28|ein Tag mit Wren

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Tess

Die Tür fliegt auf und mit breitem Lächeln sehe ich zu Logan auf, der verschlafen zu mir sieht. Doch der verschlafene Ausdruck in seinem Gesicht ist es nicht, das meine Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Es ist sein Körper, der nur seine Intimstelle mit schwarzen Boxershorts verdeckt, aber auch nicht viel Freiraum für Fantasien lässt. Sofort hebe ich den Kopf wieder an und überspringe die Tätowierungen sowie die aus Stein gemeißelten Muskeln.
„Guten Morgen." Er gähnt und kratzt sich durch die schwarzen Haare. „Morgen." Logan dreht sich um und verschwindet in das Innere der Wohnung, dass ich ihm folge und die Haustür hinter mir zudrücke. Während er in die Küche geht und die Kaffeemaschine anschmeißt ziehe ich mir meine Jacke aus nachdem ich die Croissants und Donuts auf das Sideboard abgelegt habe. „Ist Nate noch am Schlafen?", frage ich und er nickt wieder mit einem Gähnen. Damit ist unsere Kommunikation getan und ich steuere sofort Nates Zimmer an, denn es ist Zeit aufzuwachen. Ich habe heute weder Kurse noch muss ich zur Redaktion am Abend und ich habe mir überlegt, dass wir zusammen frühstücken könnten, wenn er Zeit hat. Es wundert mich, dass Nate schläft. Hat er nicht einmal behauptet er wäre eine Morgenperson? Von wegen. Es ist halb neun.

Als ich die Tür öffne bleibe ich sofort stehen und starre in das hellerleuchtete Zimmer. Träume ich? Denn Nate liegt nicht alleine in seinem Bett. Alles was ich von meinem Winkel sehen kann ist ein nackter Rücken, der definitiv Nates ist, aber etwas anderes liegt unter seinem Arm, den er ausgestreckt hat. Es sieht aus als wären dort braune Haare, dunkler als die von Nate und irre ich mich oder ist da eine kleine Hand auf der blassen Bettdecke?
Ist da ein Kind?! Mein Kopf arbeitet sich langsam ein und dann fällt es mir wieder ein. Scheiße! Nate hat mir doch erzählt, dass sein Bruder dieses Wochenende bei ihnen bleiben wird! Wie konnte ich das vergessen?
Trotz der aufrollenden Panik kann ich die Augen nicht von ihnen nehmen. Stattdessen nähere ich mich dem Bett ein wenig und erkenne das schlafende Gesicht des kleinen Jungen, der schnarcht und still unter Nates Arm liegt. Dieser liegt auf dem Bauch und hat das Gesicht zu seinem Bruder gedreht, der jetzt den Mund schließt und einige Male schnalzt.
Ich glaube meine Eierstöcke explodieren gleich. Dieses Bild von ihm mit einem kleinen Jungen, schlafend, hat sich in mein Gedächtnis gebrannt.
So süß es auch aussieht so wenig will ich die beiden aufwecken. Also trete ich langsam zurück, doch halte die Luft an und bleibe stehen als Wren den Kopf herumdreht. Angespannt beobachte ich ihn und er setzt sich langsam mit wankendem Kopf auf. Seine Augen sind noch geschlossen und er gähnt herzhaft bevor er diese öffnet und mich geradewegs anstarrt.
„Hallo."
„Hi." Er blinzelt und ich rühre mich immer noch nicht. „Wer bist du?", fragt er mit hoher, doch kratziger Stimme. Müde reibt er sich über die Augen und blinzelt nochmal als er mich ansieht. Ganz so als würde er mich wegblinzeln wollen. „Tess.", antworte ich verspätet und der Kleine kneift die Augen zusammen. „Warum beobachtest du uns beim Schlafen? Das ist gruselig." Ich schlucke. Er hat wohl recht.

Ich möchte etwas erwidern, doch in dem Moment wälzt Nate sich herum und als er sich auf den Rücken dreht tastet er neben sich Wren ab als wolle er schauen, ob dieser noch da ist. Er dreht den Kopf zu ihm herum und öffnet die Augen, doch bemerkt mich gar nicht. „Warum sitzt du?", fragt Nate verschlafen und mit kratziger Stimme, was ein ziemlicher Kontrast zu seiner sonst so klaren Stimme ist. „Da steht Mess an der Tür.", antwortet er seinem großen Bruder. Mess. Das stimmt irgendwo auch, denn ich bin ein totales Chaos in einer riesigen Hülle aus Zufriedenheit. „Was redest du denn da?", fragt er und setzt sich ebenfalls auf um zur Tür zu sehen und schon sehen wir uns an,„Tess? Hey, Hübsche." Verwirrt sieht er mich an, doch seine Irritation schindet ein wenig und er beginnt zu lächeln.
Nach kurzem Erklären gehe ich aus dem Zimmer und Nate macht sich und Wren fertig. Während sie sich im Badezimmer verschanzt haben bereite ich Frühstück vor und kann nicht auf die Hilfe von Logan zählen, weil dieser sich schon längst wieder in sein Zimmer zurückgezogen hat. Frühstück ist die einzige Mahlzeit des Tages, die selbst ich zubereiten kann, denn das Meiste ist bereits fertig und muss nur schön serviert werden. Nur das Omelett liegt an mir.
Zuerst tapst Wren zum Tisch und klettert den Stuhl hoch. Daraufhin folgt Nate, der bei dem Anblick des gedeckten Tisches lächelt. „Oh, wow. Dankeschön, Hübsche. Das sieht echt lecker aus.", meint er und setzt sich ebenfalls. Ich tue es ihm gleich und als ich nach meinem Saftglas greife sehe ich neben mich, denn ich fühle mich beobachtet. Wren starrt mich hemmungslos an und ich weiß nicht, was ich tun soll. Muss ich ihm sein Frühstück zubereiten? Ich glaube schon, oder? Er sieht noch zu klein aus als dass er sich selbst ein Brötchen schnappen und es belegen könnte.
„Was möchtest du essen, Wren?", frage ich und er legt den Kopf schief. „Du weißt meinen Namen?", hakt er argwöhnisch nach und ich nicke nervös. „Dein Bruder hat ihn mal erwähnt.", erkläre ich und er schaut mich durch seine braunen Augen, ernster als es für ein Kleinkind möglich sein kann, an. Mir ist aufgefallen, dass er und Nate kaum Ähnlichkeiten haben. Vielleicht ist die Lippenform ein wenig gleich, doch abgesehen davon sieht man keine Ähnlichkeit zwischen ihnen. Möglicherweise kommt das erst, wenn Wren noch ein wenig älter ist, denn jetzt ist sein Kopf eine Pflaume mit dunklem Haar, großen Augen und Babyproportionen für Nase, Ohren und allem anderen.
„Schokolade.", antwortet er schließlich auf meine Frage. Er zeigt auf den Aufstrich, doch Nate gibt ein ablehnendes Geräusch von sich. „Auf keinen Fall. Du wirst etwas vernünftiges essen.", stellt er klar und Wren schnaubt. „Halb gesund und halb Schokolade.", verhandelt er und ich kann nicht anders als Staunen. Ich habe aber viel verpasst, wenn alle Kleinkinder so sind. „Ein Brötchen mit etwas gesundem und dann kriegst du ein halbes mit diesem Aufstrich.", entscheidet Nate und Wren zögert, denkt nach und nickt schließlich. „Gut. Dann will ich Käse." Es dauert eine Sekunde bis ich den Arm ausstrecke und sein Brötchen belege wie er es von mir verlangt.
„Du.", zieht Wren mit vollem Mund in die Länge und ich sehe wieder zu ihm herunter. Er hält sein Brötchen mit beiden Händen fest und lässt die Beine durch die Luft schwingen während er mich von oben bis unten und zurück betrachtet. „Bist du Naties Frau?" Sofort spannt sich alles in mir an. „Ähm... Nein.", antworte ich und er zieht seine unordentlichen Brauen zusammen.
„Von Logan?"
„Nein!", kommt es noch schneller von mir als eben. Himmel, Logan heiraten? Darauf kann ich dankend verzichten.

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