Schulübertritt

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Schulübertritt

Bis zum Ende der Grundschulzeit lief es nun einigermaßen ordentlich, auch dank dem von Anfang an aufgebauten guten Kontakt zu Patriks Klassenlehrerin in dieser Zeit. 

Bereits vor der Schule hatte Patrik angefangen, sich für Spiele am PC zu interessieren und dort möglichst viel seiner Zeit zu verbringen. Seine Mutter brachte diese Spiele immer wieder aus den diversen Bibliotheken mit. Da war teilweise auch recht ordentliches, didaktisch Brauchbares darunter wie beispielsweise  Dschungelcamp, Löwenzahn, Oskar der Ballonfahrer, Alberts abenteuerliche Reisen, Lukas der Lokomotivführer, Mikropolis. Auch die klassischen Hit-and-Run Spiele wie beispielsweise Quack Attack durften nicht fehlen. Manchmal musste der Papa helfen, wenn es irgendwo klemmte, nicht weiterging. Bald schon war Papas anfänglich noch vorhandener Vorsprung aufgezehrt. Vor allem die Reaktionsspiele, wie Autorennen oder Kampfspiele wie Tron, bei der stundenlange Übung sich bezahlt machte oder manchmal erst Voraussetzung für den Erfolg war, zeigten schnell eine haushohe Überlegenheit Patriks, wie sie aber auch sein kleiner Bruder nie erreichen konnte.

Das Grundschulabschlusszeugnis von Patrik war ordentlich, Gymnasialeignung war fraglos gegeben. Dass sein Sozialverhalten an einer Regelschule aber wieder Probleme machen würde, stand ebenso klar fest, also musste wieder eine neue passende Schule gefunden werden. Eigentlich ein fast schon außerordentlicher Zufall war, dass im Landkreis, kaum eine Viertelstunde vom Wohnort entfernt, eine besonderes, kleines, privates, staatlich genehmigt aber nicht anerkanntes Gymnasium mit nur rund 70 Schülern in nicht mehr als sechs Klassen, zur Förderung der Emotionalen und Sozialen Kompetenz existierte, für die nach allgemeiner Einschätzung Patrik der ideale Kandidat sein würde. Es gab eine Probezeit, bei der sich Patrik gleich am ersten oder zweiten Tag beim Klettern den Arm brach und so, vielleicht auch mit Mitleidseffekt, diese Probe erfolgreich bewältigte. 

Die Schule war als Internat mit Tagesschülern konzipiert, Die Mehrheit der Schüler kam von außen, aus den Kreisstädten in allen Himmelsrichtungen, fast das gesamte Bundesland war vertreten. Zusätzlich gab es noch ungefähr acht bis zehn Tagesschüler, die morgens von der S-Bahn mit dem Shuttle-Bus abgeholt und abends dorthin wieder zurückgebracht wurden. Patrik bekam ein Handy, die Fahrt mit der S-Bahn wurde ein- zweimal trainiert. Er wohnte zwar bei seiner Familie zuhause und war aber auch nachmittags betreut. Selbst eine Reittherapie wurde ihm genehmigt. 

Die Leitung der Schule und des Internats war geteilt. Es gab einen Schulleiter Herr Nordmann und einen Internatsleiter Herr Linner. Herr Nordmann war für die Schulzeit, die Lehrer verantwortlich, Herr Linner für den ganzen Rest des Personals, Psychologen, Pädagogen, Erzieher, Internatsbetrieb, Kochen, Waschen, Hausmeister, Fahrdienst. Nach dem ersten Jahr wechselte der Leiter des Internatsbetriebs, das war jetzt der Herr Uhl. Vor allem für die für Patrik schwierigere Nachmittagsbetreuung hatten seine Eltern es jetzt mit ihm zu tun. 

Da Patrik von sich aus fast nie etwas über die Schule erzählte, ließ Paul sich in den Elternbeirat wählen, um überhaupt eine Vorstellung zu bekommen, wie der Ablauf zwischen Schule und Internat geregelt ist, welche Themen aktuell diskutiert werden, welche Veränderungen geplant werden, oder zu erwarten sind. Fünf Elternvertreter setzten sich drei- viermal pro Halbjahr mit Internats- und Schulleitung zusammen, vereinzelt auch als Schulforum konzipiert mit zusätzlichen Schülervertretern. Viele Themen drehten sich um den Internatsbetrieb, um Wohnen und Essen, neues Lehrpersonal wurde angekündigt, Ausflüge, Freizeitgestaltung, gemeinsame Feste mit den Eltern. Immer wieder regelmäßig kamen auch Disziplinprobleme innerhalb der Schülerschaft auf den Tisch. 

Bis Patrik sich eingefügt hatte, verhielt er sich noch einigermaßen friedlich, dann gingen wieder die Konflikte los. Er störte im Unterricht, wollte sich nicht an die Regeln halten, wurde rausgeworfen, musste dann gesucht werden. Noch weniger behagte ihm wohl die Nachmittagsbetreuung, wo er versuchte, sich im weitläufigen Gelände des die Schule umgebenden Parks zu verdrücken, auf Bäume zu steigen, oder an dem Hang, an den die Schule gebaut war, verbotener Weise entlang zu klettern. 

Pauls Midlife Crisis / zeitlose Leiden des fast jungen W.  / Emotion und Verstand - Gleichklang oder GegensatzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt