Mutter

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PoV Greta:

Sonnenlicht tanzte auf Gretas Gesicht und sie zog die Decke über den Kopf, um weiterzuschlafen.
Der Geruch von Seife und einer leichen Note von Rasierwasser hüllte sie ein. Das war der Moment, in dem sie hochschreckte.
Greta sah sich im Raum um und ihr fiel die letzte Nacht wieder ein. Sie kämpfte gegen ihre errötenden Wangen. Sie war schon wieder eingeschlafen und er hatte sie ins Bett getragen. Nur diesmal nicht in ihres. Levi war nicht anwesend, also schnappte Greta sich ihr Geschirr, das er fein säuberlich über eine Lehne gelegt hatte und schnallte es um. Greta stand auf und machte schnell sein Bett, bevor sie in ihre Stiefel schlüpfte.
Ihre Messer? Wo waren ihre Messer? Sie entdeckte sie auf dem Schreibtisch. Greta wollte gerade danach greifen, als die Tür zum Bad aufging und Levi fertig angezogen und mit nassen Strähnen aus dem Bad kam.
"Ich...ähhh", entfuhr es ihr und sie gab sich innerlich eine Backpfeife.
"Du schnarchst", war Levis Antwort. Greta straffte die Schultern und packte ihre Messer.
"Lüge", entgegnete sie, "Matthias hat uns im Schlafen so oft getriezt, bis wir leiser als die Nacht selbst waren."
"Hmmm", kam es von ihm.
"Hast du geschlafen?", fragte sie und steckte ihre Messer in ihre Stiefel.
"Während du in meinem Bett gelegen hast?", knurrte er. Greta hob den Kopf und sah ihn direkt an. Er schnalzte mit der Zunge.
"Nein!", knurrte er. Greta seufzte.
"Dann ist meine Mission noch nicht erfüllt" Levi schnalzte mit der Zunge.
"Geh zum Training, es ist fast Mittag, du hast die Hälfte des Tages verschlafen!", sagte er.
"Du hättest mich auch wecken können", entgegnete sie schnippisch.
"Das war ein Befehl", blaffte er, "Geh jetzt zum Training!"
Sie verengte die Augen und funkelte ihn an, dann drehte sie sich auf dem Absatz um, um aus seinem Raum zu stolzieren.

PoV Levi:

Levi ließ sich in seinen Sessel fallen und fuhr sich durch die noch nassen Haare.
Herrgott, diese Frau würde ihn noch wahnsinnig machen.
Auch wenn er fast fertig war, verbrachte Levi den restlichen Tag in seinem Arbeitszimmer, bis am Abend die Tür aufging.
Er musste nicht aufsehen, um zu wissen, dass sie es war.
"Greta, geh einfach schlafen", knurrte er und unterschrieb eine Sterbeurkunde.
Sie ließ sich wieder in den Sessel fallen, einen Korb mit zerrissenen Kleidern in den Händen, dann fing sie an zu nähen.
"Das war ein Befehl deines Captains!", blaffte Levi. Sie seufzte.
"Und als einfacher Mensch habe ich entschieden, dass zu ignorieren", erwiderte sie unbeeindruckt. Levi knirschte mit den Zähnen.
Doch Greta war in seiner Nähe und beschäftigt, was ja im Grunde dem entsprach, was er wollte deshalb beschloss er es mit sich beruhen zu lassen. Irgendwann war Greta fertig und zog ihr Schwert aus der Scheide, um es zu polieren. Levi sah auf die letzten zwei Dokumente vor sich, schnalzte mit der Zunge und lehnte sich zurück, um sie zu beobachten.
"Was ist an dem Schwert so besonders?", fragte er kühl. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu.
"Es gehörte meinem Vater und vorher seinem Vater", antwortete sie.
"Dein Vater war Soldat?", fragte Levi und hob eine Augenbraue.
Sie schüttelte den Kopf und fuhr mit der Fingerspitze sanft über die funkelnde Schneide.
"Er war einfacher Bauarbeiter. Mutter hatte damals einen Auftritt mit ihrer Tanzgruppe in der Untergeundstadt. Da hat sie ihn getroffen. Sie hat für ihn die Oberfläche aufgegeben. Und dann kam eben ich" Levi schwieg. Ihre Geschichte war seiner so ähnlich und doch grundlegend verschieden. Gretas Leben war von Liebe geprägt worden, seine nur von Trauer und Gewalt. Zwei Seiten einer Medaille. Und doch...es war die gleiche Medaille.
"Was ist mit dir?", fragte Greta und legte das poliertuch weg.
"Wer waren deine Eltern?" Levis Herz setzte kurz aus, ein Schmerz, von dem er nicht gewusst hatte, das er existierte, drohte ihn zu zerreißen. Er konnte es ihr nicht sagen. Er...
"Ich habe meinen Vater nicht gekannt", sagte Levi und zwang seine Stimme dabei zur völligen Gleichgültigkeit.
"Und deine Mutter?", hatkte Greta nach. Herrgott, warum konnte sie es nicht einfach darauf beruhen lassen?
"Sie war auch im Untergrund", antwortete er ausweichend. Greta hob den Kopf.
"Also bist du auch dort aufgewachsen?", fragte sie. Levi schnalzte mit der Zunge und nickte abwesend.
"Denkst du", Greta spielte gedankenverloren mit einer ihrer blonden Locken, "Denkst du, wir hätten uns gekannt?" Levi schwieg.
"Woher soll ich das wissen", antwortete er schroff, "Die Welt ist klein. Vielleicht, vielleicht auch nicht, was macht das für einen Unterschied?" Greta verzog den Mund, verloren in einer Erinnerung.
"Ich weiß nicht.", sagte sie, "Manchmal frage ich mich, was alles passiert wäre, wenn sie nie gestorben wären" Levi schnalzte mit der Zunge.
"Wir hätten uns sicher nicht gekannt", entschied er. Greta sah auf.
"Was macht dich da so sicher?", fragte sie. Er schnalzte mit der Zunge.
"Ich bin älter als du", sagte er. Sie legte den Kopf schief.
"Wie alt bist du denn?"
"30", antwortete er knapp.
"Dann bist du nur vier Jahre älter als ich", sagte sie.
"Wir hätten uns nicht gekannt, weil du behütet bei deinen Eltern aufgewachsen bist, während ich auf der Straße war", entfuhr es ihm. Greta sah ihn durch ihre dichten Wimpern an.
"Das tut mit leid", sagte sie, "Dann ist deine Mutter früh gestorben?" Levi konnte nicht antworten. Erinnerungen kamen zurück von einem kleinen abgemagerten Jungen in die Bluse seiner Mutter gehüllt. Er hatte nichts tun können, als sie elendig verreckt war. Er war zu schwach gewesen und hatte sein ganzes restliches Leben darauf ausgerichtet, nie wieder so schwach zu sein.
"Ich war", murmelte er langsam und abgehackt, "noch sehr klein" Greta sah ihn direkt an und öffnete bestürzt den Mund.
"Levi", sagte sie.
"Nein!", knurrte er. Dann stand er auf und eilte aus dem Raum. Dem Raum, der eigentlich ihm gehörte. Er konnte sie nicht mehr ertragen, mit ihren großen mitfühlenden Augen und ihrer Fragerei. Levi eilte zu dem einzigen Ort, wo er wusste, dass er Ruhe finden würde; der Bibliothek. Sank an einem Bücherregal auf den Boden und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
Diese Greta... sie hatte alte Wunden in ihm aufgerissen. Verletzungen, die er lange ignoriert hatte und jetzt, jetzt drohte er, zu verbluten.
Und sie...welches Recht nahm sie sich heraus, Antworten von ihm zu verlangen? Er war schließlich ihr Captain und sie... sie war einfach nur unverschämt und laut und peinlich. Levi starrte auf den Boden. Und starrte und starrte und lauschte und lauschte seinen Gedanken, die so laut waren. Und doch so still.

PoV Greta:

Greta blieb allein auf dem Stuhl sitzen und versuchte zu begreifen, was geschehen war, was sie falsch gemacht hatte. Sie musste ihn suchen gehen, nicht nur, weil sie sich Sorgen machte, sondern weil es ihr leidtat. Doch sie würde ihm noch Zeit geben.
Nach einer halben Stunde verließ Greta langsam dass Büro und eilte durch die dunklen Gänge, um ihn zu finden.
Auf dem Dach war er nicht, nicht in der Küche, nicht im Trainignsraum. Noch nicht mal bei den Ställen. Niedergeschlagen lief sie zurück ins Schloss, wobei sie die angelehnte Tür zu Bibliothek bemerkte. Sachte drückte sie die Tür auf und spähte in den dunklen Raum. Greta musste die Kerzen nicht entzünden, um zu wissen, wo er war. Sie schloss leise die Tür und trat an das Regal, an dem er lehnte. Dann setzte sie sich auf die andere Seite des Regals, sodass ihre Rücken nur von den Büchern getrennt waren und schwieg. Die einzigen Geräusche waren ihre gleichmäßigen Atemzüge.
"Levi?", fragte sie irgendwann leise. Er antwortete nicht.
"Erzähl mir von deiner Mutter", bat sie. Er antwortete so lange nicht,, dass sie schon fürchtete, er würde gar nicht mehr mit ihr reden.
"Mein Vater", sagte er schließlich, "War einer ihrer Freier" Greta schwieg und wartete. Ließ ihm Zeit, seine Erinnerungen in Worte zu fassen. Sie wusste, wie schwer das war.
"Sie war...", murmelte er langsam und stockend, "gut. Zu mir und jedem sonst" Sie hielt den Atem an.
"Sie war gut", wiederholte er mit fester Stimme, "Obwohl die verdammte Welt sie nur in den Dreck geschmissen hat" Einem Impuls folgend, schob Greta ihre Hand unter dem Regal durch und berührte mit der Fingerspitze des Mittelfingers seine Hand. Er zog sie nicht weg und sie deutete das als gutes Zeichen.
"Meine Mutter starb, weil es in diesem Drecksloch keine Sonne gab und weil sie sich aufgeben musste, um mich zu beschützen. Ich saß Tagelang an ihrem Bett, eingehüllt in ihr Hemd, bis mich ein Mann aufgenommen hat. Ich dachte, er sei mein Vater. Dabei war es nur mein Onkel" Levi schwieg wieder eine Weile lang.
"Mutter war sanft und gutmütig. Sie hätte sich für ihren Sohn geschämt. Für dass...für all das was ich getan habe. Sie hatte schwarzes Haar, wie ich", fügte er leise hinzu, "Nur ihre Augen... die Augen habe ich von meinem Vater. Von irgendeinem Mistkerl" Greta drehte lehnte sich mit dem Hinterkopf an das Regal.
"Ich sehe dich an", sagte sie leise, "Und ich sehe all das, was du gesagt hast. Ich sehe, dass du sanft sein kannst und gutmütig." Er schnalzte mit der Zunge.
"Deine Augen sind gut", fuhr Greta fort, "Und dass ist es doch, was zählt. Nicht die Farbe" Levi schwieg eine Weile. Dann rutschte seine Hand ein Stück weiter zu ihr. Nicht viel. Nur soweit, dass sich ihre Fingerkuppen berührten.
Und dann erzählte er.

PoV Levi:

Levi redete die ganze Nacht lang. Unterbrochen von Pausen, die er brauchte, damit er die Worte finden konnte. Er konnte nicht annähernd ausdrücken, welcher Schmerz ihn zu dem Mann geformt hatte, der er heute war. Doch auch, wenn sie schwieg und nur zuhörte hatte er das Gefühl, dass sie ihn verstand. Dass sie verstand, was die Leere des Verlustes bedeutete. Als er die ersten Worte gesprochen hatte, da hatte er schon geahnt, dass er die restlichen auch sprechen würde. Der Damm war einmal gebrochen und er konnte die Flut nicht zurückhalten.
Doch sie verurteilte ihn nicht. Für keine seiner Handlungen, für keine Schwäche.
Und irgendwie, fühlte er sich verletzlich, wo sie seine Geschichte kannte und doch war er seltsam erleichtert. Eine Last, die er jahrelang auf seinen Schultern getragen hatte, erst während des Erzählens fiel ihm auf, dass sie da war und es wurde weniger. Wenn auch nur ein bisschen.
Eine Wunde begann, sich zu verschließen. Und ohne es zu merken, hatte Levi in dieser Nacht einen neuen Weg eingeschlagen. Doch ob er damit glücklich wurde, sollte sich noch zeigen.

So, dieses Kapitel war wieder ein ewiges Hin und her, aber ich hoffe, es hat euch gefallen, mir hat es beim Schreiben auf jeden Fall viel Freude bereitet.

Love and InstinctWo Geschichten leben. Entdecke jetzt