H a r p e r

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Gedankenverloren ließ ich meinen Blick über die anderen Schüler wandern. Einige von ihnen liefen durch den Gang, unterhielten sich und drängten sich dabei entweder an anderen vorbei oder hielten diese durch ihr langsames Tempo auf. Manche standen aber auch an ihren Spinden, verstauten ihre Schulbücher und checkten ihr Aussehen. Mein Blick schweifte über die zahllosen Köpfe bis er mit einem Mal an einem Pärchen hängen blieb. Ein Junge und ein Mädchen, vielleicht eine Stufe unter mir, die sich verliebt anlächelten.

Sofort bekam ich dieses unangenehme Gefühl in der Kehle. Es ließ sie rau und trocken werden und erschwerte mir das Schlucken. Dieses Gefühl hatte ich bereits gestern gespürt, als ich Quentin und Marlen beobachtet hatte. Und ich wusste auch allzu gut was es bedeutete. Ich war eifersüchtig. Nicht auf einen der beiden im Konkreten, sondern auf das, was sie hatten. Eine Beziehung.

Ich stieß ein Seufzen aus, ehe ich mich von dem Paar abwandte, meine restlichen Bücher im Spind verstaute und ihn schloss. Mit einem scheppernden Geräusch rastete er ins Schloss, während ich fürchterlich zusammenzuckte. Nicht wegen des Geräuschs, sondern wegen der Person, die offensichtlich hinter der geöffneten Spindtür gewartet hatte.

»Sullivan!«, schimpfte ich und fasste mir ans Herz. Ihn schien die Situation jedoch köstlich zu amüsieren. Zumindest entnahm ich es dem breiten Grinsen und dem leisen Glucksen. Verärgert schlug ich ihm mit der Faust gegen den Oberarm. Ich hasste es erschreckt zu werden.

»Was willst du?«, fragte ich ihn und rückte meine Tasche auf der Schulter zurecht.

»Ich wollte dich fragen, ob du heute Nachmittag nicht vielleicht Zeit hättest.«

Sofort schoss mein Puls in die Höhe und die Alarmglocken in meinem Kopf gingen los.

»Vielleicht kann ich dich zu irgendetwas einladen? Eine Runde Bowlen? Billiard?«

Er wollte sich mit mir treffen. Zu zweit. Allein.

Sofort begannen meinen Handflächen zu schwitzen.

»Ähm...« Was sagte man in solch einem Fall? Bedankte man sich? Schlug man etwas anderes vor? Lehnte man vielleicht ab?

Ablehnen.Sofort beruhigte sich mein Herzschlag etwas. Ich konnte ablehnen, dann wäre ich zumindest auf der sicheren Seite.

»Sorry, aber ich muss heute Nachmittag lernen.«

»Und morgen?«

Unwohl trat ich von einem Fuß auf den anderen

»Da auch.«

»Und am Mittwoch?«

»Tut mir leid, ich muss los.« Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, machte ich auf dem Absatz kehrt und sah zu, dass ich so schnell wie möglich verschwand. Dabei war es auch egal, dass ich eigentlich in die andere Richtung gemusst hätte.

Meine erste Einladung auf eine Verabredung und ich floh wie der letzte Schisser. Toll, Harper. Wirklich grandiose Leistung.

Offensichtlich hatte ich Sullivan mit meinem Verhalten etwas abgeschreckt. Zumindest fehlte am nächsten Tag von ihm jede Spur. Ich sah mich immer wieder um, ob er nicht doch plötzlich aus einer Ecke gesprungen kam, doch meine Mühe war umsonst. Und somit endete der Schultag am Dienstag, ohne dass ich Sully zu Gesicht bekommen hatte.

Nachdem ich jedoch gut eine Stunde Zuhause war, klingelte es mit einem Mal an der Tür. Irritiert runzelte ich die Stirn und rappelte mich von meinem Bett auf. Ich lief zur Haustür, öffnete sie und hätten sie im nächsten Moment am liebsten wieder zugeschmissen.

»Hi.«

Wie erstarrte blickte ich Sullivan an. Was– woher– wie...

Während ich noch versuchte meine Gedanken zu versuchen, quetschten sich Buttons an mir vorbei und empfing Sully schwanzwedelnd. Was für ein Verräter.

Greatest PretendersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt