S u l l i v a n

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Erschöpft ließ ich mich auf eine der Bänke vor der Schule fallen und presste mir die Handballen auf die Augen.

Ich war am Ende. Mein ganzer Körper schrie vor Erschöpfung und würde nichts lieber tun als augenblicklich in den Schlaf zu sinken. Ich konnte es ihm nicht verübeln, schließlich hatte ich die vergangene Nacht kaum ein Auge zugetan. Ständig waren meine Gedanken um Conall und unsere Auseinandersetzung gekreist. Immer und immer wieder hatte ich den Abend Revue passieren lassen und war doch jedes Mal auf das gleiche Ergebnis gekommen.

Es war absolut meine Schuld.

Ich hatte überreagiert und Conall hatte es abbekommen. Dabei verdiente er so etwas nicht. Und dafür könnte ich mich selbst köpfen.

Ich konnte förmlich spüren wie die Wut zurück in meine Venen kehrte und mich innerlich brodeln ließ. Nur diesmal richtete sich mein Ärger nicht gegen Conall, sondern gegen mich. Mich, der völlig grundlos ausrastet war. Mich, der seine Wut schon wieder nicht unter Kontrolle gehabt hatte. Mich, der blind vor Wut seinen besten Kumpel angeblafft hatte, obwohl dieser nichts Falsches getan hatte.

Ich war ein Arschloch.

Wütend riss ich die Arme runter, sprang von der Bank auf und eilte ins Schulgebäude. Ich lief den Gang entlang, stieß die Tür zur Toilette auf und blieb atemlos stehen. Ich stützte mich auf dem Rand des Waschbeckens ab und versuchte meinen Puls in einen annehmbaren Bereich zu manövrieren. Nur ohne Erfolg.

Mein Atem ging schwer, er schleppte sich von einem Zug zum nächsten und ließ mich nur noch rasender werden.

In all den vergangenen Jahren hatte ich stetig versucht diesen klitzekleinen Teil meines Lebens geheim zu halten. Ich wollte ihn verbergen, sodass niemand sah wie kaputt ich eigentlich war. Wie sehr ich zum Scheitern verurteilt, zum Verlierer geboren war. Ich wollte nicht, dass jemand registrierte, dass mein Auftreten ein reines Schauspiel war.

Ruckartig drehte ich den Wasserhahn auf und spritzte mir etwas von dem kalten Wasser ins Gesicht.

Doch vor allem wollte ich nicht, dass meine Vergangenheit meine Gegenwart definierte. Und schon gar nicht, dass sie meine Zukunft beeinflusste.

Seufzend schloss ich die Augen und drehte den Hahn wieder zu. Sofort verstummte das leise Rauschen und ließ mich zurück in einer unaushaltbaren Stille.

Ich atmete tief durch und hob meinen Blick. Ich richtete ihn in den Spiegel vor mir und unweigerlich schwoll die unbändige Wut wieder in mir hoch.

Bevor ich begriff was mein Körper tat, holte ich aus und schlug mit voller Wucht gegen die verputzte Wand. Ein fürchterliches Stechen ging durch meine Faust, während ein unangenehmes Knacken an meine Ohren drang.

Scheiße!

Ich verfluchte mich.

Taumelnd wich ich vor der Wand zurück und starrte die leichte Einkerbung in ihr an. Der Putz war teilweise abgebröckelt und verriet nur zu deutlich, dass sich hier jemand nicht hatte beherrschen können.

Mein Blick fiel auf meine Hand und augenblicklich jagte mir ein unwohles Gefühl durch den Körper. Meine Finger waren noch immer leicht gekrümmt, zitterten und ließen sich nur schwerfällig bewegen. Dafür war der Schmerz, den sie durch meinen Körper jagten umso gewaltiger. Ich konnte ihn pochen spüren und wie er mit jeder Sekunde stärker wurde. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass ich der Hand beinahe dabei zusehen konnte, wie sie rot und blau wurde.

Ich konnte nichts weiter tun, als hastig den Wasserhahn aufzudrehen und meine Hand unter den kühlenden Strahl zu halten. Das Blut der aufgeplatzten Knöchel vermischte sich mit dem Wasser.

Das war mit Abstand die dümmste Idee gewesen, die ich jemals gehabt hatte. Aber sowas von.

Vorsichtig versuchte ich meine Hand zu bewegen, doch kaum hatte ich den Versuch gewagt, durchschoss ein weiterer Schwall an Schmerzen meinen Körper.

Die Hand war durch.

Scheiße!

Der Coach würde ausrasten. Und was sagte ich Eddie erst?

Verzweifelt drehte ich die Hand unter dem Strahl, um einen besseren Blick auf sie werfen zu können. Doch jede Hoffnung war aussichtlos. Die Hand war im Arsch. Egal ob sie jetzt gebrochen war oder nur ordentlich angeknackst, ich würde sie eine ganze Weile nicht richtig nutzen können.

Ich stellte das Wasser wieder ab und trocknete meine Hand vorsichtig ab.

Ich konnte sie auf keinem Fall jemanden zeigen. Denn wenn ich das täte, würde ich zu hundert Prozent vom Training ausgeschlossen werden und das konnte ich weder dem Team, noch mir selbst antun.

Also warf ich nur einen letzten Blick in den Spiegel und auf die Wand daneben, bevor ich mir meine Sweathshirtjacke über die Hand zog und die Toiletten verließ.

Als ich zurück auf den Flur kehrte, herrschte dort bereits reges Treiben. Kein Wunder, schließlich begann der Unterricht in wenigen Minuten und keiner der hier anwesenden Schüler wollte zu spät kommen. Oder zumindest die Wenigsten.

Ich unterdrückte ein weiteres Seufzen und schloss mich der Kolonne an Schülern an. Doch kaum hatte ich mich in Bewegung gesetzt, stieß meine Schulter gegen jemanden und als ich meinen Blick zur Seite wandte, schaute ich in Conalls tiefbraune Augen. Er jedoch war weniger begeistert davon und widmete mir keine weitere Sekunde seiner Aufmerksamkeit. Stattdessen setzte er seinen Weg ungestört weiter. Gott sei Dank reagierte ich jedoch schnell genug und hielt ihn am Ärmel seines Pullovers zurück.

Conalls stöhnte genervt auf, bevor er sich zu mir drehte und mich abwartend ansah. Er wartete offensichtlich auf eine Erklärung von mir.

»Das gestern tut mir leid Conall.«

Unbeeindruckt blickte er mich an.

»Ich...«

Unsicher kratzte ich mich mit meiner linken Hand am Hinterkopf, während ich meine Rechte so gut wie möglich zu verstecken versuchte.

»Du weißt doch, dass meine Großtante... dass sie nicht viel von Alkohol hält. Oder von sonst irgendwelchen Drogen.«

Conall hob abschätzig seine Augenbrauen. Besonders überzeugt war er von meinen Worten nicht.

»Sie... ihre Meinung... ich mich hab einfach in letzter Zeit ein bisschen zu sehr von ihr beeinflussen lassen. Sorry.«

Zerknirscht legte ich den Kopf schräg und hoffte inständig, dass mir Conall nicht länger böse sein würde.

Für eine kurze Sekunde glaubte ich, er würde einfach davonlaufen, weil er seine Augen zusammenkniff und mich skeptisch musterte. Doch dann grinste er mich an und zog mich in eine Umarmung.

Und obwohl die Last von meinem Schultern fiel, konnte ich mich nicht vollends befreit fühlen. Stattdessen stieg das beklemmende Gefühl in meiner Brust nur höher und bereitete mir Schmerzen. Wie lange würde Conall wohl brauchen bis er herausfand, dass das nicht der Wahrheit entsprach, sondern stattdessen eine weitere meiner Lügen war.

Greatest PretendersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt