Greta rannte durch die Dunkelheit. Das Metall ihrer Messer fühlte sich warm an ihrer Haut an und das Gewicht ihres Schwertes, dass sie über dem Rücken trug, war ihr so vertraut, dass sie unausbalanciert war, sobald sie es nicht mehr trug.
Greta schlich leise zwischen den dunklen Gassen mit dem rauen Kopfsteinpflaster hindurch, sorgsam darauf bedacht, mit den Schatten zu verschmelzen, ein Niemand zu werden, nur noch Rauch und Nebel in der weiten Nacht. Es dauerte nicht lange, bis sie das Haus fand, dass dem Mann gehörte, den sie diese Nacht umbringen sollte.
Den Namen, den ihr Jasper gestern auf einem vergilbten Blatt Papier hatte zukommen lassen: "Benjamin McCain".
Die Fenster waren bereits verdunkelt, Benjamin schlief vermutlich schon, so hoffte sie jedenfalls.
Greta hatte den ganzen Tag auf dem gegenüberliegenden Hausdach verbracht, um den stämmigen Mann mit braunem Flaum zu beobachten, deshalb wusste sie, dass er alleine in einer Wohnung im dritten Stock wohnte. Ihr Blick glitt die Hauswandfassade hinauf, dann packte sie eines ihrer Messer fester, holte aus, die Klinge wirbelte durch die Luft und bohrte sich in das Schanier des Fensters. Greta ging ein paar Schritte zurück. Das Fenster lag in einer Höhe von mindestens fünf Metern, doch nichts, was sie nicht mit ihren 3DMA schaffen könnte. So leise es ging bohrten sich die Harken in die beiden Nachbarhäuser und zogen sie hoch in die Luft, bis Greta geschmeidig, wie eine Katze, auf dem Fenstersims landete. Greta trug eine spezielle Maßanfertigung des 3DMA, die sie von ihrem ersten Gehalt erworben hatte, die Lederriemen so dünn, dass sie sie unter ihrer Alltagskleidung tragen konnte, ohne dass sie auffielen. Sie zog das Messer aus dem Schanier und hebelte das Fenster auf.
Natürlich würde jeder, der halbwegs bei Verstand war, Nachts die Fenster schließen und gutgläubige Diebe oder besonders dumme Mörder würden die Scheibe einschlagen, sodass auch jeder in einem Radius von zwanzig Metern hören konnte, dass diejenigen gerade in ein fremdes Haus einbrachen, doch Greta war keine Anfängerin.
Sie war Mathias rechte Hand, sein Protege und seine Nachfolgerin, auf dem Thron der Rebellengruppe, die sich selbst die Schwarze Garde nannten.
Das Schanier des Fensters aufzuhebeln war eine weitaus leisere und spielfreie Methode, in ein fremdes Zimmer einzusteigen. Geräuschlos landete Greta auf den Holzdielen von Benjamins Wohnung. Leise und vorsichtig tastete sie sich durch die Dunkelheit, bis sie den Knauf einer Tür erreichte und in ein dunkles Schlafzimmer spähte. Benjamin lag schlafend in seinem Bett, die Hand auf seinen rundlichen Bauch gelegt.
Jetzt wo er so schlafend da lag, erinnerte er Greta mehr an ein Riesenbaby, als an einen dubiosen Waffenverkäufer, der Informationen der Schwarzen Garde an die Militär Polizei hatte durchsickern lassen. Sie packte den Griff ihres Messers fester. Dies würde ein einfacher Auftrag werden, einfach und sauber. Es klebte nicht einmal Blut an ihrem Körper, oder ihrer Kleidung, als sie wenig später aus dem Fenster stieg und das Schanier wieder einschraubte, in ihre Hand schmiegte sich Benjamins Kette. Ehe der Wind die Vorhänge aufblähen konnte, war sie schon über die Hausdächer verschwunden.Das Hauptquatier der Schwarze Garde war gelinde gesagt, ein riesiges Haus, mit Kellergewölbe, dessen Türen und Fenster mit rotem Stoff und grässlich aussehendem Glitzer dekoriert waren. Greta verzog den Mund. Genau das geschah, wenn man Männern die Dekoration überließ. Sie hatte sich geschworen, sobald sie die neue Anführerin würde, würde sie Das komplette Haus umgestallten, den Glitzer verbrennen und hoffen, ihm nie wieder in ihren Albträumen zu begegnen.
Greta öffnete die großen Türen und lief selbstsicher durch ein weiträumiges Areal mit Pokertischen und Glücksrädern. Der oberirdische Teil des Hauses war ein riesiges Kasino, ganz in Rot und Glitzer gehalten, mit einem schweren Teppisch, der gerade Wegs vom Eingang bis zu der im Halbschatten verborgenen Wendeltreppe führte.
Für einen kurzen Moment genoss Greta das kurze Stakato der Spielsteine, das brodelnde Goutieren, eines Glücksrats, bis ihr ein Blick von der Seite auffiel. Einer der Männer, die mit dem Kasino betraut waren, warf ihr einen eisernen Blick zu. Sie hob das Kinn und stolzierte auf ihren hohen Absätzen bis zur Wendeltreppe, wo sie unauffällig hinter einem roten Samtvorhang verschwand.
Der Gang der dahinter folgte hätte in keinem größeren Kontrast zu der vorigen Dekadenz stehen können: kahle Steinmauern, statt mit rotem Stoff ausgekleidete Wände, Fackeln, statt Kerzen und der modrige Geruch von einem alten Gemäuer. Greta fragte sich selbst, warum Mathias so viel Geld für das Kasino verschwendete, für sich und die Schwarze Garde allerdings auf jegliche Art von Luxus verzichtete. Sie folgte einer spärlich beleuchteten Treppe, bis sie vor einer massiven Holztür anhielt.
Greta verschränkte die Arme und hob eine Augenbraue, als der Türsteher, ein kräftiger Mann namens Karl sie nicht eintreten ließ.
"Mach die Tür auf", verlangte sie. Karl sah sie nur eisern an. Er überragte Greta um einiges, was keine Überraschung war, da sie selbst ziemlich klein war, dennoch ärgerte es sie, wie er von Oben auf sie herab sah.
"Du solltest so schnell wie möglich von hier verschwinden, Kleines.", sagte er. Greta fauchte. Sie mochte Karl, kannte ihn, seit sie vor fünf Jahren zur Schwarzen Garde gekommen war, doch dieses Verhalten war einfach lächerlich.
"Ich habe gesagt, mach die Tür auf.", wiederholte sie betont langsam. Karl sah sie kurz an, fast hatte sie den Eindruck, als hätte er Mitleid mit ihr, doch dann schob er den schweren Riegel zurück und Greta scherte sich nicht weiter um ihn. Drinnen wurde sie von leisem Stimmengemurmel empfangen. Die Mitglieder der Schwarzen Garde trugen stets schwarze Tücher über ihren Gesichtern, welche sie ablegten, sobald sie im Hauptquatier waren. Nur dieses Mal trugen alle ihre Masken noch. Greta blieb in der Mitte des Raumes stehen, ihr Blick fiel auf den wirklich unpassend kostbar aussehenden Thron in mitten von kahlen Wänden und einfachen Holztischen.
"Wo ist Mathias?", fragte sie, als sie erkannte, dass nicht ihr alter Mentor auf dem Stuhl saß.
Der Junge hatte schwarze Haare und kohlefarbene Augen. Eine markante Narbe zog sich über sein ganzes Gesicht, angefangen von der linken Augenbraue, bis zum Kinn; Jasper.
Jasper stützte die Hand auf der mit rotem Brokat ausgekleideten Lehne ab.
"Mathias ist tot!", rief er und Greta wurde Übel, als sie erkannte, dass anscheinend keiner der Rebellen etwas dagegen einzuwenden hatte. Unauffällig berührte sie mit ihren Fingerspitzen die verborgenen Solche unter ihrem Rock. Das vertraute Gefühl beruhigte sie für einen Augenblick.
"Du hast ihn umgebracht.", stellte sie nüchtern fest, obwohl sie sich gerade am liebsten auf ihn gestürzt hätte. Jasper lächelte kalt.
"Nein", sagte er, "Du hast ihn umgebracht, Greta. Wir fanden seine Leiche, mit deinem Messer." Greta kämpfte gegen das Bedürfniss, die Augen zu verdrehen.
Also bitte, das eigene Messer am Tatort liegen zu lassen war ein Fehler, der vielleicht Jasper, aber nicht ihr unterlaufen währe.
"Das ist eine Lüge und das weißt du auch.", knurrte sie. Jasper trommelte mit den Fingern auf seiner Stuhllehne. Auf Mathias Stuhllehne.
"Du weißt, wie man so etwas nennt", murmelte er selbstgefällig, "Meuterei!" Langsam stand er vom Thron auf und breitete die Arme aus.
"Und was ist die Strafe für den Tod eines Gardemitglieds?", fragte er in die Reihen.
"Auge um Auge, Zahn um Zahn!", antworteten die Gardisten im Chor. Greta knirschte mit den Zähnen. Die Chancen, für sie aus dieser Lage heraus zu kommen, waren schwindelt gering, doch nicht unmöglich, zumindest nicht für sie.
Greta verschränkte die Arme vor der Brust und sah Jasper herausfordernd an.
"Du willst mich töten, dann nur zu. Komm, wenn du dich traust!" Jasper lächelte sie böse an.
"Greta Liebes, Mathias Mord ist nicht der Mord eines beliebigen Gardisten.", sagte er und legte die Fingerspitzen aneinander.
"Du hast unseren König getötet und dafür ist der Tod viel zu gnädig. Ich finde, wir sollten damit beginnen, deine Bälger eines nach dem anderen aufzuschlitzen. Dann könnten wir dein Haus anzünden. Und dann...", er tippte sich gönnerhaft ans Kinn und zuckte die Achseln, "Wer weiß!"
Greta fauchte wütend. Sie kam damit klar, aus der Garde auszuscheiden, sie würde jeden Schmerz, den Jasper für sie vorgesehen hatte ertragen können, wenn es keinen Ausweg gab. Nur die Kinder, die dürften dabei auf keinen Fall verletzt werden.
Greta war nach der Ermordung ihrer Eltern vor fünf Jahren aus dem Untergrund geflohen. Alles was ihre Eltern ihr damals hinterlassen hatten, waren die Kleider, die sie trug und ein gerade mal zwei Wochen altes Baby, obwohl Greta sich schon kaum um sich selbst kümmern konnte. Damals hatte sie ihre Eltern in der harten Erde vergraben, Kitty, ihre Schwester genommen, war losgelaufen und seitdem nicht mehr stehen geblieben.
Dann, bei der großen Opferung von Menschen vor fünf Jahren, einem Genozit von historischem Ausmaß, hatte sie die anderen vier gefunden. Zurückgelassen auf den kalten unbarmherzigen Straßen Kummers hatte Greta zwei Mädchen und zwei Jungen gefunden, das älteste Kind war damals vier Jahre alt. Greta hatte sie aufgenommen, hatte sich der Schwarzen Garde angeschlossen und von dem Geld, was sie für die Morde bekam, ein Haus gekauft. Sie hatte alles getan, damit weder Jasper, noch sonst irgendwer von den Kindern erfuhr, schließlich spielte Greta mit dem Feuer. Und jetzt, jetzt war genau das eingetroffen, was sie hatte vermeiden wollen.
"Ich weiß nicht, wovon du redest, Jasper. Aber bitte, wenn du König spielen willst, dann sei einer.", sagte sie gelassen. Jasper lächelte sie a .
"Weißt du, Greta, ich mag dich.", sagte er, "Lasst uns gemeinsam zu ihrem Haus gehen und gucken, welche Schätze wir finden!" Sein Befehl hallte von den steinernen Wänden wieder. Zwei Soldaten stürmten auf Greta zu, sie ging in die Hocke, sprang hoch und die Krallen ihrer 3DMA bohrten sich in die Steinwände. Greta wurde von den Seilen hochgeschossen, vollführte einen Überschlag in der Luft und prallte mit ihren Füßen voran gegen die Tür.
Die Tür würde aus den Angeln gerissen, Holz- und Steinstückchen wirbelten auf, als sie in den Gang sprintete, die Treppe hochheschtete und mit ihrem Schwert den roten Samt zerschnitt. Von Karl war keine Spur zu sehen.
Ihre Füße flogen über den dekadenten roten Teppischboden, genauso, wie sich plötzlich alle Gesichter zu ihr umdrehten, wie als sei Greta magnetisch. Hinter ihr folgte eine Soge von Gardisten und sie war froh, hinter sich keine Schüsse zu hören. Mit einem Messer in beiden Händen rannte sie auf eines der Fenster zu, welches in tausend Scherben zerbarst, als sie sich mit voller Wucht dagegen warf.
Die Gurte rissen sie nach oben und Greta landete auf dem Dach des Hauptquatiers.
Sie duckte sich hinter einen Schornstein. Es war gut möglich, dass Jasper gar nicht wusste, wo sie wohnte und nur geblöft hatte. Wenn das der Fall war, würde sie die Gardisten auf gar keinen Fall zu ihrem Haus und den Kindern führen.
Wie tausend kleine Spinnen schwärmten die Mitglieder der Schwarzen Garde aus dem Hauptquatier über die schmalen Straßen. Jasper rannte voran, die anderen folgten ihm mehr oder weniger. Dennoch war keine Ordnung in dem Gewusel unter ihr, es war gut möglich, dass sich einzelne Mitglieder aus versehen tottraten, würde Jasper nicht bald Struktur und eine feste Ordnung in das Geschehen bringen. Doch es sah nicht so aus, als schien ihn dies groß zu kümmern, er rannte nur zu Gretas Missgefallen die Straße entlang, die genau in die Richtung ihres Zuhauses führte. Mathias wäre so ein Fehler garantiert nie unterlaufen. Greta sprang auf und lief flink an der Dachkante entlang, dann stieß sie sich ab und landete auf dem nächsten Haus.
Einen Vorteil hatte das Chaos in den Straßen jedoch; alle waren zu sehr auf die Hektik unten konzentriert um die kleine blonde Frau zu bemerken, die über die Dächer sprang.
Eine Weile lang folgte Greta der Menge, bis sie schließlich die grauen Mauern ihres Hauses erblickte. Es gab keinen Zweifel mehr, Jasper wusste genau, wohin er gehen musste. Sie flüchte und drückte sich in den Schatten eines Schornsteins. Die Dämmerung brach bereits über die Dächer herein, auch wenn die graue Wolkendecke über ihr kaum Sonnenlicht durch ließen. Greta stand auf und wollte gerade weiter springen, als eine Erschütterung durch den Boden ging. Sie sah auf, ein Schrei löste sich aus ihrer Kehle, als sie erkannte, was der Grund des Bebens war.
Mehrere deformierte riesige Monster stürmten durch die Straßen von Kummer. Die Titanen.
Greta sah sich um, sie entdeckte weder ein Loch in der Mauer, noch einen anderen Grund, wieso plötzlich Titanen in Kummer waren. Doch das war in diesem Moment auch egal. Ihr Blick glitt wieder zu ihrem Haus. Egal wer oder wie, sie würde jeden vernichten, der es wagte, den Kindern zu nahe zu kommen. Greta schwang sich in die Luft und schoss so schnell es ging auf das Haus zu.
So schnell, dass sie noch nicht einmal Jaspers hasserfüllten Blick sah, als er seinen Rebellen befehlen musste, umzukehren.So, erstes Kapitel geschafft, ab dem nächsten taucht Levi dann auf. Ich hoffe, es hat euch gefallen ;)
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Love and Instinct
FanfictionGreta Ducane ist attraktiv, kampferprobt und eine gesuchte Auftragskillerin. Im Schatten von Kummer(einer Stadt innerhalb von Mauer Rose), hält sie sich im Dienste einer Rebellengruppe über Wasser, bis sie eines Tages verraten wird und alles was sie...