H a r p e r

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»Du brauchst nicht beim Abräumen helfen, Schätzchen. Du bist unser Gast.«

Ich lächelte nur und schüttelte den Kopf. »Kein Problem, mach ich gerne.« Ich griff nach den Tellern und lief Thomas hinterher in die Küche. Im Augenwinkel sah ich wie Eddie mein Lächeln erwiderte. In der Küche stellte ich das Geschirr neben der Spüle ab und lief wieder zurück ins Wohnzimmer. Ich half Eddie noch eben die Tellerunterlagen zusammenzulegen, bevor ich mich suchend nach Sully umsah. Doch der stand bereits neben mir.

»Soll ich dich jetzt nach Hause fahren?« Ich blinzelte ein paar Mal, bevor ich nickte. Ich hatte die Gastfreundschaft seiner Familie wohl genug ausgereizt.

Ich verabschiedete mich von Eddie und Thomas, versprach bald wieder vorbeizukommen und fand mich wenige Minuten später bereits ins Sullys Wagen wieder. Er legte den Rückwärtsgang ein, holperte auf die Straße und machte sich ohne Umschweife auf den Weg zu mir nach Hause.

Immer wieder warf ich einen flüchtigen Blick zu ihm hinüber, doch er starrte nur stumm auf die Straße vor uns. Die ganze Fahrt über sagte er kein Wort, sondern biss sich auf die Innenseite seiner Wange. Sein Kiefer war angespannt und seine Hand klammerte sich geradezu um das Lenkrad seines Wagens.

Wir hatten uns bisher nie in seinem Auto angeschwiegen. Die ganze Woche über hatte er ständig das Gespräch gesucht, mir irgendwas Belangloses erzählt oder mich etwas gefragt. Doch das er es jetzt nicht tat, ließ meinen Glauben darin, dass mit ihm heute Abend etwas nicht stimmte, nur noch mehr wachsen.

Als die Scheinwerfer auf unsere Hausfassade trafen und der Wagen vor der Veranda zum Stehen kam, atmete ich erleichtert aus. Mein Kopf würde bei all den Gedanken bald platzen, wenn ich nicht endlich den Mut dazu aufbringen und Sully nach heute Abend fragen würde. Nach Eddie und Thomas. Nach seinem Verhalten. Nach einfach allem.

Sully stellte den Motor ab, zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und stieg aus. Ich tat es ihm gleich und lief ums Auto herum. Statt dass Sully mich bis zur Haustür begleitete, verweilte er an seinem Wagen und lehnte sich mit dem Rücken gegen die geschlossene Fahrertür. Er steckte seine Hände in die Taschen seiner Jacke und blickte zu Boden.

Nein, das war definitiv nicht der Sully, den ich kannte.

»Ich fand's ziemlich schön«, brach ich dann das Schweigen. Sofort hob er seinen Blick und sah mich an. Doch statt eines Grinsens machte sich nur eine kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen breit. Ihn musste irgendwas bedrücken.

»Darf ich dich was fragen?«, fragte ich vorsichtig und sah ihm abwartend in die Augen.

»Klar«, krächzte er und schob sich seine Mütze zurecht. Er verlagerte sein Gewicht vom linken aufs rechte Bein und kratzte sich unruhig am Hinterkopf. Vielleicht war es falsch die nächste Frage zu stellen, doch ich musste einfach. Schon den ganzen Abend schwirrte sie mir im Kopf herum.

Ich atmete noch einmal durch und nahm dann all meinen Mut zusammen.

»Wer sind die beiden?« Ich schluckte und biss mir nervös auf die Unterlippe. »Also Eddie und Thomas.«

Er blinzelte irritiert und schaute dann weg. Hatte ich ihn gerade auf dem falschen Fuß erwischt?

»Du nennst sie bei ihrem Vornamen und ich hab gedacht... also, ich find's halt komisch, weil... naja, also...«, stotterte ich und knetete dabei nervös meine Finger.

Ich blickte zu ihm und scannte dabei jeden Zentimeter seines Gesichts. Warum schaute er mich nicht an? Warum schwieg er? War da etwas, was er verheimlichen wollte?

»Sie sind nicht deine Eltern, oder?« Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Leise, bedacht und ein wenig schüchtern. Geradezu verängstigt von der Stille und dem Warten auf seine Reaktion.

Greatest PretendersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt