18|Nates gefährlicher Charme

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Tess

Großzügig viele Schokoladendrops lasse ich in die Schüssel regnen und überlege, ob ich noch welche auf die Kekse legen sollte bevor ich sie gleich in den Ofen schiebe. „Willst du Schokolade durch deine Adern fließen haben? Das reicht.", spricht meine Mutter und ich lasse die Packung auf die Arbeitsfläche herunter. Heute morgen hatte ich das dringende Bedürfnis meine Eltern wieder zu besuchen und bin sofort losgefahren nachdem ich Ellie aufgeweckt habe, die zu ihrer Probe für ein Theaterstück, welches diesen Monat aufgeführt wird, zu spät kam.
Mein Vater kommt mit einem Karton voller Mehlpackungen durch die Tür, die zur Verkaufsfläche führt und ich beginne die Drops in dem Teig unterzurühren.
„Vorne wartet Kundschaft, Jo.", berichtet er meiner Mutter, die sofort an ihrer Schürze mit den Erdbeeren zupft und aus der Küche läuft. Ich grinse und er legt den Karton neben mir ab um die Mehlpackungen herauszunehmen. „Wieso bist du nie an der Kasse?", frage ich ihn und er schnaubt. Seit ich denken kann verkauft meine Mutter hinter dem Tresen die Köstlichkeiten, die mein Vater hinter verschlossener Tür zubereitet und auch, wenn meine Mutter ab und zu hier in der Küche steht so ist mein Vater nie vorne und bedient jemanden. „Ich bleibe lieber hinter den Kulissen und überlasse deiner Mutter den sozialen Kontakt. Manche sind echt frech und ich habe keinen Nerv für respektlose Fremde.", antwortet er brummend und ich lache. Es war die richtige Entscheidung heute vor meinen Nachmittagskursen vorbeizusehen.

„Wie läuft es denn so, Kleines?", fragt er und ich schaue flüchtig zu ihm bevor ich den Keksteig auf der bemehlten Arbeitsplatte ausbreite und beginne Kügelchen davon zu entnehmen. Außer, dass ich den besten Mann auf der Welt bei jeder Gelegenheit von mir stoße? „Gut.", antworte ich und höre wieder das zustimmende Brummen von ihm,„Es wird langsam aber sicher anspruchsvoller."
„Hast du das Wochenende wie die anderen Collegestudenten mit Partys vollgeplant oder schläfst du bei uns?", fragt er und ich grinse. „Total. Ich weiß gar nicht mehr auf welche Verbindungspartys ich eingeladen bin.", scherze ich und er schüttelt den Kopf. „Ach Kind, ich kenne diese Probleme.", witzelt er mit mir und bringt mich wieder zum Lachen. „Ich überleg's mir. Kommt ganz drauf an wie viel ich erledigen muss.", erkläre ich ernster. „Gut.", kommentiert er und seufzt, was darauf schließen lässt, dass mehr folgen wird,„Ehm.. Ich kann verstehen, wenn du eher mit deiner Mutter darüber sprechen willst, weil Frauensachen und so, aber.. ich habe mich gefragt, ob du.. vielleicht mit Brian wieder gesprochen hast?" Versehentlich drücke ich die Teigkugel in meiner Hand platt und erstarre. Verdammt. Er fasst sich weiter durch die Schubladen als wäre es eine beiläufige Frage gewesen, doch ich spüre, dass er auf eine Antwort wartet und ich ihm eine geben muss, aber meinem Vater gegenüber werde ich niemals erwähnen, was Brian mir angetan hat. Nicht nur, weil er ihn höchstwahrscheinlich umbringen und verhaftet werden würde sondern auch, weil es ihn umbringen könnte. Mein Vater hatte bereits im Alter von vierzig einen Herzinfarkt gehabt als es mit dem Umsatz der Bäckerei nicht gut lief und ihm zu erzählen, dass er einen Frauenschläger in seinem Haus geduldet hat wäre sein sicherer Tod. Ich war gerade mal dreizehn als es passiert ist und hatte geglaubt meinen Vater verloren zu haben. Die darauffolgenden Tage habe ich kaum sein Krankenbett verlassen und seit dem Tag versuchen meine Mutter und ich ihm alles einfacher zu machen. Er darf sich nicht schnell aufregen, ausrasten und wütend werden, was alles zutreffen würde, wenn ich ihm die Wahrheit erzählen würde. Also lüge ich ihn lieber für seine Gesundheit an.
„Flüchtig. Er hat ein paar Mal angerufen, aber es ist wirklich vorbei.", krächze ich leise heraus und hoffe, dass er es belässt, was er glücklicherweise auch tut, doch er flucht leise vor sich hin als er eine andere Schublade öffnet.

„Kleines, kannst du Eier von oben holen? Hier unten sind nur noch zwei.", lenkt er ab, was mir nur gelegen kommt und ich den Keks auf das Backblech lege. „Natürlich. Wie viele Packungen?", frage ich und wische mir die Hände ab. „Eine reicht. Wir müssen wohl nach Ladenschluss einkaufen gehen." Ich nicke und stoße die Schwingtür auf. Meine Mutter ist gerade dabei eine alte Frau abzukassieren, die breit lächelt, doch sie ist es nicht, die meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es ist der riesige Typ hinter ihr, der mich breit grinsend ansieht und zwinkert als ich die Augen aufreiße. Was. Zur. Hölle? Warum ist Nate hier? Das kann gar kein Zufall sein! Schnell gehe ich all unsere Unterhaltungen durch und überlege scharf, ob ich ihm je erzählt habe wo die Bäckerei meiner Eltern liegt und komme zum Entschluss: Nein. Ich habe ihm nie erzählt, wo es ist, wie es heißt und wie er hierher kommt.
„Was darf's sein?", fragt meine Mutter ihn und er richtet seine Augen auf sie als die alte Dame zurücktritt und er sich dem Tresen nähert. „Ähm.. Ich hätte gerne..", beginnt er grüblerisch und schaut sich die Auswahl an. Heilige Scheiße.
Eier. Ich sollte Eier holen. Sofort wende ich den Blick ab und sprinte die Wendeltreppen über der Gasttoilette hoch um die Wohnungstür aufzureißen und in Windeseile ein Karton zu greifen und wieder herunterzulaufen.
Gerade als ich die letzte Stufe erreiche lacht meine Mutter laut und Nate steht immer noch vor ihr. Langsam bleibe ich stehen und sehe beide an, was meine Mutter dazu bringt über die Schulter zu sehen.

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