war nur noch schwarze Fetzen, die Augen stumpf und grausam und die langen blutbefleckten Krallen schlugen nach mir.
Die erschreckenden Kreaturen kamen immer näher und brachten den Gestank von Blut und Tod mit sich.
In dem Moment, als einer der Ermordeten mir ganz nahe kam und das Maul öffnete, um eine Reihe langer scheußlicher Zähne wie Klingen zu enthüllen, erwachte ich.
Keuchend fuhr ich auf und eine Welle der Erleichterung packte mich, als ich die Konturen meines Zimmers im Trainingslager der Feuerfinger ausmachte.
Mit zittrigen Gliedern sprang ich aus meinem zerwühlten Bett und strich das nasse Haar aus dem Nacken.
Nach Luft ringend sah ich mich um.
Es war noch dunkel, mitten in der Nacht, und die schwarzen Wände waren nah, so nah, und drohten, mich zu ersticken.
Hektisch hob und senkte sich meine Brust.
Ich brauchte Luft.
Hals über Kopf stolperte ich auf unsicheren Beinen zur Zimmertür und riss sie auf, um unachtsam in den stillen Gang des Schlaftraktes zu fallen.
Schwer atmend, zerzaust und nass geschwitzt stützte ich mich an der gegenüberliegenden Wand ab und versuchte, meine Atmung zu beruhigen.
Das Herz trommelte mir in der Brust und zu meinem Entsetzen sah ich noch immer die blutigen Reißzähne der Schatten vor meinem inneren Auge und hörte die Stimme meiner Mutter im Ohr.
Jetzt träumst du inzwischen sogar meine Träume, sprach der Schattenprinz in mir; Schatten und Blut und Dunkelheit. Aber keine Angst, du wirst dich schnell daran gewöhnen. Schneller, als dir lieb ist.
"Halt die Klappe!", rief ich in meiner Verzweiflung aus.
Das durfte nicht sein.
Ich hatte den Schatten doch so lange nicht gehört, warum ...?
"Alles in Ordnung?", fragte jemand hinter mir.
Oh, Götter!
Erschrocken wirbelte ich herum und sah mitten in das vertraute Gesicht eines Feuerfingers, von dem ich ganz sicher nicht in diesem Zustand gesehen werden wollte.
Ein Feuer brannte in seiner ausgestreckten Hand und beschien sein Gesicht, das von Narben durchkreuzt war.
"Verschwinde!", fauchte ich, doch es klang vielmehr wie ein jämmerliches Wimmern.
Ich hätte mich dafür ohrfeigen können.
Drakes grüne Augen funkelten und ich meinte, Besorgnis in seinem Blick zu erkennen, drehte mich jedoch eilig wieder weg.
"Ich bin wahrscheinlich gerade kein willkommener Gesprächspartner, aber ...", setzte er an.
"Da hast du recht!", zischte ich und wischte mit der Hand über die Augen, in denen sich die Tränen angefangen hatten zu sammeln.
"Aber ich wollte mich erklären.", fuhr Drake unbeirrt fort; "Weißt du, damals ... Ich wollte dir wirklich helfen, zu entkommen, das war keine Lüge. Du bist mir nämlich wichtig."
Wütend fuhr ich wieder herum, um ihm in die Augen zu sehen.
Grüne, intensive Augen. Drachenaugen.
"Ach ja? Deine Prioritäten scheinen sich aber sehr schnell zu ändern!", warf ich ihm vor.
"Jenna war kein Ersatz für dich, falls du das denkst.", verteidigte der narbengesichtige Krieger sich; "Sie ist etwas völlig anderes. Du verstehst das jetzt vielleicht nicht ... Aber das mit Jenna und mir ist etwas ganz anderes als das zwischen uns."
Ich legte den Kopf schief.
"Wie meinst du das?", bohrte ich mit einem spitzem Ton in der Stimme nach.
"Also, ... Du bedeutest mir etwas, Kate.", brachte Drake heraus und wirkte dabei, als wäre ihm etwas unbehaglich zumute; "Ich wollte dir helfen und dich retten. Aber ich habe jetzt erkannt, dass ich meine Gefühle falsch interpretiert habe. Das habe ich mit Jenna gemerkt. Mit Jenna ... Das ist Liebe im Sinne von Verliebtheit. Es tut unglaublich weh, dass sie jetzt weg ist und ich sie vielleicht nie wieder sehe. Glaub mir, ich kann nicht schlafen, ich denke nur an sie ... obwohl sie eine Wasserbändigerin ist."
Er hielt kurz inne und wir starrten uns für eine Sekunde nur an.
"Ja, du und ich haben miteinander geschlafen.", räumte Drake ein; "Aber das hat sich anders angefühlt. In dich bin ich nicht verliebt, aber du bist trotzdem wichtig für mich. Oh Mann, das klingt jetzt nach der dämlichsten Ausrede der Welt."
Seufzend fuhr Drake sich durch das verwuschelte braune Haar.
Ich schluckte.
War ich in Drake verliebt gewesen? Möglich. Oder auch nicht. Keine Ahnung.
War ich jetzt in Drake verliebt?
Nein. Klares Nein.
"Es ist besser so, schätze ich.", ergriff ich leise das Wort; "Dass wir diese Grenze nicht mehr überschreiten. Diese eine Nacht ... Ich weiß nicht, ob es ein Fehler war, aber wir sollten sie hinter uns lassen."
Ich entdeckte Erleichterung in Drakes gezeichneten Gesicht.
"Das sehe ich auch so.", bekräftigte er.
Gedankenverloren fuhr ich mir über das unordentliche Haar und zupfte dann das lockere Schlafgewand gerade.
Das einvernehmliche Schweigen zwischen uns tat mir gut und ich merkte auch, wie meine Gedanken sich nach den schlimmen Albträumen dieser Nacht wieder ordneten.
"Im Augenblick bin ich sowieso dabei, allen zu verzeihen und neu anzufangen.", sagte ich dann in Gedanken an Madeline und Ace; "Warum also auch nicht mit dir?"
Ein Lächeln zeichnete sich auf Drakes Lippen ab und ließ Hoffnung in meinem Herzen aufkeimen.
"Freunde?"
Ich nickte.
War ich wirklich so verloren und einsam, wie ich gedacht hatte?
Oder lag das alles nicht eigentlich an mir?
Insgesamt war es schön, alte Beziehungen neu zu erfinden und wieder Personen zu haben, für die man zählte.
Wie dem auch war, es gab immernoch die Aufgabe, die ich im Krieg zu erledigen hatte.
Wenn die erledigt war, würden wir ja sehen, was mir diese neuen Freunde brachten.
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Blazing - Feuriges Band
FantasyFeuer. Liebe. Schicksal. In einer Welt von Feuerbändigern, Schatten, Drachen und Geheimnissen versucht eine bis in die Seele gezeichnete Kämpferin, ihren Weg ins Licht zu finden. ~ Meine Lippen waren rissig, das Haar fettig und die Augen rot. Und w...