Bau oder Kauf

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 Nachdem Paul und Tani, beide sehr sparsame, von Außenstehenden eher als geizig klassifizierte Zeitgenossen, schon seit sie sich vor 25 Jahren kennen gelernt hatten, eine nie ganz spannungsfreie Beziehung pflegten, waren sie auch keine schlechten Kandidaten dafür, dass ihnen der Hausbau zur Zerreißprobe geraten würde. Die gemeinsame bewahrende Einstellung zu den Ressourcen wäre verbindend gewesen. Zumindest hätten keine größeren Streitereien über unnützes Geldverschwenden aufkommen sollen. Das Fatale ist aber, dass, wenn schon Gründe für Auseinandersetzungen gerne wahrgenommen werden, gerade hier eine ergiebige Fundgrube liegt. Das zeigte sich natürlich speziell bei der Vielzahl an notwendigen, alle mit meist erheblichen finanziellen Effekten behafteten Entscheidungen beim Bau dieses Hauses.

 Wenn es nach Paul gegangen wäre, hätte er sowieso nie ein Haus gebaut. Er hätte sich für ein älteres, von denen sie in den Jahren davor Dutzende in Augenschein genommen hatten, entschieden. Das hätte er dann in aller Ruhe über Jahre hinweg gerne verändert, ausgebaut, verbessert. Das hätte eher seiner Natur entsprochen, mit einer vorgegebenen Situation klar zu kommen, und diese mit immer neuen Ideen in eine auf ihn zugeschnittene, mit seinem Stempel versehene Eigenwelt zu verwandeln.

 Aber um des lieben Friedens willen musste er diesmal wohl zurückstecken, auch weil er mit Tani zusammen schon einmal ein zwar nicht so altes Haus, eine Doppelhaushälfte, gekauft hatte. Dieses hatte Tani nie gefallen. Bei dem Kauf hatte er sich ausnahmsweise einmal gegen ihren Willen durchgesetzt, indem er hier diesmal, wie normalerweise sie es sonst immer nur praktizierte, andernfalls mit Trennung drohte. Obwohl er zwar ahnte, dass mit dem Hausbau nicht unbedingt nur Gutes auf ihn zukommen würde, er andrerseits Herausforderungen eher suchte, als ihnen aus dem Weg zu gehen, war er schließlich einverstanden. 

 Das Grundstück hatte das Paar schon zwei Jahre zuvor, im Winter zum ersten Mal gesehen. Ein für die örtlichen Verhältnisse recht üppiges Grundstück war in einen etwas größeren und einen etwas kleineren Teil aufgeteilt worden. Ursprünglich hätten die beiden gern das größere Stück gehabt. Aber Pauls verhandlungsfreudige bessere Hälfte wollte den eh schon günstigen Preis noch weiter herunterhandeln - so wurde es erst einmal nichts. Im Herbst kam dann der Makler noch mal auf sie zu und bot ihnen jetzt die kleinere Hälfte an. An der Lage war nichts auszusetzen - lauter größere Grundstücke mit zum Teil recht feudalen Villen in der Gegend, fast exakt genau auf halber Strecke zwischen S-Bahn und Bundesstraße, drei Häuser weiter bis zum Waldrand, extrem ruhig und doch nicht so viel weiter weg wie von Paul und Tanis letztem Wohnsitz, zehn statt bisher fünf Gehminuten, bis zur nächsten S-Bahn-Haltestelle. Auch der Name der neuen Adresse – zwei statt wie bisher fünf Silben Straßenname - klang sehr viel schöner, fast schon wie Parkstraße oder Schlossallee aus dem guten alten Monopoly.

Pauls Midlife Crisis / zeitlose Leiden des fast jungen W.  / Emotion und Verstand - Gleichklang oder GegensatzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt