36|Bibliothekssex

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Tess

Behutsam langsam fahre ich die Kontur von Nates Wange nach und betrachte sein schlafendes Gesicht. Meine Panik von gestern Abend hat sich gelegt und im Nachhinein hasse ich mich für diesen Ausbruch, denn wie soll ich es Nate erklären? Was er wohl denkt, weshalb ich ihn unterbrochen habe?
Womöglich sollte ich ihm sagen, was los ist, aber ich traue mich das nicht. Ich will nicht, dass er mich mit anderen Augen sieht. Bis jetzt lief es mehr oder weniger perfekt und ich will es nicht ruinieren, indem ich ihm sage wie schwach und dumm ich war, weil ich das zugelassen habe. Männer stehen doch auf selbstbewusste Frauen. Männer stehen auf Mädchen wie Avery oder Meghan, Grace oder Ellie. Sie sagen, wenn ihnen etwas nicht passt und lassen sich nicht unterkriegen. Verdammt, Grace hat den Mann verlassen, den sie aus tiefstem Herzen liebt, weil er sie belogen hat! Sie hat auf ihre Gefühle gepfiffen und ist sich selbst eingestanden.
Während mir wieder klar wird wie klein ich neben meinen Freundinnen bin reißt sich das schrille Klingeln meines Smartphones in die angenehme Stille des Schlafzimmers. Erschrocken fahre ich zusammen und auch Nate zuckt aus seinem Schlaf. Blitzschnell greife ich nach dem läutenden Ding und werfe nur einen flüchtigen Blick auf den Anrufer, was mich kurz anhalten lässt. Brian?! Mein Herz klopft mir bis in den Hals und sofort drücke ich ihn weg. Das fehlte mir noch, dass er sich schon wieder meldet.

Nachdem ich einmal tief durchgeatmet habe, um mich auf den Tag vorzubereiten, drehe ich mich wieder um und begegne Nates grünbraunen Augen, die mich ansehen. „Guten Morgen.", brummt er und kratzt sich über den drei Tage Bart, der mittlerweile gewachsen ist. Ob er ihn wieder abrasiert? „Guten Morgen.", wiederhole ich leise und ziehe die Beine ein. „Hast du gut geschlafen?", fragt er und setzt sich ein klein wenig auf. Ich nicke. „Und du?" Er schwankt den Kopf von rechts nach links. „Mehr oder weniger." Er schaut sich im Zimmer um und zieht die Brauen zusammen. „Wie spät ist es?", fragt er. „Halb acht.", habe ich eben auf meinem Smartphone gelesen und sobald ich das sage springt Nate auf und läuft aus dem Zimmer. Verwirrt über seine schnellen Bewegungen versuche ich in den Flur zu spähen, doch sehe nicht viel sondern höre viel eher wie er gegen die Türen hämmert. „Aufstehen, Jungs!", ruft er und kommt wieder ins Zimmer,„Mist." Was ist hier los? Nate geht zu seiner Kommode und zieht eine Jogginghose und einen Hoodie heraus als ich die Türen aufgehen sehe und Dean und Logan, auch halbnackt, durch den Flur ins Badezimmer rasen. Es ist als wäre eine Apokalypse ausgebrochen. „Wieso die Eile?", frage ich und ungeschickt stolpert Nate in die Kleidung, die er rausgezogen hat. „Das Training hat vor einer Dreiviertelstunde angefangen!", erklärt er und schnappt sich sein Smartphone vom Nachttisch, kontrolliert den Inhalt der Sporttasche neben seinem Schreibtisch und schultert sie.
„Zieh dich an, Tess, wir müssen raus!", hetzt er nun auch mich und sofort stehe ich auf um mich ebenfalls anzuziehen. Innerhalb von zwei Minuten schaffen wir es uns alle in Logans Pick-up Truck zu beladen und auf der beängstigend schnellen Autofahrt stopfen die Jungs sich ein kurzes Frühstück hinein und überlegen Coach Patterson zu erzählen, dass ihre Nachbarn Stress gemacht hätten und sie nicht los konnten. Sobald wir auf dem Parkplatz der Sportfakultät sind laufen Logan und Dean schon los, doch Nate hilft mir erst aus dem Truck und hält mich erst einmal fest.
„Sorry, dass wir dich praktisch mit rausgeschmissen haben.", entschuldigt er sich und ich schüttle abwinkend den Kopf. „Halb so wild. Das Wichtigste gerade ist doch, dass euer Coach euch am Leben lässt.", scherze ich, doch er nickt zustimmend und schaut dabei gar nicht so aus als wäre er aufs Scherzen aus. „Ich gehe von hier aus einfach weiter. Viel Spaß und Glück.", wünsche ich ihm und er lehnt sich vor, doch sobald er sich nur ein wenig gebückt hat hält er inne. Zögernd schaut er mich an und ich weiß genau, weshalb er zögert, doch mir kommt nichts über die Lippen geschweige denn, dass ich mich vorlehne und ihn küsse. Langsam zieht Nate sich, ohne einen Kuss, zurück und lässt mich los.
„Ich schreibe dir später.", versichert er mir und beginnt rückwärts zu laufen und dreht sich um, dass er auf das Gebäude zurast.

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