Kapitel 25

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Bei meinem Rückweg zum Schlafquartier stolperte ich über Dante, der sich anscheinend an einen ruhigen Ort zurückgezogen hatte.
Bei der Feier war er mir nicht unter die Augen gekommen, aber ich war mir relativ sicher, dass er doch da gewesen war.
Das so unmenschlich attraktive Gesicht des Flammenprinzen war bleich wie der Tod und unter seinen dunklen Augen lagen ebenso dunkle Augenringe.
Alle Kraft schien den Körper des Feuerfingers verlassen zu haben; die Schultern waren eingesackt, der Kopf hing herunter und die muskulösen Arme schleiften auf dem Boden.
Dante sah vollkommen am Ende aus. Ja, wurde mir in dem Moment klar, er hatte Liliane wahrlich geliebt.
Mein Herz verkrampfte sich und ich räusperte leise, um den Prinzen auf mich aufmerksam zu machen.
"Bist du ... okay?"
Im selben Moment hätte ich mich für diese dämliche Frage schlagen können. Unsensibel bis ins Mark, das hätte glatt auch von dem Schattenprinzen sein können, der sich da in mir verkroch und sich auffällig unauffällig verhielt, als plante er etwas.
Beunruhigt beugte ich mich ein wenig herunter und mein Haar streifte versehentlich Dantes Kopf.
Erst durch die Berührung schien er mich vollends wahrzunehmen.
Sein verzweifelter Blick verfing sich in meinem und er streckte die Hände nach mir aus, um sich mit den starken Fingern in meinen Armen zu verkrallen.
Ich ließ ihn gewähren, wie er bei mir Halt suchte, auch wenn seine Finger sich heftig in meine Haut drückten und mir wehtaten.
Ich war sicher, dass Dante im Moment größere Schmerzen litt.
Angestrengt atmete er und ich legte vorsichtig meine Arme um seine breiten Schultern, damit er wusste, dass ich da war.
Ja, Dante war einer der beiden noch lebenden Söhne des Königs der Feuerfinger und ich war ein Mensch mit einem Schatten unterm Herzen, doch in diesen Minuten waren wir nur zwei Lebewesen, die einander Trost spendeten.
Die Dunkelheit hatte sich bereits herabgesenkt und wir waren komplett verborgen in diesem stillen Winkel des Trainingslagers, sodass uns keiner hätte unterbrechen können oder die falschen Schlüsse gezogen hätte.
Nach und nach beruhigte sich Dantes Atmung und ich flüsterte ihm sinnlose, aber sanfte, erwärmende Dinge ins Ohr.
Schließlich wollte ich mich vorsichtig wieder erkundigen, wie es um ihn stand und ob ich ihn in seine Zimmer im Schlaftrakt bringen sollte, da kam er mir zuvor.
"Sie hätte nicht sterben dürfen.", flüsterte der Flammenprinz mit belegter Stimme; "Ich wollte sie doch meinen Eltern vorstellen. Wir wollten doch ..."
Seine Stimme versagte und ich drückte bloß hilflos seine Schulter.
"Sie war eine wunderschöne, starke und beeindruckende Person.", sagte ich leise; "Und wir alle werden sie nie vergessen. Wir werden sie immer lieben, richtig?"
Dante sog zitternd die Luft ein und griff überrschend nach meiner Hand.
Mit großen Augen sah ich ihn an, als er sie drückte und mir dann ernst und auch unendlich gebrochen direkt in die Augen schaute.
"Wie soll ich ohne sie weitermachen, Kate?", wollte er ratlos wissen; "Wie soll das gehen? Sie hat den besten Teil von mir mitgenommen, als sie von uns gegangen ist."
Es war schwer für mich, beherrscht zu bleiben, während seines Geständnisses.
Der Flammenprinz schüttete mir sein gebrochenes Herz aus und ich, die doch eigentlich die Feuerfinger aus tiefster Seele hasste, musste die richtigen Worte finden.
Darin war ich noch nie gut gewesen, vor allem nicht, weil es nun um den Sohn des Feuerfingers ging, der gleichgültig zugesehen hatte, wie die Schatten mein Volk - meinen Vater - abgemetzelt und den Rest unter ihre Gewalt gebracht hatten.
Aber ich konnte Dante nicht hassen, ebensowenig wie Liliane oder Ace oder sogar Drake. Ich war nicht willensstark genug dazu.
Also ließ ich Dante meine Hand halten und murmelte: "Es tut weh, aber manchmal muss man sich selbst aufgeben, um eine neue, stärkere Version von sich zu erschaffen."
"Ich kann Liliane nicht aufgeben.", widersprach Dante.
"Ich rede nicht vom Vergessen.", erklärte ich sanft; "Ich rede davon, voranzukommen, in einer Welt ohne sie weiterzumachen, ohne sie dabei aus deinem Herzen zu verlieren. Die Welt wartet nicht auf dich. Du musst dich aufrappeln und weiterhumpeln, um nicht von ihr runterzufallen."
Dantes leidender Blick bohrte sich in meine Augen und ich hatte das seltsame Gefühl, dass er tief in mich hineinschaute, bis in meine gezeichnete Seele.
Ich hoffte nur, dass der Schatten sich gut verborgen hielt.
"Du kennst das.", merkte Dante und klang dabei deutlich gefasster als noch vor wenigen Minuten; "Du hast alles verloren. Deine Familie, deine gesamte Art, dein früheres Leben."
"Aber ich habe immernoch mich selbst.", erläuterte ich; "Und solange ich da bin, werde ich weitermachen."
Und ich werde erst loslassen, wenn mich eines Tages der Schatten von innen heraus verschlingt., fügte ich im Stillen hinzu.
"Das klingt ... unendlich einsam.", meinte Dante erschöpft.
Ich versuchte mich an einem schiefen Grinsen, was mir jämmerlich misslang.
"Du bist nicht einsam, mein lieber Prinz.", erinnerte ich ihn; "Du hast deine Eltern, deinen Bruder, deinen treusten Freund Gladion, deine Sogutwie- Schwester Madeline und dein ganzes Reich. Sie werden alle für dich da sein und du hast deinen festen Platz in ihrer Mitte."
Dantes Hand schloss sich fester um meine und er blickte mich entschlossen an. Erleichtert, dass er wieder seine Stärke fand, zuckten meine Lippen in einem angedeuteten Lächeln.
"Du gehörst auch hierher.", stellte Dante dann klar; "Du bist auch nicht allein, auch wenn du hier der einzige Mensch bist. Du gehörst zu uns und ich werde nicht zulassen, dass du einsam bist."
Seine Worte verblüfften und erwärmten mich, und ich nickte ihm dankbar zu, obwohl ich wusste, dass er doch unrecht hatte.
Es wäre zu schön, wenn ich irgendwo dazugehören würde und nicht mehr allein wäre.
Aber die Realität sah nunmal anders aus. Ich gehörte nicht zu den Feuerfingern und die Menschen wollten mich nicht mehr unter sich.
Demnach war ich eine Außenseiterin, eine Einzelgängerin, aber das hatte mich die letzten Monate nicht sonderlich gestört.
Ich konnte alleine überleben und ich musste erst einmal den Schattenprinzen loswerden, bevor ich mir Gedanken darüber machte, wo ich leben wollte.
Und vielleicht war ich in absehbarer Zeit ohnehin tot, weil Gladions Prophezeihung wahr wurde und er mich verbrannte.
Alles konnte passieren und noch war ich frei, alles zu tun - und das war ein berauschendes Gefühl.
Das Gefühl, dass alles egal war.
Wozu brauchte ich schon Lucas, Gladion, Drake oder sonst wen, wenn ich meine begrenzte Zeit auf dieser Welt mit allen möglichen Freiheiten begehen konnte.
Angespornt von diesen Gedanken erhob ich mich wieder und zog den etwas widerwilligen Dante mit auf die Beine.
Lächelnd blinzelte ich ihn an.
"Liliane würde nicht wollen, dass wir Trübsal blasen. Der Krieg rückt näher und danach könnten wir allesamt tot sein. Also lass uns jetzt keine Zeit verschwenden!"
Ein paar Tage noch, sagte ich mir; Dann ziehe ich los, um meine Seele zu retten. Jetzt genieße ich das Leben.
Und das wurde auch langsam Zeit.





Blazing - Feuriges BandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt