Tauben

426 24 0
                                    

PoV Levi:

Levi lehnte mit dem Rücken an einem Baumstamm und beobachtete das Mädchen, wie es am Herd stand. Die andere Frau, Carla, saß auf einer Bank und weinte still in ihre Hände. Erwin betrachtete die Szenerie mit hinter dem Rücken verschränkten Armen.
Levi war sich nicht sicher, wie er die Situation einschätzen sollte. Das blonde Mädchen war schnell gewesen, fast genauso schnell, wie er mit seinen 3DMA. Und sie war stark, sie hatte es geschafft, ihn von sich wegzustoßen. Wer war dieses Mädchen? Und was genau machten sie hier mitten im Wald?
Die Blondine kam aus dem Haus heraus, in ihren Armen ein Stapel Teller, mit Besteck. Sie hatte eine Schürze um ihr ohnehin kaputtes Kleid gebunden. Als sie die Teller auf einem Tisch abstellte, ging sie vor der weinenden Frau in die Knie und reichte ihr ein Taschentuch. Sie wechselte ein paar Worte mit ihr, dann verschwand sie wieder im Haus. Levi schnalzte mit der Zunge.  Erwins Mundwinkel zuckten.
"Interessant", sagte er und blickte auf den Stapel mit Tellern. Carla wischte sich mit dem Taschentuch über die Augen, dann verteilte sie die Teller und holte mehrere Schemel aus dem Haus. Diese Greta kam aus dem Haus, sie trug eine neue weiße Bluse, einen grünen Rock mit schwarzer Strumpfhose und Lederschuhen. Sie stellte einen Teller mit Pfannkuchen auf den Tisch, dann setzte sie sich neben Carla und winkte Erwin und Levi zu.
"Kommt, sonst werden die Pfannkuchen kalt.", sagte sie, dann sah sie in die Baumkronen, "Und die in den Bäumen sollen auch kommen, sie haben sicher auch Hunger." Levi und Erwin wechselten einen Blick, dann folgte Levi seinem Kommandanten. Er zog einen Schemel zurück und setzte sich an den Tisch. Seine Truppe landete ebenfalls auf dem Boden und setzten sich an den Tisch. Carla sah eine Weile lang auf ihren Teller, bevor Greta ihr einen Pfannkuchen darauf legte und sie auffordernd anstupste. Levi starrte auf das Gebäck auf seinem Teller.
Was genau sollte das werden?! Misstrauig legte er seine Gabel ordentlich wieder neben seinen Teller.
"Also", ergriff das blonde Mädchen das Wort, "So wie ich das richtig verstehe, wollt ihr mir weiter folgen." Sie hob eine Augenbraue und sah Erwin fragend an.
"Natürlich, Fräulein Greta.", erwiderte dieser. Levi schnalzte mit der Zunge. Die junge Frau warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor sie sich wieder an Erwin wandte.
"Und ihr habt nicht vor, mich in Ruhe zu lassen?", harkte sie nach.
"Wir suchen nach neuen Talenten für den Aufklärungstrupp", erklärte Erwin. Greta unterbrach ihn mit einer kurzen Handbewegung. Levi knirschte mit den Zähnen. Wie konnte sie es wagen?
"Ich bin vieles in meinem Leben gewesen, aber ganz sicher keine Soldatin!", sagte sie. Erwin lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
"Das hätte mich auch gewundert.", sagte er. Carla sah von ihrem Teller zu Greta.
"Was hast du vor?", flüsterte sie ängstlich. Gretas Mundwinkel zucken.
"Ich werde Jasper zeigen, was passiert, wenn jemand Hand an die Kinder legt!", knurrte sie. Carlas Augen weiteten sich.
"Tu das nicht, bitte!", ein flehentlicher Ausdruck schlich sich auf ihr Gesicht und ihre Hand rutschte auf ihren Bauch, "Du weißt nicht, was sie mit Frauen wie dir anstellen!" Carla legte ihre Hand auf Gretas Schulter.
"Damit rechne ich.", antwortete sie. Carla sah sie ängstlich an.
"Hör zu", sagte Greta, "Ich könnte nicht mehr in den Spiegel sehen, würde ich die Kinder nicht befreien. Keine Sorge, was sie dir angetan haben, dazu werden sie keine Chance haben." Carla drehte sich weg.
"Du willst ins Hauptquatier eindringen.", stellte sie fest. Greta verzog keine Miene.
"Ich will nicht ins Hauptquatier eindingen", sagte sie, "Ich will es zerstören!" Tränen rannen über Carlas Gesicht.
"Und wenn das passiert, will ich, dass du so weit von den Gardisten entfernt bist, wie nur möglich. Bring dich und dein Kind in Sicherheit.", fügte Greta hinzu, "Nimm eine Kutsche nach Utopia, im Haus ist Geld und mehrere Kleider, die nimmst du mit!" Carla wandte ihr den Kopf zu.
"Das kann ich nicht annehmen!", sagte sie. Greta sah sie mit steinerner Miene an.
"Natürlich kannst du das! Sei nicht dumm und nimm das Geld. Ich kann es sowieso nicht mehr brauchen!" Carla vergrub das Gesicht in den Händen und schluchzte.
"Nachdem sie mich...", schluchzte sie, "Nachdem er mich... Ich wusste nicht wohin, ich dachte, ich hätte alles verloren, doch du hast mich gefunden. Wie kann ich das je wieder gutmachen?" Levi lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
"Indem du für dich und dein Kind da bist!", antwortete Greta und umarmte Carla. Eine Weile lang langen sich die beiden Frauen in den Armen, bevor sie sich losließen.
Levi beobachtete, wie sie sich zurück an den  Stuhl lehnte, den Kopf in den Nacken gelegt.
"Oh man", stöhnte sie, "Eigentlich wollte ich nur genügend Geld zusammen kriegen, um mit den Kindern unterzutauchen und dann als reiche, alte, fette, aber immer noch attraktive Frau zu sterben! Und jetzt?!" Gretas Blick flog bedeutungsschwer über die Mitglieder von Levi's Einheit. Carlas Mundwinkel zuckten und sie deutete auf Greta leeren Teller.
"Das mit dem fett werden könnte noch klappen.", antwortete sie. Greta lachte.
"Na wenigstens etwas, worauf ich mich freuen kann!" Beide prusteten los. Levi schnalzte mit der Zunge.
Frauen!
Das Geplänkel wurde von Jean unterbrochen, der versuchte Sasha davon abzuhalten, einen seiner Pfannkuchen zu klauen. Greta hob eine Augenbraue und Levi versuchte, nicht allzu genervt auszusehen. Wieso blamierte sich der Aufklärungstrupp seit Tagen.
"Hey ihr Rotznasen!", knurrte er, "Hört auf euch wie Tiere um euer Essen zu streiten!" Greta warf ihm einen kurzen Blick zu.
"Im Haus ist eine Vorratskammer", sagte sie dann an Sasha gewandt, "Da wir nicht Vorhaben, zu diesem Haus zurückzukommen, währe es schade, dass Essen umkommen zu lassen. Bedien dich ruhig." Noch Ehe sie fertig gesprochen hatte, war Sasha schon aufgesprungen und ins Haus gerannt, Jean folgte ihr, wobei er ihren Fußknöchel packte und hinter ihr ins Haus geschleift wurde. Levi schnalzte mit der Zunge.
Ein Scheppern kam aus dem Haus.
"Wenn du noch Proviant für die Reise brauchst, solltest du dich beeilen, Carla", sagte Greta amüsiert und zwirbelte eine ihrer blonden Locken zwischen ihren Fingern. Noch ein Scheppern kam aus dem Haus.
"Ich glaube ich bin fürs erste satt.", bemerkte Carla und beide kicherten kurz. Levi knirschte mit den Zähnen. Eren wollte schon aufstehen und beiden folgen, doch Levi funkelte ihn kurz an und er setzte sich wieder an seinen Platz und sah enttäuscht auf seinen leeren Teller. Greta stand auf und schob ihren Stuhl wieder an den Tisch.
"Es wird Zeit", sagte sie und sah auf die noch halb vollen Teller von Mikasa, Erwin, Armin und Levi.
"Ich packe nur meine Sachen, esst ruhig in Ruhe auf!", sagte sie und verschwand im Haus. Levi sah wieder auf seinen Teller, als die Tür aufschwang und Jean und Sasha heraustaumelten, auf den Boden fielen und sich um einen Leib Brot prügelten. Greta tauchte im Türrahmen auf, in den Händen jeweils einen Korb. Den ersten reichte sie Carla. Ihr Blick fiel erst auf Sasha und Jean, dann auf den Taubenturm. Sie stellte ihren Korb auf dem Tisch ab und lief über Jean uns Sasha hinweg auf den Turm zu und sprang die Stufen hinauf. Oben angekommen öffnete sie eine kleine Tür.
In diesem Moment fiel ein Sonnenstrahl durch das dichte Blattwerk auf sie und verwandelte ihr Haar in flüssiges Gold und ihre Haut in Mamor. Der Wind fuhr durch ihre Locken und blähte die Falten ihres Rockes auf, sodass der grüne Saum um ihre Fußknöchel schwebte. Tauben drängten aus der kleinen Tür ins Freie und flogen an ihr vorbei in den Himmel. Weiße Federn schwebten vom Himmel auf sie herab. Levi registrierte, dass sich alle Gesichter seiner Einheit, genauso wie Erwins und das von Carla ihr zugewandt hatten.
Armin, Jean und Conny starrten sie mit offenen Mündern an, über Erwins Gesicht huschte kurz der Anflug von Röte. Levi verzog keine Miene, auch wenn er innerlich vor Wut kochte. Sie hatte das wahrscheinlich absichtlich gemacht. Denn es war ihm ein Mysterium, wie man plötzlich so, so überirdisch wirken konnte. Unbeeindruckt sprang Greta die Stufen wieder herunter und zupfte eine weiße Feder aus ihrem Haar. Sie nahm den Korb, der auf dem Tisch stand. Carla folgte ihr. Als sie am Rand der Lichtung ankamen drehte sie sich noch einmal um.
Greta nahm die Falten ihres Rockes.
"Bitte entschuldigen Sie meine Abwesenheit!", sagte sie, "Ich hoffe auf ihr Verständnis, wenn ich mich jetzt entfernen werde!" Greta sank in einen tiefen majestätischen Knicks. Ihre Mundwinkel waren zu einem spöttischen Grinsen verzogen. Levi schnalzte mit der Zunge. Dann stand sie mit tänzerischer Eleganz wieder auf und verschwand mit Carla zwischen den Büschen.
Jean rutschte der Brotleib aus der Hand.
"Atemberaubend", flüsterte er ehrfürchtig. Sasha nutzte die Gelegenheit, ihm den Brotleib zu entreißen und sich damit in Sicherheit zu flüchten. Jean fluchte.
Erwin und Levi wechselten einen kurzen Blick.
"Alles klar, ihr Rotznasen!", blaffte Levi, "Aufstehen und ihr folgen!"

Love and InstinctWo Geschichten leben. Entdecke jetzt