H a r p e r

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Über den eigenen Schatten zu springen war als würde man über eine Schlucht springen. Vielleicht schaffte man es, vielleicht auch nicht. Vielleicht erreichte man die andere Felsseite nicht, vielleicht verfehlte man sie um ein paar Zentimeter, vielleicht... stürzte man einfach ab und wurde von den Klauen der Finsternis Willkommen geheißen.

Doch manchmal... manchmal, da schaffte man es. Vielleicht nicht alleine, vielleicht nicht völlig unversehrt. Aber man schaffte es. Mit der Hilfe von jemand anders.

»Hey!«, stieß ich empört hervor, als Buttons mit seiner Schnauze gegen meinen Oberschenkel stieß. Dieser Rüpel! Wenn es ums Frühstück ging, kannte er wirklich keine Grenzen.

»Buttons, sitz!«, befahl ich und augenblicklich plumpste sein Hintern auf die Fliesen unserer Küche. Ich sah ihn eindringlich an, während er nur dasaß, den Kopf leicht schräg legte und mit dem Schwanz wedelte.

Lächelnd schüttelte ich den Kopf und griff nach der Packung Hundefutter im obersten Regal des Küchenschranks. Einer der wenigen Orte, an die Buttons partout nicht rankam. Egal wie clever er sich auch anstellen mochte.

Ich hievte den Sack aus dem Schrank, stellte ihn auf dem Tresen ab und nahm Buttons Napf, um endlich die Hungergelüste der kleinen Nervensäge zu stillen. Das ganze Frühstück über war er mir auf der Pelle gerückt. Ich hatte ihn immer wieder von mir schieben müssen.

Buttons spitzte die Ohren, als er das Rascheln der Verpackung hörte. Er zappelte wie wild, doch er blieb sitzen. Immerhin das hatte ich ihm vernünftig beibringen können.

Ich stellte den Futternapf zurück auf den Boden und trat zur Seite, was für Buttons Zeichen genug war, um sich aufs Essen zu stürzen.

Als ich das Futter wieder zurück im Schrank verstaut hatte, kam Dad zur Tür herein geschneit. Er griff nach der Teetasse auf dem Tisch, während er sich mit einer Hand den Rest seines Hemds in die Hose zu stopfen versuchte. Ich musste grinsen. Dad war noch nie ein Fan davon gewesen eine Sache nach der anderen zu tun, er wollte immer am liebsten alles gleichzeitig erledigen. Dass er sich dabei aber beinah den Tee über das frische Hemd goss und das Hemd nicht komplett herein gesteckt bekam, war nicht sonderlich verwunderlich.

Grinsend trat ich hinter ihn und steckte ihm den letzten Zipfel in den Hosenbund.

»Danke, Beanie.« Er lächelte mir dankbar zu, bevor er sich den letzten Rest seines Tees in den Rachen goss.

Er ging hinüber zur Spüle, während ich nach meiner Wasserflasche und dem geschmierten Butterbrot griff, um beides in meinem Rucksack zu verstauen.

»Du bist heute zum Abendessen da, oder?«

Verdutzt hob ich meine Augenbrauen und drehte meinen Kopf in seine Richtung.

»Ja. Wieso?«

Er stellte die ausgespülte Tasse verkehrt herum auf die Spüle, bevor er mir wieder seine Vorderseite zuwandte und leicht gegen die Theke lehnte.

»Ich würde heute Abend gerne mit dir darüber sprechen was gestern los war.«

Mein Herz stockte kurz.

»Was genau meinst du?«, hakte ich nach, wobei sich die entstandene Falte immer tiefer in meine Stirn bohrte.

Dad seufzte.

»Ich meine, dass du erst zwei Stunden nach Schulschluss nach Hause gekommen bist ohne mir Bescheid zu sagen. Dass du rote Augen hattest. Dass du völlig durchgefroren warst. Dass Sullivan dich wieder gebracht hat. Dass–«

»Sullivan hat nichts Schlechtes getan«, unterbrach ich ihn. Ich verstand, dass Dad sich Sorgen machte. Dass er Angst hatte, mir könnte es wieder so wie vor zwei Jahren gehen. Aber er sollte nicht glauben, dass es Sullys Schuld wäre. Er sollte nicht schlecht über ihn denken.

Greatest PretendersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt