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Anna

Als ich in den Spiegel schaute, fragte ich mich, ob ich zu viel Make-up für den ersten Schultag aufgetragen habe. Irgendwie musste ich doch meine Augenringe überdecken und ich wollte an meinem ersten Tag nicht wie ein Penner aussehen. Theoretisch könnte ich mein Erscheinungsbild komplett ändern, weil ich hier niemand kannte. Ich konnte mir aussuchen, ob ich ein Badgirl sein will oder die Streberin, denn meine Vergangenheit war allen unbekannt. Wie viel ich von mir preisgeben will und was ich von meinem vorherigen Leben erzählen will, konnte alleine ich entscheiden. Diese Gedanken gaben mir ein gutes Gefühl bei der ganzen Sache, denn niemand wird mich hier aufgrund meiner Familie, meiner Vergangenheit oder meinen Taten verurteilen.

Mein Blick wanderte auf die Uhr, die auf der schwarzen Wand meines Zimmers hing. Ich sah, dass ich noch genug Zeit hatte, also machte ich mir einen Kaffee. Oh Gott, wie ich diesen Geruch in der Früh liebte. Gemütlich trank ich den Kaffee und machte mich dann auf den Weg zu meiner neuen Schule. Etwas nervös war ich schon, da ich niemanden aus dieser Schule kannte und ich hatte Angst alleine zu sein. Dieses Schuljahr nahm ich mir vor, nicht so oft zu fehlen und aufzupassen, denn ich will einen guten Abschluss, um später vielleicht an der Kunstuniversität angenommen zu werden, an der nur die besten Künstler sind. Doch ich schüttelte mir diesen Traum schnell wieder aus dem Kopf, denn ich war nie gut genug für diese Universität, egal wie viel ich zeichnete.
Irgendwie freute ich mich auch etwas auf dieses Schuljahr, denn diese Schule hat verschiedene Zweige wie Naturwissenschaften, Sprachen und eben Kunst. Natürlich wählte ich Kunst. Schon seit ich in der Grundschule war, liebte ich es meine Gefühle mit Farben und Zeichnungen auszudrücken. Das ganze Chaos in meinem Kopf fand sein Platz auf einem Blatt Papier oder manchmal auch auf einem Hochhaus, wenn ich Lust hatte zu sprayen und auf ein Abenteuer.

Nach knappen zehn Minuten mit dem Fahrrad erreichte ich auch schon die Schule. Schüler liefen in Massen in das graue Gebäude, das von außen wie ein Gefängnis aussah mit seinem Stahl-Treppenhaus, das von dem obersten Stock in den Pausenhof reichte.
Als ich mich durch die Menschenmenge quälte, durfte ich das Innere der Schule betrachen. Mir war als Erstes der Holzboden aufgefallen, der den ganzen Gang mir einem Zirbenduft füllte. So ein Boden ist ungewöhnlich für eine Schule, dachte ich mir. Am Ende des Ganges, der mit Bildern von Schulklassen an der gelben Wand geschmückt ist, fand ich die Direktion.
„Hey, ich bin Anna, bin neu hier und wollte fragen, wohin ich gehen muss.", die grauhaarige Sekretärin musterte mich mit einem strengen Blick und richtete sich ihre Brille zurecht.
Wortlos tippte sie etwas in ihren Computer ein.
„Nachname?", fragte sie genervt.
„Weiss."
„Ich finde hier nichts zu dir, bist du sicher, du bist auf der richtigen Schule?"
Meint die ich bin dumm? Also wenn alle in dieser Schule so genervt sind, möchte ich am liebsten sofort wieder nach Hause. Ich machte ihr klar, dass ich hier richtig bin und sie holte daraufhin eine Frau mittleren Alters, die anhand ihres Buissnes-Looks die Direktorin ist.
„Anna, ich habe dich schon erwartet.", sie lächelte mich an und gab mir einen festen Händedruck. Ihr Gesicht kam mir irgendwie bekannt vor, doch ich konnte nicht sagen warum.
Sie zupfte ihre langen Blonden Haare, die in einen Dutt gesteckt waren zurecht und zeigte mir daraufhin die Schule. Diese Frau wirkte ziemlich sympathisch, im Gegensatz zu der Sekretärin.
Im gesamten Treppenhaus hingen Gemälde, wahrscheinlich von Schülern gezeichnet. Es waren viele Landschaftsmalereien darunter, über die ich staunte.
Die Schule war sehr modern ausgestattet, mit viel Elektronik und moderner Architektur. In jedem Stock, der großen Schule waren Sofas und Tische. Auch ein paar Kaffeautomaten waren in dieser Schule verteilt. Mich wunderte es, dass dieses Gebäude von außen so hässlich aussieht, denn innen näherte es sich keinesfalls einem Gefängnis.
In meiner alten Schule konnte ich nur von Kaffeeautomaten und sauberen Gängen träumen. Es hatte doch seine Vorteile, dass ich von dort weg musste.

Die rosarote StadtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt