42|ein nicht ganz so typischer Nate

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Nate

„Gibt euer bestes Jungs!", schreit Dean und alle grölen wie Höhlenmenschen auf und hämmern mit ihren Sticks auf den Boden der Umkleidekabine. Es ist unser erstes Spiel in diesem Jahr gegen die Minnesota Duluth's und sie sind verdammt gut dieses Jahr. Zudem haben sie uns letztes Jahr den Sieg gestohlen und ich empfinde ein klein wenig Abneigung gegenüber diesem Team.
Dean heizt die Jungs weiter an und wie es aussieht sagt er gute Dinge, denn alle machen einen unnötig hohen Geräuschpegel, doch ich schätze das ist gut so, denn wir sind in Minnesota und somit wird hier Dreiviertel oder mehr des Stadiums mit Fans des Gegnerteams gefüllt sein, weil wir hier der Gast sind und nicht sie.
Obwohl es diese Woche kein anderes Thema als dieses Spiel gab und wir hundert Mal durchgegangen sind welche Strategien wir benutzen werden sind meine Gedanken ganz woanders. Ich schweife immer wieder zum Moment zurück als Tess Hand zu Boden fiel und ich dachte sie für immer verloren zu haben. Gott, ich... ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn ich sie vor vier Tagen wirklich verloren hätte. Brian wäre tot, das ist sicher. Aber sein Tod würde sie mir auch nicht wiederbringen.
Ich verstehe es nicht. Seit Montag versuche ich zu verstehen, weshalb sie das mit sich machen lassen hat. Ich schätze mal es ist passiert und sie konnte sich nicht wehren, aber wieso blieb sie früher bei ihm? Jeder Mensch würde sich doch von Dem trennen, was ihm schadet? Oder etwa nicht? Ich würde niemals in einer Beziehung bleiben, die mir physisch als auch psychisch nicht gut tut. Eine Beziehung ist doch dafür da das Leben zu versüßen nicht jegliche Süße zu nehmen.
Aber ich will Tess nicht verurteilen. Sie hatte bestimmt ihre Gründe und wie ich zu ihr gesagt habe, hat sie sich bestimmt eingeschüchtert gefühlt.
Die Angst um sie schindet nicht mit der Zeit. Es ist schon Freitag und noch immer habe ich Angst, dass mir jemand sagt sie sei fort. Diese enorme Angst hat mir erst vor Augen geführt, dass ich Tess bereits liebe. Und zwar viel zu sehr als dass ich machtlos dasitzen und hoffen kann, dass er ihr nicht wieder etwas antut. Bei dem Gedanken an ihn werde ich wütend und balle Fäuste während ich die Schlittschuhe der Jungs gegenüber von mir ansehe. Ich bin ihm immer noch nicht begegnet und seit meinem Besuch vorgestern bin ich ihn auch nicht nochmal suchen gegangen, weil Tess mich womöglich hassen wird, wenn ich gewalttätig werde. Aber ich kann nicht mit dem Gedanken leben, dass sie sich in ihrem alten Kinderzimmer langweilt und Flecke und Wunden behandelt während er sein Leben weiterlebt als hätte er nicht versucht ein anderes zu nehmen.
„Okay, dann lasst uns dieses Spiel gewinnen!", jubelt Dean feierlich und bereits in Siegesstimmung, was mich wachrüttelt und ich aufsehe. Die Jungs stehen alle wild sprechend auf und Dean zieht die Tür auf, dass alle durchgehen. Ich lasse mir Zeit und gehe als letztes, bleibe nochmal neben den Dean stehen und schaue ihn an. Er wusste es. Dean hat immer diese dämlichen Anspielungen gemacht, mir aber nie gesagt, was passiert ist. „Alles in Ordnung?", fragt er und ich nicke knappe bevor ich meinen Helm aufsetze und die Kabine mit einem Klaps auf den Hintern verlasse.

Das erste Drittel ist brutal.
Man merkt uns allen -den Duluth's und uns- an, dass wir hier als Sieger rauskommen wollen und das um jeden Preis. Trotz all unseren Taktiken, Jake und Logan, unseren schnellen Verteidigern, Dean, dem robusten hier und Mitch und mir, als Flügelstürmer, klappt es nicht. Wir schaffen es immer bis in ihren Torraum, aber ihr Torwart ist viel zu gut. Genauso Ethan. Der Kerl hat noch keinen Puck durchgelassen und stellt seine schnellen Reaktionen unter Beweis. In der Pause nach dem torlosen ersten Drittel loben wir ihn alle für seine Reflexe und der Arme sieht aus als würde er in seinem dicken Trikot ersticken.
Coach Patterson fragt ihn, ob Griffin Colby erstmal spielen soll, aber Ethan lehnt sofort ab und wir beginnen unsere anderen Positionen zu überdenken.
Ich sitze am Anfang des ersten Drittels auf der Bank und lasse Troy machen, aber dieser kommt nach nur dreißig Sekunden mit einem Schlittschuh ohne Kufe zurück, weil sie abgesprungen ist.
„Nate!", ruft Mason und ich schlittere sofort nach vorne, dass er mir zuspielen kann, doch sobald er anschlägt und der Puck zu mir rast wirft sich ein anderer Spieler, Oakley, vor mich und versucht den Puck vor mir zu schnappen, doch ich reagiere schneller und stoße ihn an der Schulter zurück um den Puck entgegen zu nehmen.
Blitzschnell flitze ich über das Eis und spüre die Präsens eines anderen hinter mir, was mich nach Rafael Ausschau halten lässt und ich zu ihm abspiele, denn dieses Arschloch hier ist kurz davor mich umzuwerfen. Als hätte ich es hervorgesehen verpasst er mir einen seitlichen Bodycheck und ich fliege nach hinten auf den Rücken und komme nur knapp daran vorbei mit dem Kopf gegen die Bande zu knallen. Die Menge jubelt, natürlich, denn sie gehören zum anderen Team. Auswärtsspiele sind scheiße.
„Wichser.", knurre ich und rapple mich wieder auf. Mürrisch fahre ich schnell hinter das Tor, wo sich alle um den Besitz des Pucks streiten. Sobald ich dort ankomme fährt jemand vor mich und ich drücke ihn an die Seite, doch er schubst mich und ich falle beinahe über meine eigenen Füße. Meine Augen wandern zu seiner Rückennummer und seinem Namen. Schon wieder Oakley! Dieses Arschloch hat es heute auf mich abgesehen! Zu blöd für ihn, dass ich heute nicht gut gelaunt bin. Mit den wenigen Nerven, die noch nicht gerissen sind ziehe ich an seinem Trikot und schubse ihn hinter mich um den Puck des gegnerischen Mittelstürmers zu nehmen und es zwischen seine Beine zu Mason zu spielen, der in zwei Sekunden mit einem Lacrossewurf den Puck von hinten ins Netz wirft. Natürlich jubelt die Menge nicht und ich schlittere verschwitzt zur Bank um etwas zu trinken.

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