Pauls Midlife Crisis / zeitlose Leiden des fast jungen W. / Emotion und Verstand - Gleichklang oder Gegensatz

Monoflosse

Monoflosse

Nach diesem Email war er noch einmal in der Montagsstunde einigermaßen pünktlich. Irgendwie hatte er plötzlich ein neues Gefühl. Mag sein, dass er das Gras wachsen höre, dass seine Phantasie ihm manchmal Streiche spielt. Auch so ein Erbe von seiner Frau Mama. Einige der Mädchen schienen ihm eine nur ganz schwach über Normalniveau reichende Aufmerksamkeit zu schenken, Madames jüngere Tochter fing auch allmählich an, ihn mit diesen forschenden Blicken zu mustern. Sollten sich seine Emails über die Familie Tischler verbreitet haben, was er riskieren musste, und als willkommene Zutat jetzt irgendwelche Vereinsgerüchteküchen bereichern? Paul hatte zwar nichts, zumindest nichts über in Emails bereits geschildertes, darüber hinausgehendes mehr zu verbergen, wollte sich aber auch nicht wie ein fast ausgestorbenes, exotisches Tier mit leichtem Gruseln bestaunen lassen.

Aus im letzten Abschnitt bereits angedeuteten, ganz anderen Gründen, Stichwort Monoflosse, wollte er den Montagstermin vermeiden bzw. langsam auslaufen lassen. Die Monoflosse hatte er sich zum letzten Weihnachtsfest bzw. Geburtstag geschenkt. Paul hatte so eine Flosse in verschiedenen Filmen bzw. Reportagen gesehen und wollte auch mal selbst ausprobieren, wie sich so ein Teil anfühlt und wie es sich damit schwimmt. Unter anderem sah er bei „Wetten dass...“ oder einer ähnlichem Sendung einen Wettbewerb zwischen einem Weltklasseschwimmer und einem Monoflossenschwimmer. Die Monoflosse war um Längen voraus.

 Einige der Mitschwimmer nahmen die von ihm gerne gewährte Möglichkeit wahr und probierten die Flosse auch mal aus. Ehrlich gesagt, wäre er kaum auf die Idee gekommen, dass sich irgendjemand an der Flosse stören könnte. Das war wohl ein Trugschluss. Aber er konnte feststellen, dass er mit der Flosse auch ohne Armeinsatz recht flott schwimmen konnte, vor allen Tauchen machte Spaß, da man am Grund an den Orientierungsstreifen entlang ein gutes Gefühl für die Lage, die Schwimmrichtung, die Manövrier- und Bewegungsmöglichkeiten mit der Flosse bekam. Zu seinen Rippen- und Halsschulter Problemen passte das Schwimmen mit der Flosse ideal, da die Arme weitgehend ohne Bewegung bei der Fortbewegung geschont werden konnten.

Als nach monatelanger Pause wieder einmal ein Serienschwimmen angesetzt war, wollte er einerseits bei seinen Trainerinnen seine aktuelle Angeschlagenheit ansprechen und sich gleichzeitig auch um eine offizielle Duldung  der Flosse bemühen:

Hallo Britta , hallo Nora,

 ich muss mich heute schon wieder mit irgendwelchen Wehwehchen an Euch wenden. Die Rippe war gerade ganz gut verheilt, da fuhr mir am PC sitzend bei einer ruckartigen Kopfbewegung einheftiger  Schmerz in den Nacken zwischen Hals und rechtem Schulterblatt, über  den Arm bis in die Finger ausstrahlend. Dachte, eine der  Halsbandscheiben saß gerade etwas ungünstig, hat kurz auf den Nerv gedrückt, das geht schon wieder.

 Wurde aber, obwohl schon vor sechs  Wochen passiert, leider seither nicht besser, eher schlechter. Ich kann weder ordentlich laufen, noch radeln oder auch schwimmen, Bruststil ist ganz  schlecht, so dass ich doch mal meinen Orthopäden, Dr. Eberhard, aufsuchte. Im dort von meinen Halswirbeln aufgenommenen Bildchen konnte ich gleich selber sehen, dass da etwas morsch oder faul, fast im Wortsinn, ist, Diagnose CBS, cerviko-brachiales Schmerzsyndrom, ausgelöst durch Arthrose an der Halswirbelsäule. Ich hab mir wohl in letzter Zeit zu oft zu viel auf die Schultern geladen.

 Ich hoffe, Ihr könnt akzeptieren, dass ich zwar immer noch sehr gerne die Trainingstermine wahrnehme, aber im Moment mein eigenes Programm schwimme. Da das den Umständen entsprechend hauptsächlich aus Rückenschwimmen besteht, bitte ich, auch meine, mir dabei die einzige Abwechslung bietenden Flossen oder auch die Monoflosse wohlwollend zu tolerieren.

 Vielleicht schaffen es die Damen von der Physiotherapie, mich bis zur jetzt wieder geplanten Serie einigermaßen zu mobilisieren. Falls nur eingeschränkt, würde ich spaßeshalber auch dort ausnahmsweise mal mit der oder den Flossen antreten, um nicht ganz so weit  hinterher zu hinken, genauer schwimmen, und auch einmal einen Zeitvergleich zu haben, welchen Effekt diese kleinen Hilfsmittel bringen können.