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Katy

Ich starre schweigend aus dem Fenster.
Die Sonne hat sich verabschiedet, der Himmel ist bewölkt und neblig. Es wird jeden Moment zu regnen beginnen.

Wir sind seit ungefähr drei Stunden unterwegs, haben uns drei mal verfahren, sodass wir noch weitere drei Stunden hinter uns haben.

Alec hat kein Wort mehr gesagt, seit wir seinen Wagen betreten haben. Mein Handy, genau wie seines, hat mehrfach geklingelt. Noah hat versucht uns anzurufen. Keiner von uns beiden hat abgenommen.

Ich sehe zu Alec, seine Hände hat er fest ums Lenkrad geschlossen. Er sieht immer noch wütend aus. Seine Gesichtszüge sind hart, seine Lippen fest zusammengepresst. Er starrt mit hartem Blick auf die Straße.

Ich würde ihm gerne etwas beruhigendes sagen, doch weiß nicht was. Wenn es um Eltern geht, bin ich die schlechteste Ansprechpartnerin die es gibt.

Ich kann ihm keine Ratschläge geben, wie man einen Streit klärt, wenn ich mich nicht einmal an einen erinnern kann. Ich hasse es, dass die Erinnerungen an meine Eltern immer mehr verschwindet.

Ich habe vergessen, wie ihre Stimmen klingen. Ich habe vergessen, wie genau sie aussehen.
Wenn ich die Augen schließe, sehe ich sie nur verschwommen. Ich habe vergessen, wie sie riechen, wie es sich anfühlt in ihren Armen zu liegen.

Ich vergesse sie Tag für Tag mehr und ich kann nichts dagegen tun. Egal wie sehr ich mich bemühe an sie zu denken, ich kann ihr Bild nicht mehr aufrufen. Ich klammere mich an die letzten Familienbilder die ich zuhause habe und sehe sie mir an, wenn ich vergessen habe, wie das Lächeln meiner Mom ausgesehen hat.

Manchmal, an ganz schlimmen Tagen, rufe ich meinen Vater an, warte bis die Mailbox anspringt. Einfach nur, um ein letztes Mal seine Stimme zu hören.

Wie gerne ich sie jetzt bei mir hätte. Ich vermisse sie so sehr, dass es mich beinahe umbringt. Tagsüber verdränge ich den Gedanken, dass ich Vollwaise bin, dass ich niemanden mehr habe, doch wenn ich abends alleine in meinem Bett liege, holen die Ängste mich ein.

Ich sehe alles vor mir. Ich sehe den Unfall, sehe meine toten Eltern, sehe meinen Bruder, der mich mit seinem leeren Blick ansieht. Ich sehe meine Mutter, die leblos auf dem Sitz sitzt.

Das Schicksal ist ein mieser Verräter, schlimmer als man es sich überhaupt vorstellen kann. Ich vergesse die Stimmen meiner Familie und deren aussehen, doch an den Unfall kann ich mich erinnern.

Wenn ich an jenen Tag zurückdenke, sehe ich ihre Gesichter ganz klar. Blutverschmiert und tot. Ich höre Dads verzweifelte Stimme, die mich um den Verstand bringt. Ich höre seine Schreie. Ich sehe das Feuer.

Das Auto bleibt abrupt stehen, sodass ich in den Sitz gedrückt werde. Sofort überkommt mich Panik. Mein Kopf schnellt zu Alec, dessen Fingerknöchel weiß angelaufen sind, so fest umschließt er das Lenkrad.

,,Mist", flucht er. Er steigt aus dem Wagen und öffnet die Motorhaube. Ich steige ebenfalls aus und stelle mich zu ihm. Irgendwo steigt Rauch auf und ich kann nicht anders, als an den Unfall zu denken.

Alec holt sein Handy hervor und wählt eine Nummer. Er fährt sich seufzend durch Haar. ,,Mein Auto hat eine Panne", sagt er und nennt unseren genauen Standort.

Which Brother?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt