S u l l i v a n

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Schnaubend zog ich mir meine Mütze tiefer in die Stirn und bahnte mir den Weg durch all die parkenden Autos. Letzte Nacht war ein fürchterlicher Kälteeinbruch über Eastwich Mountain gekommen und hatte so gut wie jede Straße vereist. Ein bisschen Schnee war auch gefallen, doch er reichte gerade, um den Boden zu bedecken.

In letzter Sekunde wich ich einer Eispfütze aus.

Um ehrlich sein, hatte ich nicht die beste Laune. Denn unter anderen Umständen wäre ich jetzt nach Schulende nirgendwo anders als in der Eishalle. Doch wie bereits die restliche Woche brachte ich nicht den nötigen Mumm auf, um meinem Team gegenüberzustehen und ihnen zu sagen, dass ich für den Rest der Saison ausschied. Denn das hatte der Coach mehr als deutlich gemacht: Er würde mich nicht spielen lassen, solange meine Hand verletzt war.

Verärgert zog ich meine Augenbrauen zusammen.

Egal was ich auch machte, meine Gedanken kehrten immer wieder an diesen Punkt zurück. An diesen tragischen und zutiefst deprimierenden Punkt.

»Sullivan!«

Überrascht blieb ich stehen und sah mich zu allen Seiten um. Erst nach wenigen Sekunden erblickte ich einen zerzausten Blondschopf, der auf mich zu rannte.

Romy.

Ich musste schmunzeln. Sie war die Schwester derjenigen, mit der Conall seinen erstes Mal gehabt hatte, und soweit ich wusste, war sie seit der Middle School in Conall verschossen. Er wollte das allerdings nicht so recht wahrhaben.

»Du fährst bestimmt die Tage mal zu Conall, oder?«, fragte sie mich atemlos, als sie bei mir angekommen war, und strich sich ihre dicken und langen Haare aus dem Gesicht.

Ich hob nur den riesen Stapel an Blättern in meinem Arm hoch, nickte und setzte ein gequältes Lächeln auf. Conall würde sich über den Haufen an Aufgaben sicher freuen.

»Super, kannst du das hier vielleicht noch mitnehmen? Ist aus Musik. Die Aufgabe steht auf dem Blatt und auch die Abgabefrist. Wenn er bis dahin nicht zurück ist, kann er es Mrs. Gray auch einfach per E-Mail schicken. Die Adresse hab ich's auf Blatt geschrieben. Oder er gibt es dir und du gibt's dann mir. Das ist egal.« Sie legte mir zwei aneinander getackte Seiten auf den Stapel. »Wenn er noch irgendwelche Fragen hat, dann kann er sich gerne bei mir melden. Entweder er ruft mich oder schreibt mir nur eben ne Nachricht. Ich kann auch zu ihm kommen. Meine Nummer hab ich ihm sicherheitshalber noch mal auf den Zettel geschrieben, keine Ahnung, ob er sie noch eingespeichert hat.« Ihr entfuhr ein hektisches Lachen, während sie sich erneut ihre Haare hinter die Ohren zu klemmen versuchte.

Stumm bewegte ich meinen Kopf zu einem Nicken, schwer bemüht mir ein Grinsen zu verkneifen. Romy war eine Stufe unter uns, war jedoch bereits so gut, dass sie den Musikkurs eine Stufe höher, also in unserer belegt hatte. Als Conall mir davon erzählt hatte, wie sie sich direkt in der ersten Stunde neben ihn gesetzt und drauf los geplappert hatte, hatte ich nicht anders gekonnt als schallend loszulachen. Ich konnte mir seine Überforderung mit dem Wirbelwind nur zu gut vorstellen.

»Mach ich«, sagte ich, woraufhin Romy mich zufrieden anlächelte.

»Toll!« Und damit drehte sie sich wieder um und verschwand zwischen den Autos. Doch sie kam nur wenige Schritte weit, denn da wirbelte sie wieder zu mir herum. »Richte ihm von mir gute Besserung aus!« rief sie. Ich nickte und hob zur Verabschiedung meine freie Hand. Ich schüttelte amüsiert den Kopf und setzte meinen Weg wieder fort.

Ich war wirklich gespannt darauf, ob Conall jemals verstehen würde, dass die kleine Romy Hals über Kopf in ihn verknallt war. Und ob aus den beiden jemals etwas werden würde. Bislang hatte Conall immer nur Interesse für Frauen gezeigt, die weit über seiner Liga waren. So ganz sicher darüber, ob er diese Flirtversuche ernst meinte oder sich bewusst war, dass seine Wahrscheinlichkeit bei einen von ihnen zu landen unterirdisch gering war, war ich mir jedoch nicht. Vielleicht würde er ja noch irgendwann auf den Boden der Tatsachen zurückkehren.

Greatest PretendersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt