Schwache aber folgenschwere Signale

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Schwache aber folgenschwere Signale

Seit über zehn Jahren suchte Paul den täglichen Stress durch viel Bewegung abzubauen. Eigentlich hat er dies sein ganzes Leben schon so gehalten. In der Schulzeit hatte er immer wieder mal Stress mit seiner Mutter. Der ging sicher genauso oft von ihm wie von ihr aus. Er war viel mit dem Rad unterwegs, ist immer viel geschwommen, hat Tennis gespielt, falls ohne Partner an die Wand, ist geklettert. Mit dem Joggen hatte er mit seinen Kameraden schon in der Schulzeit angefangen, spätestens während des Studiums dann regelmäßig. Auch in seiner Berufszeit war er in Fitnessklubs, hat sich eine Zeit lang auch in Diskos halbe Nächte lang auf den Tanzflächen ausgetobt, Skifahren, Langlaufen, Bergsteigen, -wandern praktiziert.

Was in den Jahren mit den kleinen Kindern dazukam, war der Wettkampfcharakter, Volksläufe, Triathlon, nach Beitritt im Sportverein mit wachsender Intensität, dazu gleich noch mehr Details. Die immer mehr in Mode kommenden Möglichkeiten zum altersunabhängigen Betreiben von Breitensport kamen ihm entgegen. Radeln, Laufen wäre immer auch vereinsunabhängig möglich gewesen. Zum Schwimmen im Winter ging er in die diversen Bäder in der Umgebung manchmal auch in der verlängerten Mittagspause. Irgendwann kam er auf die Idee, was er bereits in seiner Jugend einmal vor hatte und mangels elterlicher Unterstützung nie umgesetzt hatte, in einen Sportverein und dort in eine Freizeitschwimmgruppe einzusteigen. Die gemischte Gruppe im örtlichen Verein mit ihren zwei abendlichen Terminen in der Woche hatte es Paul sofort angetan.

Ohne Frage ist hier auch Motivation, das jeweils andere Geschlecht bei der Bewegung mit zum Sport entsprechend optimierten, knappen und Körper betonenden Textilien zu beobachten. Paul hatte da auch immer so seine Favoritinnen, deren Anwesenheit ihn jedes Mal wieder erfreute, ohne aber jemals auf die Idee gekommen zu sein, mit irgendeiner in engeren Kontakt zu treten oder eine weitergehende Beziehung aufzubauen.

Anfang des laufenden Jahres war das auf einmal anders. An irgendeinem Abend bog er aus der Umkleidekabine kommend, wie häufig leicht verspätet, die meisten waren schon beim Aufwärmen, in die Halle, da meinte er, eine seiner Sportskameradinnen bei seinem Aufkreuzen lächeln gesehen zu haben. Das war jetzt zwar auch wieder nicht so ungewöhnlich. Meist beruht Sympathie, wie schon im Wortsinn versteckt, auf einer Gegenseitigkeit, auch wenn die entsprechenden Signale, wie so ein Lächeln, zunächst von einer Seite ausgehen, werden sie entweder erwidert, manchmal auch nur vorläufig, oder aber auch dauerhaft hartnäckig ignoriert und damit dann klar abgewiesen, die Sympathie bleibt oder verblasst und verflüchtigt sich wieder.

Ungewöhnlich in dem Fall war die Quelle der Signale. Die Dame gehörte zu den älteren Teilnehmerinnen, aber deshalb sicher nicht zu den weniger ansehnlichen, im Gegenteil, groß gewachsen, kräftig, kaum, zumindest kein überflüssiges Fett zu erkennen, nordischer Typ, von der Sprache her nicht aus der Gegend. Etwas überrascht aber erfreut nahm Paul die Beobachtung zur Kenntnis, und dachte sich zunächst nichts weiter dabei. Einige Termine später, gegen Ende seiner Trainingsstunde, die meisten waren schon am Duschen, Paul hängt am Rand um zu schauen, wer denn heute auch kein Ende finden will, sieht zu seinem Erstaunen, weil normalerweise eher bei den früher Aufbrechenden, eine seiner Favoritinnen mit ihrer Freundin ihm entgegen schwimmen. Auch das allein noch nicht so außergewöhnlich. Fast schon sehr ungewöhnlich aber der auch noch anwesende nordische Typ, die beiden Mädchen mit einem auffällig unfreundlich strengen Seitenblick verfolgend.

Pauls Midlife Crisis / zeitlose Leiden des fast jungen W.  / Emotion und Verstand - Gleichklang oder GegensatzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt