Schulausschluss

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Schulausschluss 

Der ganze Konflikt schwelte eine Zeit lang vor sich hin, mit Potential für eine weitere Eskalation. Im Winter gab es an einem Abend ein traditionelles Wichtelfest mit Patrik besonders interessierenden kulinarischen Attraktivitäten. Patrik wollte wie in den Vorjahren auch gerne wieder dabei sein. Er hatte aber kein Recht und keine Erlaubnis, sich bei der Schule am Nachmittag bis zum Abend dort aufzuhalten. Die einzige von der Schule vorgesehene Möglichkeit für Patriks Teilnahme wäre gewesen, dass seine Eltern ihn aus der von deren Wohnort rund dreißig Kilometer entfernten Schule geholt, ihn zum Fest wieder gebracht und am Ende wieder abgeholt hätten. Tani hatte damals einen Arbeitsvertrag bei einer mittelständischen Firma mit nicht mehr als den zwanzig gesetzlich vorgeschriebenen Urlaubstagen im Jahr. Dass es mit deren Verteilung übers Jahr schon immer sehr eng wurde, versteht sich. Dass es ohne mindestens halbtageweisen Urlaub nicht möglich war, für Patrik immer wieder Chauffeurdienste zu leisten, ist auch klar. Patriks Eltern ließen es drauf ankommen, wie die Geschichte ausgehen würde. Patrik weigerte sich am Nachmittag, das Schulgelände zu verlassen und wurde prompt von Frau Unseld-Schneider wegen Widersetzens gegen ihre Anordnungen bis auf weiteres vom Schulbesuch ausgeschlossen. Er wurde lustigerweise von zwei Klassenkameraden zu einer nahe gelegenen Kneipe gelotst, wo er bis zum Abend ausharrte, und Paul ihn dann am späteren Abend genau dort abholte. In den folgenden Tagen mussten seine Eltern sich dann um ihren von der Schule ausgeschlossenen Buben kümmern und auf verschiedene Weise versuchen, Druck auszuüben, um den Schulbesuch wieder zuzulassen. 

Mit Unterstützung einer Elternbeiratskollegin wurde der Abholung Patriks am nächsten Tag von der S-Bahn in die Schule wieder zugestimmt. Paul trat unmittelbar im Anschluss von seinen Beiratsämtern mit der Begründung zurück, sich mit diesen Leuten nicht mehr an einen Tisch setzten zu wollen. Gleichzeitig wurde die Notwendigkeit immer dringender, dass schnellstmöglich für diese Schule eine Alternative gefunden werden musste, womit jetzt endlich die Frage im ersten Kapitel über Patrik beantwortet wäre. Hier war jetzt so viel Porzellan zerschlagen worden, dass die Aussicht auf eine künftige harmonische Zusammenarbeit auf ein Minimum schrumpfte. Immerhin muss man zur Ehrenrettung der Schule sagen, dass Patriks Eltern zu fast allen seinen Lehrern am Ende ein hervorragendes Verhältnis hatten. Sein Klassenlehrer mit den Fächern Englisch und Sport, der Mathelehrer, den Patrik und wahrscheinlich auch alle anderen Schüler besonders mochten, und seine Deutschlehrerin, alle hatten ihn geduldig jahrelang ge- und ertragen. Ohne ihre nicht hoch genug einzuschätzende Unterstützung wäre es seinen Eltern sicher nicht gelungen, ihn an der Schule und damit seiner Familie zu erhalten.

Pauls Midlife Crisis / zeitlose Leiden des fast jungen W.  / Emotion und Verstand - Gleichklang oder GegensatzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt