S u l l i v a n

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Umso erfreuter war ich, als es am nächsten Tag hieß, das Training würde ausfallen. Davon begeistert fuhr ich nach der Schule sofort nach Hause und kurierte mich aus. Denn sowohl der Muskelkater als auch die Rückenschmerzen hatten nach dem gestrigen Training ordentlich zugenommen. Da kam mir so ein Ruhetag äußert gelegen. Vielleicht würden durch ihn auch meine Rückenschmerzen etwas abklingen, denn diese machten mir zurzeit am meisten Sorgen.

Mehr gute Nachrichten waren mir an diesem Tag, aber offensichtlich nicht vergönnt, denn nachdem ich Zuhause angekommen war und mich auf dem Bett ausruhte, kam Eddie in mein Zimmer. Dank meiner eigenen Dummheit hatte ich erst Minuten zuvor mein Hemd ausgezogen, unter dem ich lediglich ein Tshirt trug. Und da ich nicht schnell genug reagierte, um meine Hand hinter dem Rücken zu verstecken und ein Tshirt nicht gerade lange Ärmel bot, entdeckte Eddie die verbundene Hand. Natürlich war sie kurz vor dem Ausflippen bis ich ihr dann klar machen konnte, dass ich beim Training nur unglücklich hingefallen wäre und der Verband zur Schonung diente. Zudem erzählte ich ihr, dass mich Coach zum Schularzt geschickt hatte, um schlimmere Verletzungen auszuschließen. Es aber nichts gefunden worden wäre.

Sie hatte mir die Lüge abgekauft.

Am Donnerstag fiel das Training ebenfalls aus. Irgendjemand meinte der Coach wäre krank, doch ehrlich gesagt interessierte mich der Grund gar nicht. Ich war nur umso glücklicher einen weiteren Ruhetag zu haben.

Somit waren die Schmerzen am Freitag beinahe gänzlich verschwunden. Trotzdem lief das Training ganz und gar nicht so wie ich es mir gewünscht hätte. Durch die Schonung und das Ausruhen war ich nicht mehr perfekt in Form und schwächelte bereits nach wenigen Minuten auf dem Eis. Doch noch viel schlimmer war meine steife Hand. Durch die Schonhaltung hatte sie an Beweglichkeit einbüßen müssen und die Folgen dessen bekam ich nun zu spüren. Ich konnte den Schläger nicht richtig führen, ließ ihn beinahe fallen und verfehlte den Puck. Eine grauenhafte Darbietung.

Und dafür bekam ich auch eine ordentliche Abreibung. Coach Norris stauchte mich vor versammelter Mannschaft zusammen und ließ nicht ein gutes Haar an mir. Er tobte und entließ uns letztendlich mit einem hochroten Kopf in die Umkleide.

Conall wollte mich auf dem Weg dorthin abfangen und fragen was los wäre, doch ich schob ihn nur zur Seite und gab ihm damit zu verstehen, dass ich gerade wirklich keine Lust hatte zu reden. Er akzeptierte es und verschwand. Zumindest war er nicht mehr da, als ich die Halle verließ und zu meinem Wagen steuerte. Während die feixenden Kommentare aus der Umkleide noch immer in meinen Ohren hallten, startete ich den Motor und fuhr nach Hause.

Dort verbarrikadierte ich mich in meinem Zimmer, schmiss mich aufs Bett und schlief auf der Stelle ein.

–––––––

Keine Ahnung was den Sinnenwandel verursacht, doch am nächsten Morgen fühlte ich mich wie ausgewechselt. So als hätte jemand in mir einen Schalter umgelegt und auf einmal konnte man sich wieder auf die wichtigen Dinge fokussieren. Vermutlich mochte es wahnsinnig klingen, doch das war mir egal. Die Hauptsache war, dass ich mich besser fühlte.

Erst hatte ich ausgeschlafen und dann mit Thomas und Eddie ausgiebig gebruncht, bevor ich mich dazu entschied, endlich wieder etwas an meiner Fitness zu tun. Demnach war es schon nach Mittag als ich mir meine Joggingschuhe schnürte und loslief.

Lächelnd joggte ich den Waldweg entlang und ließ mir durch die leeren Baumkronen die Sonne ins Gesicht scheinen. Und gerade als ich an der kleinen Brücke des Mountain Rivers vorbeilaufen wollte, schoss mir der Gedanke in den Kopf, ob ich nicht die gleiche Runde laufen sollte wie vor wenigen Wochen, als ich Harper zum ersten Mal begegnet war. Mit viel Glück würde ich sie dann wieder antreffen.

Angespornt von dieser Idee überquerte ich die Brücke, lief an einem Hain aus Büschen entlang und bog um die Ecke, ehe ich kurz darauf freien Blick auf den zugefroren See hatte, in den der Fluss mündete.

Und nicht weit davon entfernt erblickte Harper und ihren Hund. Buttons hieß er glaub ich, wenn ich mich recht entsann.

Mit einem dümmlichen Lächeln auf den Lippen sah ich dabei zu wie Harry den Stock warf, ihr Hund jedoch offensichtlich andere Interessen verfolgte. Denn stand dem Stock hinterher zu rennen, zog ein Vogel seine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Er bellte, wedelte mit dem Schwanz und rannte ihm wie wild geworden hinterher.

Ich wollte gerade zu lachen beginnen, als es mir auch schon im Hals stecken blieb. Harrys Hund war anscheinend so auf den Vogel fixiert, dass er nicht merkte wie er mitten auf den zugefroren See rannte.

F*ck.

Harry rief verzweifelt nach ihrem Hund, während dieser nur immer und immer wieder hochsprang und nach dem Vogel zu schnappen versuchte.

Und dann passierte es. Das Eis knackte, gab nach und der arme Hund fiel ins eiskalte Wasser.

Sofort raste ich los, ließ den Schnee von meinen Schuhen hoch wirbeln und stoppte schlitternd neben Harper. Oder zumindest hatte ich das vorgehabt, denn ganz so einfach war es nicht auf dem zugeschneiten Rasen zum Stehen zu kommen ohne sich auf die Nase zu legen. Daher rannte ich sie mehr oder weniger über den Haufen, bevor ich endgültig zum Stoppen kam.

Ihr Blick fiel auf mich und unweigerlich spiegelte sich eine Mischung aus Überraschung und Dankbarkeit in ihnen wieder.

»Sully«, stieß sie aus und schaute mich mit großen Augen an. Ihr ganzer Körper zitterte, während ihre Brust sich hastig hob und senkte. Sie war mit den Nerven völlig am Ende. Ihre Augen glänzten und strahlten pure Panik aus. Sie hatte Angst und das nicht zu knapp.

»Hey, alles wird gut«, versuchte ich sie zu beruhigen, während mein Atem fürchterlich rasselte. Ich war ganz und gar nicht Form und dieser Sprint hatte mir alles abverlangt. »Ich hol ihn da raus.« Meine Worte drangen an meine Ohren, bevor ich sie überhaupt gedacht hatte. War ich wahnsinnig geworden? Auf bereits eingebrochenes Eis zu gehen konnte lebensgefährlich sein. Wenn ich ebenfalls einbrach, war die Wahrscheinlich, dass ich erfror nicht unbedingt gering.

Dennoch schaffte ich es irgendwie die Ruhe zu bewahren und vorsichtig einen Fuß auf die Eisfläche zu setzen. Es knackte ein wenig und das mulmige Gefühl in mir stieg.

Das war definitiv keine gute Idee.

Je näher ich Buttons und dem Loch, in dem er steckte, kam, desto deutlicher wurde das Winseln von ihm. Er strampelte, versuchte sich aus dem Wasser zu befreien und riss damit ein nur noch größeres Loch ins Eis.

»Hey«, rief ich ihm zu, gefolgt von einem hohen Pfiff. Sofort drehte er seinen Kopf in meine Richtung. »Alles wird gut, mein Junge. Alles wird gut. Du bist gleich da raus. Gut, mein Junge. Ich helf dir. Brav bist du.« Ich wusste nicht wie lange ich diesen Monolog führte, doch offensichtlich half es, denn Buttons begann sich langsam zu beruhigen und als ich bei ihm ankam, ließ er sich bereitwillig von mir aus dem Wasser ziehen.

Ich nahm ihn auf dem Arm und wickelte ihn mit in meine Jacke, da er am ganzen Körper zitterte und völlig entkräftet war.

Und dann trat ich wieder den Rückweg an. Vorsichtig und äußert bedacht drauf keinen falschen Schritt zu tun, tastete ich mich mit meiner Fußspitze vor und schaffte es letztendlich zurück ans Land. Dort verfrachtete ich Buttons zurück auf den Boden, wo er augenblicklich von Harry geherzt und umarmt wurde.

Sie drückte ihn an sich und schien ihn gar nicht mehr loslassen zu wollen. Doch dann wandte ihren Blick zu mir hinauf.

»Danke, Sully.«

Und im nächsten sprang sie aus der Hocke hoch, schlang ihre Arme um meinen Hals und drückte sich fest an mich. Perplex erwiderte ich die Umarmung, während ich spüren konnte wie mein Herz wie wild geworden gegen meine Brust schlug.

Gott, ich war so dermaßen in dieses Mädchen verschossen.

Greatest PretendersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt