Vergangenes

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PoV Levi:

Levi reagierte blitzschnell, er packte Gretas Handgelenk, die sich bereits in Bewegung gesetzt hatte und zerrte sie hinter sich her aus der Gasse. Sie stolperte, dann holte sie auf und rannte neben ihm.
Sie rannte neben ihm!
Kugeln prallten in den Pflaste und rissen dicke Brocken aus dem Stein. Greta fluchte neben ihm. Sie wechselten einen einzigen kurzen Blick, indem sie beide in die gegenüberliegende Richtung deuteten, dann teilten sie sich auf. Levi rannte in Richtung ihres Pferdes. Schlug Harken und ließ sich von den Gurten in den Himmel ziehen. Er hatte kaum noch Gas, aber dafür würde es reichen müssen. Er wirbelte herum, riss eine Klinge aus ihrer Halterung und schmiss sie in die ungefähre Richtung . eine blonde Frau mit kurzem Zopf wisch seiner Klinge aus. Sie trug kein Abzeichen, und doch, ihre Ausrüstung sah aus, wie vom Militär.
Er raste nach unten zu Gretas Pferd, rupfte die Zügel los und trieb das Tier an.
Levi wusste nicht, wo Greta war und es machte ihn innerlich wahnsinnig. Doch er zwang sich, ruhig zu atmen. Da sah er sie. Sie rannte, einen Häuserblock zwischen ihnen, auf das Tor zu. Der Häuserblock mündete auf eine breite Gasse und er steuerte das Pferd seitlich. Menschen schrien und beeilten sich, ihm aus dem Weg zu gehen. Levi erwischte sie, packte sie am Gürtel und zog sie aufs Pferd. Ihr Atem ging heftig.
"Halt dich fest!", knurrte er. Greta hievte ihr Bein über den Hals und packte die Mähne.
"Nimm die Zügel.", knurrte er. Sie schlang die Finger in die Zügel. Eine Kugel prallte direkt neben ihnen auf der Straße auf und sprengte ein Loch in den Boden. Levi schnalzte mit der Zunge.
"Reit zum Tor.", befahl er ihr.
"Warte..."
Mehr hörte er nicht mehr, die Seile seiner 3DMA rissen ihn in die Höhe. Er schoss nach hinten und zückte seine Klingen. Die Frau wisch ihm spielend leicht aus. Fast als wären ihre Bewegungen aus purem Wind. Levi wirbelte herum und holte aus, da stockten seine Bewegungen. Sein Gas war alle. Die Frau schoss auf ihn zu.
Verdammt, verdammt, verdammt!
Da wirbelte ein Messer durch die Luft und durchtrennte den Draht der Frau. Sie kreischte und wurde von den Seilen zur Seite geschleudert.
Levi drehte den Kopf zu Greta und wusste, dass sie ein neues Zwiebelmesser brauchten. Dann landete er hinter ihr. Ein kurzer Schmerz brandete in seiner Leistengegend auf. Er schob den Schmerz zurück.
"Halt dich fest", sagte sie, er nahm die Zügel. Greta lehnte sich nach vorne.
Herrgott! Wieso war sie nur so verdammt weiblich?! Levi schob auch diese Gedanken zur Seite und packte den Sattel. Sie jagten durch das Tor und Greta drosselte das Thempo erst, als sie schon längst im Wald waren. Schwer atmend saß sie vor ihm. Ihre Schultern streiften seine Brust bei jeder Wölbung ihres Brustkorbs.
"Das kam", sagte sie schließlich, "Unerwartet"
Levi antwortete nicht. Jetzt, wo sie entkommen waren und für den Moment sicher, da fielen ihm Nikolais Worte wieder ein.
Hure. Hure. Hure.
Matthias Hure.
Wer zur Hölle war Matthias?!
"Glaubst du diese Frau war", riss sie ihn aus seinen Gedanken, "Der Ripper?"
"Nein", erwiderte er bloß. Nein, diese Frau war ganz sicher nicht der Ripper.
Greta lenkte auf die Lichtung, wo sein Pferd stand und er wechselte wortlos das Tier.
Unsicher, ob er dankbar dafür war oder nicht.

PoV Greta:

Sie ritten schweigend zurück. Levi starrte zornig in den Wald, als würden die Bäume für alles Übel verantwortlich sein. Es fiel Gteta nach den Ereignissen zunehmend schwer, noch immer sauer auf ihn zu sein, stattdessen stöhrte sie nun die künstliche Stille.
Es war die Art von Stille, die jedes Andere Geräusch nur umso lauter machte. Da ein Knacken im den Ästen. Dort ein Vogel in den Baumwipfeln.
Und schließlich, als die Stille immer drückender wurde, da hielt sie es nicht mehr aus.
"Wirst du sagen, was dich sauer macht, oder soll ich raten?", fragte sie. Er sah sie nicht an.
"Du kannst natürlich auch weiter die Bäume totstarren!", fügte sie schnippisch hinzu.
"Halt dich aufrechter im Sattel", knurrte er nur.
"Entschuldige mal", sagte sie und richtete sich minimal auf, "Habe ich irgendwas falsch gemacht?"
"Bist du ein Hund, der jedes Mal den Kopf getätschelt bekommen muss, wenn er was nicht versaut hat?", blaffte er. Greta funkelte ihn an, dann wandte sie mit glühenden Wangen den Kopf ab. Sie schwiegen, Greta verschränkte die Arme vor der Brust und starrte demonstrativ auf den Boden.
"Was hatten die Worte des Jungen zu bedeuten?", fragte Levi schließlich kühl.
"Was interessiert es dich!", äffte sie seinen harschen Tonfall nach. Sie war nicht in der Stimmung, über ihr Leben zu reden. Vor allem nicht mit ihm. Dieser Idiot!
"Ich habe dir eine Frage gestellt", knurrte er.
"Für dieses Gespräch bin ich erstens nicht betrunken genug und zweitens mag ich dich nicht!"
"Wer ist Matthias?", fragte er harsch.
"Jemand der tot ist!", fauchte sie.
"Du hast ihn vorher deinen Lehrer genannt", sagte Levi. Sie konnte nicht sagen, ob er wütend war, oder nicht.
"Das war er!", zischte sie, "Und er war als Lehrer deutlich besser als du!"
"War er..."
"Bezeichnest du mich gerade als eine Hure?!", fragte sie, außer sich vor Wut. Das war der Moment, in dem sie bildlich vor Augen hatte, wie sich sein Messer in sein Auge bohrte.
"Nein", sagte er schlicht.
"Wenn du es wissen willst, das meiste von dem stimmt, was Nikolai gesagt hat.", fauchte sie, "Lässt dich das jetzt besser schlafen?" Levi schwieg. Greta schnaubte und war froh, den Waldrand zu erreichen. Sie wollte einfach nur noch weg von ihm. Levi sagte nichts, als sie ihr Pferd absattelte und das Reitzeug wütend in die dazugehörige Kiste zu befördern, um schließlich wutentbrannt an ihm vorbei ins Schloss zu stürmen.
Sie brauchte einen Moment alleine, nur für sich. Die Vorstellung, jetzt in den Speisesaal zu gehen, oder im Schlafsaal von Historia und Sasha in Gespräche verwickelt zu werden behagte ihr überhaupt nicht weshalb sie schnurstracks aufs Dach rannte und sich mit dem Rücken an den Schornstein setzte. Die Sonne stand kurz vorm Untergehen, das goldene Licht spielte in ihren Haaren, sie hielt  ihr immer noch pulsierende Gesicht in den Wind und wartete. Worauf konnte sie nicht sagen.
Stundenlang saß Greta so da, allein, bis das goldene Sonnenlicht vom silbernen Sternenlicht abgelöst wurde.

PoV Levi:

Levi war gerade mit einer dampfenden Kanne Tee auf dem Weg zurück in sein Arbeitszimmer, als er einen Schatten auf dem Balkon sah. Er trat vor und sah Greta auf dem Dach sitzen.
Sie saß ganz allein da. Die Knie eng an den Körper gezogen und betrachtete die Sterne. Ohne es zu bemerken hatte Levi sich in Bewegung gesetzt und war neben sie getraten. Sie sah nicht auf.
Der Großteil der Geschichte war wahr.
Nur was stimmte und was nicht? Er setzte sich neben sie. Sie reagierte erst nicht, sondern blickte gedankenverloren in den Himmel.
"Als ich noch da unten war", begann sie leise, "Wollte ich immer die Sterne sehen. Ich hätte nie gedacht dass es so viele sein würden. Bis heute habe ich mich noch nicht daran gewöhnt ." Levi wusste was sie meinte und doch schwieg er. Sterne bedeuteten für ihn mehr als Freigeit. Sie erinnerten ihn daran, was seine Freiheit gekostet hatte.
"Die Nächte dort unten waren immer kalt und feucht und wir hatten nicht viel Geld, also schliefen wir immer zusammen in einem Bett. Meine Mutter, mein Vater und ich. Und Kitty. Eines Nachts kam ich spät nach Hause, alle Lichter waren gelöscht, also bin ich einfach in ihr Bett geklettert. Ich habe erst am nächsten Tag gemerkt, dass sie tot waren. Als ich in ihrem Blut aufgewacht bin. Ich habe Kitty genommen und bin tagelang gerannt.
Irgendwann hat mich schließlich Matthias gefunden. Er erkannte mein Potenzial und bot mir an, mich und meine Schwester an die Oberfläche zu bringen, wenn ich mich der schwarzen Garde anschloss.
Er hat mich, Jesper und Nikolai ausgebildet. Einer von uns dreien sollte irgendwann sein Nachfolger werden. Nikolai war weg und Jesper ist ein Idiot, deshalb hat er mich ausgewählt. Dann kam der Fall von Shinganshima und der Genozid. Ich habe die Kinder aufgenommen, habe ein Haus gekauft, habe meine Schulden bei Matthias abbezahlt.
Bis zu ein paar Wochen. Jesper hat ihn umgebracht und mich für vogelfrei erklärt." Sie gähnte.
"Du wirst dich bei mir entschuldigen müssen", sagte sie. Er schnalzte mit der Zunge. Ohne ein Wort goss er den Tee in die Tasse und schob sie ihr über die Ziegel zu. Ihre Finger berührten sich kurz, als sie die Tasse nahm. Ihre Hände waren eiskalt.
"Es ist spät", sagte er distanziert, "Geh ins Bett" Greta nippte an der Tasse.
"Du schläfst doch auch noch nicht", bemerkte sie.
"Ich schlafe nicht", knurrte er. Sie lehnte ihren Kopf an den Schornstein.
"Jeder muss schlafen", antwortete sie.
"Schlafen ist Zeitverschwendung", sagte er.
"Das ist nicht der Grund", bemerkte sie. Dann stellte sie die Tasse neben ich ab.
"Ich glaube, dass du Angst vorm Schlafen hast", gähnte sie. Levi antwortete nicht.
"Das ist in Ordnung. Ich habe auch Geister, die mich verfolgen." Er konnte sie nicht ansehen und starrte stattdessen zu den Sternen hoch. Kurze Zeit später riskierte er einen Blick und sah, dass sie eingeschlafen war.
Levi schnalzte mit der Zunge. Dann nahm er ihr die Tasse aus der Hand und schob seine Hände unter ihre Kniekehlen und ihren Rücken. Levi hob sie hoch und trug sie vom Dach. Sie war leichter, als er angenommen hatte. Ihr Gesicht döste an seiner Brust. Er trug sie in ihr Zimmer und legte sie in das einzige noch freie Bett, löste die Schnürung ihrer Stiefel und stellte sie neben das Bett.
Levi warf ihr noch einen letzten Blick zu, sie hatte sich eingerollt, sah aus, wie ein riesiges Fragezeichen. Gretas blondes Haar ergoss sich wie flüssiger Honig auf ihr Kissen. Er deckte sie zu.
Sie konnte tatsächlich niedlich sein, wenn sie nur die Klappe hielt.
Dann drehte Levi sich um und ging in sein Arbeitszimmer.
Die noch halb volle Teekanne hatte er ganz vergessen.

Love and InstinctWo Geschichten leben. Entdecke jetzt