Gang zur Öffentlichkeit

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Gang zur Öffentlichkeit

Trixies Verhalten war schon recht eigentümlich. Keine drei Tage vorher vertrat sie noch einen völlig anderen Standpunkt. Irgendetwas musste also in der Zwischenzeit passiert sein. Auf Pauls Nachfrage, woher sie denn ihre Informationen hätte, wollte sie ihm keine Auskunft geben. Es konnte eigentlich nur so gewesen sein, dass Georgia, die sich bei der ganzen Auseinandersetzung ziemlich bedeckt gehalten hatte, versucht hatte, in diesen Tagen nochmals Einfluss auf Trixies Entscheidung zu nehmen. Paul wusste zwar, dass Thea, Dörte und Georgia immer wieder gerne die Köpfe zusammensteckten. Er hätte jetzt aber eher vermutet, dass diese Gespräche auch von nicht mehr Tiefgang als die „gern-gern“ Sätze in Theas ersten mail gezeichnet waren. Ein zwiespältiges Gefühl erfasste ihn in diesem Moment. Es war fast eine Erleichterung. Wenn über ihn derart gelästert wurde, dann hatte er keinerlei Grund mehr, mit seinem Buch länger Zurückhaltung zu üben. Im Gegenteil, er war geradezu gezwungen hierauf zu reagieren. Andrerseits war ihm spätestens jetzt klar, wie stark Theas ihm missverständliche Reaktionen ihn in die Irre geführt hatte.

Ein wenig war schon auch erschrocken. Er hatte es zwar immer hin und wieder in seinem Leben erlebt, dass Gruppen von Menschen, sei es in der Arbeit, in der Schule oder auch im Studium versucht hatten, sich gegen ihn zusammen zu tun. Meist waren es Einzelne, die dann andere dazu aufstachelten, auf Paul loszugehen. Nicht immer hatten sie Erfolg. Manchmal gelang es Paul auch, die Angreifer zu spalten. Häufiger waren jedoch die Konstellationen, in denen Einzelne dominierten, die Paul auf irgendeine Art provoziert und sich zum Feind gemacht hatte.

Der Schwimmverein war hier ein besonderer Fall. Seit Paul vor rund zehn Jahren eingetreten war, hatte er immer wieder Einzelne angequatscht. Seine Motivation mitzuschwimmen, erläutert, dabei selbst nachgefragt, warum und seit wann die Angesprochenen dort mitschwammen. Neuen, die nach ihm kamen, stellte er sich oft vor und versuchte immer mal wieder Gespräche anzuknüpfen. Mit den meisten klappte es so ganz gut, einen gewissen Draht zu finden, ein wenig übereinander zu erfahren, sich auch bei zufälligen Treffen außerhalb des Schwimmvereins kurz zu begrüßen.

Es gab allerdings auch ein paar wenige Einzelfälle, die aus welchen Gründen auch immer, sich zu fein waren, Grüße zu erwidern oder schon gar nicht von sich aus damit anfangen wollten, untereinander aber immer sehr viel und höchst Wichtiges zu besprechen hatten. „Jedem Kind sei Luftballöle“ hätte ein Schulkamerad von Paul dazu wahrscheinlich gesagt.

Hätte sich das Verhältnis der Schwimmgruppenmitglieder auf dieses Verhalten beschränkt, wäre das zwar nicht unbedingt schön aber immer noch zu tolerieren gewesen. Nachdem aber über die Jahre verteilt doch einige leicht sonderbare Vorgänge zusammengekommen waren, das selektive Herauskegeln der meisten Triathlonteilnehmer, die Geschichte mit der Monoflosse und jetzt Trixis Moralapostelgebaren, erhärtete sich der Verdacht bei Paul, dass die Damen, um die es sich mehrheitlich bei den Funktionsträgern der Abteilung handelte, nicht zimperlich waren, beim Durchsetzen ihrer angemaßten Machtansprüche und je nach Notwendigkeit auch beim verbissenen Kämpfen um die entsprechenden Positionen. Nachdem Paul seit über zehn Jahren nicht nur brav seinen nicht gerade kleinen Erwachsenenvereinsbeitrag geleistet hatte und bei seinen Wettkämpfen immer schön unter Vereinsflagge gestartet war, sah er es nicht so recht ein, warum er sich mit einem Status als Mitglied zweiter Klasse zufrieden geben sollte.

Dass die Bemühung um Theas nähere Bekanntschaft von Anfang an ein Fehler war, war Paul im Grunde schon beim Warten auf die Antwort seiner zweiten mail gedämmert. Was dann folgte, waren mehr oder weniger Entschuldigungen, der Versuch eines geordneten Rückzugs. Die Zweifel an seinem Vorgehen, der Versuch sich selbst zu verstehen, fanden in einigen Kapiteln ihren Niederschlag. Theas Reaktionen, ihre „gern- gern“ Sätze, ihre Scham über ihre eigenen Gefühlsäußerungen, mögen ihre Gründe haben. Was sie bei Paul angerichtet haben, konnte Thea sich nicht vorstellen. So mussten seine Reaktionen ihr auch immer geradezu Furcht einflößend fremd bleiben, Pauls Charakterisierung einer ihrer Reaktionen, nach den mails zur Startsprungübung, als Befremden, passte dazu ganz gut.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 16, 2015 ⏰

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Pauls Midlife Crisis / zeitlose Leiden des fast jungen W.  / Emotion und Verstand - Gleichklang oder GegensatzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt