S u l l i v a n

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Die Reifen meines Wagens rumpelten über den Bordstein und kamen auf der aufsteigenden Auffahrt zum Stehen. Ich schaltete den Motor ab und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss. Mein Körper verharrte für wenige Sekunden in dieser Position, ehe ich meinen Kopf nach hinten lehnte und die Augen schloss.

Ich war völlig kaputt.

Und andererseits glücklicher denn je.

Bei dem Gedanken an die vergangenen Stunden stahl sich ein Lächeln auf meine Lippen. Nicht nur, dass das Training hervorragend gelaufen war und mein Körper vor lauter Endorphine beinahe überzusprudeln drohte, sondern vielmehr die Tatsache, dass Harper in der Halle gewesen war. Es mochte sich völlig lächerlich, wenn nicht gar abgedroschen anhören, wenn ich so begeistert davon war. Doch meiner Meinung nach zeigte es, dass Harper begann ihren Widerstand aufzugeben. Und das wiederum bedeutete, dass ich mit meiner anfänglichen Behauptung gar nicht so fehl gelegen hatte und Harper doch noch zu einem Sullivan-Fan machen konnte.

Bei meinen eigenen Gedanken musste ich grinsen. Sullivan-Fan. Das hörte sich nun wirklich völlig geisteskrank an.

Mir entfloh ein Lachen. Vielleicht sollte ich mir mal ernsthaft Gedanken über den Inhalt meines Kopfes machen.

Ich schlug meine Augen wieder auf und versuchte dabei mit aller Mühe mein breites Grinsen zu unterdrücken. Andernfalls würden mich die Nachbarn für geistig eingeschränkt halten. Ich schüttelte den Kopf, öffnete die Autotür und beförderte meinen Körper mit einem leisen Seufzen aus dem Auto.

Und schon hatte mich die Realität wieder. Jeder meiner Knochen schmerzten und jede Faser meines Körpers schrie nach Erbarmen. Ich glaub, so kaputt nach einem Training war ich schon lange nicht mehr gewesen. Aber vielleicht war ich auch einfach in letzter Zeit ein wenig aus der Form. Ich sollte das Joggen definitiv wieder in meinen täglichen Sportplan mit einbauen. Andernfalls würde ich in Zukunft gar keine Chance mehr gegen die Kolosse auf dem Eis haben.

Ich schwang mir meine Schultasche über die Schulter und trottete in gebeugter Haltung zur Haustür. Egal wie sehr mein Körper schmerzte, meine Venen waren trotz alledem von purer Glückseligkeit durchströmt. Denn wenn eine Sicherheit bestand dann, dass ich mich nach dem Sport trotz aller Anstrengung und Erschöpfung pudelwohl fühlte. Ich brauchte diese Auslastung. Denn falls ich mich nicht bewegte, würden mir irgendwann die Hummel im Arsch explodieren. Und die Folgen dessen wollte nun wirklich keiner.

Mein Blick fiel hinunter auf den Kiesweg, welcher die Garage mit den Haus verband. Im Gegensatz zu gestern befand sich nur noch eine dünne Schicht Schnee auf dem Boden, was nicht besonders verwunderlich war, da sich die Sonne den gesamten Tag über nur von ihrer besten Seite gezeigt hatte und den Schnee damit wohl zum Schmelzen gebracht haben musste. Schade eigentlich. Ich mochte es, wenn alles von Schnee bedeckt war. Irgendwie... wirkte dann alles direkt viel friedlicher.

Ich steckte den Schlüssel ins Schloss der Haustür und betrat kurz darauf die alten Dielen des Flurs.

»Hey, Eddie! Ich bin wieder Zuhause«, schrie ich laut durchs Haus, noch bevor ich die Tür hinter mir schloss. Ich schlüpfte aus Jacke und Schuhe und verfrachtete sie an ihren Platz an der Garderobe.

»Du musst doch nicht so schreien. Noch bin ich nicht schwerhörig.«

Ich dreht mich um und schaute augenblicklich in das grinsende Gesicht meiner Großtante. Sie blieb im Türrahmen der Küche stehen und trocknete sich ihre Hände in dem Geschirrtuch ab.

»Sorry.«

Zerknirscht verzog ich mein Gesicht. Wer hätte auch ahnen können, dass sie sich in der Küche befand. Okay, eigentlich jeder, der wusste, dass diese ihr liebster Raum im Haus war.

Greatest PretendersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt