Kapitel 11

2.8K 95 7
                                    

Als ich das Haus betrat, hielt ich sofort nach Marc Ausschau. 

Ich entdeckte ihn in einer Gruppe; vollkommen umringt. Die Leute gratulierten ihm abwechselnd, sodass man keine Chance hatte an ihn ran zukommen. Katie war sowieso nirgends zu sehen. 

Also machte ich mich auf den Weg zur Eingangstür. 

,,Coolleee...'', Alice stand so plötzlich vor mir, dass ich abrupt stehen blieb.,,Wollen wir wieder tanzen?''

Sie lallte ein wenig, und versuchte mich auf die Tanzfläche zu ziehen. Außerdem torkelte sie schon, und ich rechnete jeden Moment damit, dass sie hinfiel. Als sie sich dann umdrehte, beugte ich mich schnell zu ihr runter. 

,,Muss jetzt los, sorry.'', teilte ich ihr mit, und sie blickte mich enttäuscht an. 

,,Neeeiiinn, komm schon, bleib noch ein bisschen.'', versuchte sie mich zu überzeugen.

Ich zuckte nur entschuldigend die Schultern, und wandte mich ab. Ich setzte meinen Weg fort, als sich Irina mir plötzlich in den Weg stellte.

,,Cole, richtig?'', fragte sie. 

Ich nickte nur, und sah Richtung Ausgang.

,,Lust zu tanzen?'', im Gegensatz zu Alice schien die kein Bisschen betrunken, nein sie blickte mich mit ihren Augen freundlich an. 

Ich rang mit mir. Warum blieb ich nicht einfach hier und tanzte jetzt mit Irina? Warum wollte ich überhaupt noch mal zu Katie? Ach ja, diese Schuldig-sein-Sache wollte ich klären. 

,,Sorry ich muss leider los, aber vielleicht ein anderes Mal.'', antwortete ich ihr, und lächelte ebenfalls freundlich. 

Sie grinste nur und kam dann etwas näher. 

,,Ist nicht so schlimm.'', sie lächelte immer noch.,,Könnt ich aber dann vielleicht deine Nummer haben?''

Ich nickte, und sie gab mir ihr Handy. Mit schnellen Fingern tippte ich meine Nummer ein. Dann verabschiedete ich mich und verließ endlich das Haus. Katie war nirgends zu sehen. Ich lief die Treppen runter auf den Bürgersteig, und sah in die Richtung aus der wir gekommen waren. 

Und jap, dort lief Katie. Ganz allein, und es sah so aus, als würde sie auf ihr Handy gucken. 

Ich begann in ihre Richtung zu joggen. 

,,Wenn du ernsthaft denkst, du kannst jetzt einfach nach Hause gehen, und mich hier alleine zurück lassen, hast du dich aber geschnitten, kleines Hühnermädchen.'', rief ich ihr zu, als ich nicht mehr weit von ihr entfernt war. Dabei fiel mir das erste Mal auf, dass sie wirklich nicht sehr groß war. Ich war zwar auch nicht der Größte, aber ich überragte sie um einige Zentimeter. 

Sie drehte sich, wie auch eben auf der Terrasse, um und sah mich überrascht an. Doch diesmal sagte sie nichts, sondern wandte sich wieder ab und blickte nach vorne. 

Ich ging neben ihr her. 

,,Denkst du wirklich es ist deine Schuld, dass du jetzt plötzlich so traurig bist?'', fing ich dann an und machte eine kurze Pause.,,Ist es nämlich nicht. Alice hat sich einfach scheiße verhalten, und der Typ...von dem will ich gar nicht anfangen. Außerdem solltest du nicht sauer auf dich selber sein, sondern auf Alice und die anderen.''

Sie schwieg erstmal. Doch dann, hörte ich ihre Stimme, ganz leise. Fast unhörbar. 

,,Im Grunde ist es doch meine Schuld, dass ich traurig bin. Ich ärgere mich über mich selbst, dass ich...einfach so bin.'', sagte sie, und ihr Ton klang schon fast entschuldigend.

,,Sag mal, es hört sich gerade so an, als würdest du dich für diese Aktion vorhin entschuldigen.'', wandte ich ein. 

,,Was für eine Aktion denn?'', schnaubte sie.,,Ich habe doch gar nichts gemacht.''

,,Ja und das war doch das Gute. Du hast dich nicht so blamiert wie Alice. Und sag jetzt nicht, dass du vor hattest es zu tun.''

,,Natürlich nicht. Aber es geht doch darum, dass ich dort stand, wie ein scheues Reh. Wahrscheinlich bin ich rot geworden wie ne Tomate, und dann kam auch noch kein Ton über meine Lippen.''

,,Aber wieso nicht?''

,,Weil ich das einfach nicht kann. Weil ich das einfach nicht bin. Das kann vielleicht Alice oder sonst wer, aber ich eben nicht. Und genau das hasse ich.''

Ich schwieg erst mal, da ich nicht wusste was ich sagen sollte. 

,,Klar, war es scheiße von Alice, dass sie nicht hinter mir stand aber...'', sie suchte nach Worten. 

,,Langsam gehen dir echt die Ausreden aus.'', stellte ich fest.,,Wann siehst du ein, dass du gar nicht traurig sein musst, sondern dir sofort überlegen solltest, wie du von so einer wie Alice los kommst....Und auf die anderen kannst du doch alle scheißen.''

,,Das kannst du so leicht sagen.'', sie flüsterte.,,Ich wohne in einer Kleinstadt, hier kennt dich jeder von Kind auf, hier hast du sozusagen einen Platz. Es gibt zum Beispiel Hannah, die dafür bekannt ist, mit jedem Jungen zu schlafen. Oder halt Lucas, der auch der ''Badboy der Stadt'' genannt wird. Und dann gibt es halt noch mich. Katie, die schüchterne, stille, die dafür bekannt ist traurig zu gucken, und nie was zu sagen.''

Sie war lauter geworden, doch zum Ende hin brach ihre Stimme ein wenig. 

,,Aber du musst doch nicht dafür bekannt sein. Du entscheidest doch selber, wie dich die Leute sehen. Und wenn du dich halt immer still verhältst, dann denken das die Leute auch schnell.'', wir bogen gerade in eine Straße, und dort vorne sah ich schon die Kreuzung. 

,,Denkst du ich hab das noch nicht versucht? Doch die meisten stempeln einen sofort ab, ohne einen wirklich zu kennen. Sie kennen mich zwar schon von früher, aber sonst sehen sie mich nur so wie ich bei ihnen bin. Sie bemühen sich nicht, einen mal richtig kennenzulernen.''

Es kam mir vor als würden wir schneller gehen, als auf dem Hinweg, denn wir Bogen gerade in die Lincoln Street ein.

,,Okay..'', sagte ich.,,Aber...ich versteh immer noch nicht so richtig warum du jetzt traurig bist. Und auch nicht, warum du jetzt sauer auf dich bist.''

Sie sah mich kurz an und schüttelte den Kopf. 

,,Ich hasse es manchmal einfach, dass ich nicht anders sein kann. Ich wünschte manchmal ich wär offener, und hätte diesem Typen eine rein geschlagen. Oder ich wär lustiger. Manchmal wünschte ich auch ich wär...ein bisschen mehr wie Alice.'', sie blieb stehen, und ich blickte sie stirnrunzelnd an. Ihr Haus war nicht mehr weit entfernt.

,,Aber...'', fing ich an, doch brach ab, als ich sah wie sie sich abwandte. Sie hielt sich eine Hand vor das Gesicht.

,,Weinst du?'', fragte ich und bekam leichte Panik. Was sollte ich tun, wenn sie wirklich weinte. Ich war echt nicht gut im Trösten. 

Sie sagte nichts, sondern drehte sich zu mir um. Ihre Augen glänzten und sie lächelte traurig. Als sie blinzelte rollte eine Träne über ihre Wange. Sie wischte sie sofort weg, und schüttelte den Kopf. 

,,Sogar das hasse ich. Wieso weine ich jetzt? Mir sollte doch alles egal sein, aber nein, so ist es eben nicht. Eigentlich sind es die ja auch nicht wert, wegen den zu weinen, aber ich tue es doch.'', sie gab einen genervten Ton von sich.

Ich konnte nichts sagen. Ich wusste nicht was ich überhaupt sagen sollte, weil ich einfach keine Ahnung hatte. Aber sollte ich mich jetzt einfach verabschieden und gehen? Das würde doch auch scheiße kommen oder nicht?  

,,Na ja, ich denke ich geh mal rein. Ich nerv ich dich wahrscheinlich sowieso schon, also...bis dann, Cole.'', mit eiligen Schritten ging sie auf ihr Haus zu und verschwand darin.

Ich stand dort noch, und starrte auf das Haus. 

A summer to rememberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt