Gedankenverloren starrte ich an meine Zimmerdecke und versuchte mich daran zu erinnern, wie sich dort noch vor wenigen Jahren sternförmige Klebesticker befunden hatten. Wie ich sie jeden Abend vor dem Schlafengehen angestarrt hatte und wie sie mir Sicherheit gegeben hatten, wenn ich mitten in der Nacht wegen eines Albtraums aus dem Schlaf geschreckt war. Sie hatten dort seit meiner Geburt geklebt und ich hätte mir nie vorstellen können sie jemals abzunehmen.
Bis zu dem Tag, an dem wir begonnen hatten mein Zimmer zu renovieren.
Wir hatten es vollständig leergeräumt, mich für eine Woche auf die Couch verfrachtet und währenddessen mein Zimmer völlig auf den Kopf gestellt. Die Decke war gestrichen worden, die Wände tapeziert und der Raum letztendlich mit neuen Möbeln eingerichtet. Dummerweise waren bei dieser Neugestaltung und dem Hin- und Herrücken meiner Sachen, die ich zu der Zeit notdürftig in Kartons verfrachten hatte müssen, die Klebesterne irgendwie abhanden gekommen. Dad hatte damals das ganze Haus auf den Kopf gestellt, um diese Sticker zu finden, da er wusste wie unglaublich viel sie mir bedeuteten. Sie waren eines der wenigen Dinge, die mich an Mom erinnert hatten. Denn jedes Mal wenn ich hinauf an meine Zimmerdecke geschaut hatte, waren die Erinnerungen daran zurückgekommen, wie Mom neben mir lag und mir die Sternbilder erklärte. Immer wenn ich nicht hatte einschlafen können, hatte sie sich zu mir ins Bett gelegt und mich fest an sich gezogen, damit wir gemeinsam zur Zimmerdecke blicken und uns vorstellen konnten, dass wir uns unter dem freien Himmel befänden.
Bei dem Gedanken daran stahl sich ein schwaches Lächeln auf meine Lippen.
Seufzend legte ich meinen linken Arm hinter den Kopf und ließ meinen Blick in der Dunkelheit verschwimmen, sodass er an einer unbestimmten Stelle verweilen blieb.
Es war kurz nach fünf – eine Stunde bevor das Klingeln meines Weckers ertönen würde und dennoch war ich hellwach. Wieder einmal kam mir mein chronisches Frühaufsteher-Syndrom zum Verhängnis und ließ mich bereits seit über einer Viertelstunde an die Decke starren. Eine Eigenschaft, die ich definitiv von Dad geerbt hatte. Denn nicht selten war er es, der vor Sonnenaufgang wach war und Zeitungslesend in der Küche saß.
Lächelnd ließ ich meine Finger durch Buttons dichtes Fell wandern. Er lag dicht neben mir und hatte seine Augen geschlossen, während ich über seinen Bauch strich und ihn kraulte.
Meine Gedanken wanderten zum gestrigen Tag und damit auch zu dem Jungen, welcher mir begegnet war. Irgendwie wunderte es mich noch immer, dass er so unglaublich offen gewesen war. Dass er sich nicht hatte abwimmeln lassen und dass er aufgrund meines kühlen Verhaltens nicht eine Sekunde gestutzt hatte. Meistens schreckten die Leute zurück, wenn ich ihnen so kalt begegnete. Sie musterten mich kritisch und hielten Abstand. Doch dieser Kerl hatte auf mich nicht gewirkt als ließe er sich in diese Kategorie einordnet. Er war höflich und freundlich und gerade das konnte ich nicht nachvollziehen. Schließlich war es nicht so, dass meine Art unabsichtlich abweisend war. Sie war willentlich gewählt und bisher hatte sie auch eigentlich immer ihren Zweck erfüllt.
Die Leute ließen mich in Ruhe.
Warum es jedoch bei diesem Kerl nicht funktionierte, war mir suspekt...
Ich bemerkte wie ich meine Stirn unbewusst gerunzelt und meine Mundwinkel eingeknickt hatte.
Eigentlich konnte es mir doch gleichgültig sein, schließlich würde ich ihn ohnehin nicht wiedersehen. Und wenn doch, würde er schnell bemerken, dass ich ziemlich zufrieden ohne soziale Kontakte war und seine Versuche letztendlich aufgeben.
Trotzdem ließ mich die Begegnung nicht los. Sie hatte sich auf unerklärliche Weise in meinen Gehirnzellen festgesaugt, ohne den Willen in nächster Zeit von dannen zu ziehen. Doch dabei erzeugte es so ein flaues Gefühl in meiner Magengegend, bei dem ich noch nicht sagen konnte, ob es ein Zeichen der Angst oder ein Zeichen der Neugierde war.
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Greatest Pretenders
Teen Fiction* E I S H O C K E Y - R E I H E | B A N D 1 * »Weißt du eigentlich, dass ich dermaßen auf dich stehe, Harper? So dermaßen.« Während Harper Dewey ihrem Golden Retriever Rüden all ihre Geheimnisse verrät und aus Comicbüchern vorliest, ist Sullivan...