H a r p e r

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Die Bäume schossen an uns vorbei, die Welt um uns herum verschwamm und in meinen Ohren hörte ich das Rauschen meines Pulses.

Der Wagen donnerte die Landstraße entlang, während meine Gedanken noch dem Geschehen von vorhin nachhingen.

Ich war kopflos gewesen. Ich hatte alles ausgeblendet, hatte selbst meine Panik verdrängt und nur daran denken können, wie schlimm es Sully getroffen haben mochte. Ob er bei Bewusstsein war. Ob er stark verletzt war. Ob...

Je länger meine Gedanken darum kreisten, desto größer wurden die Erinnerungen, wie ich an seiner Stelle gewesen war. Wie ich aufs Eis gekracht war und nicht mehr hatte aufstehen können. Wie ich ein merkwürdiges Kribbeln in meinen Beinen gespürt hatte, wie ich sie nicht mehr hatte bewegen können. Wie mir der Kopf gebrummt hatte, wie ich Probleme hatte die Augen zu öffnen. Wie ich den Handschuh neben mir auf dem Eis hatte liegen sehen und das Blut von meinem kleinen Finger getropft war.

Ich wandte meinen starren Blick von der Straße ab und richtete ihn stattdessen auf den kleinen Finger meiner rechten Hand. Die Narbe war selbst jetzt noch deutlich zu erkennen. Genau dort. Ich fuhr über die Stelle. Kurz vor dem zweiten Gelenk. Genau dort war er abgetrennt gewesen.

Ich schluckte und presste meine Hände fest ineinander. Sie zitterten fürchterlich.

Ein Schütteln erfasste den Wagen, als er durch ein Schlagloch raste. Conall neben mir stieß einen leisen Fluch aus.

Mein Blick sprang flüchtig zu ihm hinüber.

Conall hatte mich einfach gepackt. Er hatte mich hinter sich hergezogen und auf den Beifahrersitz seines Autos verfrachtet. Dann war er losgerast, geradewegs zum Krankenhaus in Dalefield.

Mein Blick flog erneut zu ihm. Er tippte mit seinen Fingern unruhig aufs Lenkrad und wippte immer wieder mit dem Fuß.

Zehn Minuten später schossen wir auf den Parkplatz des Dalefield Hospitals. Conall parkte irgendwo völlig schief in einer der Parklücken und sprang genauso hektisch vom Sitz wie ich. Er blickte sich nach mir um, lief jedoch ohne zu warten los. Ich musste zusehen, dass er mir nicht davon rannte.

Die Schiebetüren öffneten sich vor uns, wir traten ein und eilten hinüber zum Empfang der Notaufnahme.

Conall blieb atemlos vor der Theke stehen und legte auf ihr seine Hände ab. Wenige Sekunden später hatte ich zu ihm aufgeschlossen.

»Entschuldigung«, lenkte er die Aufmerksamkeit der Dame aufs uns. Sie blickte auf und sah uns abwartend an. »Ist hier ein Sullivan Roalstad eingeliefert worden?«

Die Frau wandte sich von uns ab und tippte etwas in ihren Computer. Währenddessen fuhr sich Conall nervös über den Kopf.

Ich presste meine Hände wieder fest ineinander und war erschrocken wie verdammt kalt sie waren. Sofort zog ich die Pulliärmel über meine Finger und stopfte sie in die Tasche am Bauch.

»Sullivan Lennox Roalstad?«, fragte die Dame nach und Conall nickte.

»Ja, der ist eingeliefert worden.«

Mein Herz pochte wie wild.

»Und wie geht es ihm?« Conall trat unruhig von einem Bein aufs andere und kratzte sich am Hinterkopf. Auch wenn ich ihn praktisch nicht kannte, war ich heilfroh ihn neben mir zu wissen. Ohne ihn stände ich vermutlich immer noch in der Eishalle und wüsste nicht wohin mit mir. Er schien immerhin halbwegs zu wissen, was zu tun war.

»Dazu darf ich leider keine Informationen rausgeben. Nur an Familienangehörige. Und das sind sie nicht, oder?« Die Frau sah uns mit hochgezogenen Augenbrauen an.

Greatest PretendersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt