11|Wer ist Nate Anderson?

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Nate

Wir sind noch rechtzeitig im Wanda's angekommen, denn sobald wir durch die Tür getreten sind hat sich der rieselnde Regen in einen Sturm verwandelt und man sieht nichts als grau und viel Regen. Ab und zu laufen noch einige Schatten von Personen schnell durch den Regen oder sie stürmen klitschnass in das Diner. Zum Glück ergeht es uns nicht so und ich danke dem Regen, dass er uns hier festsitzen lässt.
„Bitteschön.", lenkt Avery mich auf sie und legt die beiden Teller vor uns ab. Mit vielsagendem Blick betrachtet sie mich und ihre Mundwinkel sind weit hochgezogen. „Danke Avery.", bedankt Tess sich und nimmt ihre Gabel zur Hand. „Guten Appetit.", wünscht sie uns noch zwinkernd und geht ganz langsam wieder zurück. Ich bin mir sicher, dass sie den anderen von diesem Essen hier erzählen wird und ich mich spätestens heute Abend den Fragen stellen muss. Aber was soll's? Dann werde ich mir nun mal von Logan ein Ohr abkauen lassen, wieso ich nichts ernstes eingehen sollte und von Dean genau das Gegenteil.

„Lass es dir schmecken, meine Hübsche.", sage ich und sehe sie an, als sie lächelnd zu mir aufsieht. „Danke." Noch bevor ich überhaupt meinen Chicken Wing nehmen konnte spricht sie sofort:„Erzähl mir deine Geschichte." Verwundert sehe ich sie an und senke den Chicken Wing wieder auf den Teller. „Meine Geschichte?", hake ich nach und sie nickt,„Was soll ich denn erzählen?" Tess stützt den Kopf an der Hand ab und zieht ihr Glas vor ihr Teller. „Na, wer ist Nate Anderson?", beschreibt sie und ich ziehe eine Braue in die Höhe,„Wieso spielst du Eishockey? Warum studierst du hier? Was definiert dich? Warum bist du so nett?" Ich konnte nicht anders als laut lachen. „Du gibst wohl nie auf, was?", frage ich belustigt, denn egal, was ich auch tun werde, Tess wird es wohl nie verstehen, dass ich kein zwielichtiger Typ bin.
„Ich sehe einfach keinen Grund darin gemein zu sein, das ist alles.", antworte ich und sie zieht eine Braue hoch. „Das lasse ich dir nur für dieses Essen durchgehen, aber irgendwann werde ich dein wahres Gesicht schon sehen.", meint sie und ich schüttle grinsend den Kopf. „Du bist unglaublich.", gebe ich von mir und sie senkt den Blick auf ihr Teller,„Aber das wusste ich schon die ganze Zeit über." Ich sehe ihre Mundwinkel sinken und die Ernsthaftigkeit, die in ihre braunen Augen tritt, doch dazu sagt sie nichts.

Ich lasse mir Zeit dabei ihre Fragen zu beantworten und es scheint Tess wohl wahnsinnig zu machen, dass ich nicht antworte, denn sie kaut seit zehn Minuten auf ein und demselben Bissen herum, starrt mich durchgehend an während ich in aller Ruhe mein Essen verschlinge. „Herrgott, Nate sag doch mal was!", platzt sie letztlich und ich gluckse bei dem aufgebrachten Ton.
„Na gut, na gut.", gebe ich nach und sehe sie wieder an,„Was war die erste Frage? Warum ich Eishockey spiele, richtig?" Sie nickt und ich zucke mit den Schultern. „Eigentlich hatte ich Fußball gespielt, aber irgendwann nach dem Training in der Middle School hatte ich diese Kinder aus der High School gesehen, wie sie im Winter draußen auf einem zugefrorenen See trainiert hatten und es sah total spaßig aus. Ich hatte es im Hinterkopf behalten und irgendwann hat ein Kollege meines Dads ihm Karten zu einem Spiel der Chicago Blackhawks geschenkt und ich bin mit ihm und seinem Freund und dessen Sohn zum Spiel gegangen. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie aufregend ich das fand und dann hat mein Dad mir meine ersten Schlittschuhe gekauft und ich habe mich sofort zum Training angemeldet. Das Fußball habe ich somit links liegen gelassen, aber ich liebe das Eis und es macht mir immer noch Spaß." Mir ist gar nicht aufgefallen, dass ich total aufgeregt und viel gesprochen habe bis ich wieder Tess wirklich ansehe und sie mich grinsend mustert, die Hand unters Kinn gestemmt hat. „Man merkt, dass es dir immer noch am Herzen liegt.", kommentiert sie und ich lächle. „Das tut es."

Ihre nächsten Fragen beantworte ich auch brav und bringe sie einige Male auch mit Geschichten meiner Kindheit zum Lachen. Die Zeit vergeht wie im Flug und wir haben zwischen dem Erzählen noch unser Essen verputzt, dass nun jeweils ein Stück Apfelkuchen vor uns beiden liegt. Gerade wirft Tess lachend ihren Kopf zurück, weil ich ihr erzählt habe, wie mein Vater mich vor meiner ersten Freundin bloßgestellt hat indem er in einem Jugendslang sprach, den niemand mehr benutzte. „Das werde ich niemals vergessen. Es war mir viel zu peinlich.", lache ich selbst und trenne mir ein Stück des Kuchens ab,„Aber sie fand es witzig und mochte meinen Dad. Da kann er von Glück reden, dass sie nicht schreiend weggelaufen ist." Sie erholt sich langsam und schluckt ihr Bissen hinunter.
„Hast du noch Kontakt zu deinen Ex-Freundinnen oder hast du dich mit allen auf tragische Weise getrennt?", fragt sie und ich schüttle den Kopf. „Ich habe mich weder tragisch getrennt noch Kontakt zu einer der Beiden. Aber, wenn ich in Wisconsin bin und sie auch, dann treffen wir uns manchmal. Wir sind Freunde geblieben.", erkläre ich und sie verdreht mit hochgezogenen Mundwinkeln die Augen. „Natürlich bist du mit deinen Ex-Freundinnen befreundet.", spottet sie mit heiterer Miene. „Und du? Hattest du vor Brian einen Freund?", frage ich und ihre Mundwinkel sinken als sie den Kopf schüttelt. „Ich hatte auf der High School einen Jungen gemocht und wir sind einige Male ausgegangen, aber das wurde nichts festes.", erzählt sie und holt sofort Luft zum weiterreden bevor ich nachhaken kann,„Dein Dad hört sich nach einem tollen Kerl an. Ich wette er ist einer der coolen Dads, die sich alle wünschen." Ich erlaube ihr den schnellen Themenwechsel und nicke, nehme den Bissen in den Mund und beginne zu kauen.
„Ich liebe den Mann und wünsche mir auch niemand anderen als Dad. Er hat alles getan um mich gut erziehen zu können und macht es genauso bei meinem Bruder, Wren. Es war selten, dass wir uns stritten oder ich mir eine Mom wünschte, weil er mich nie diese Lücke spüren lassen hat.", spreche ich und Tess sorgloser Gesichtsausdruck schindet. Dafür sehen ihre Augen mich mit einem sanften Blick an und ihre Mundwinkel ziehen sich nach unten.

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