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Leyla

Vor uns spiegelte sich die Sonne in dem von Bäumen umhüllten See. Mir fiehlen die Augen fast zu, als ich auf der bequemen Bank lag.
„Streng dich doch mal an!", forderte mich Anna auf.
„Ich überlege ja.", ich schnappte das Magazin, welches neben mir lag und blätterte durch.
„Weißt du, wir brachen eine gute Idee und kein 0815 langweiliges Projekt.", sie riss mir das Magazin aus den Händen.
„Ich dachte dir wäre das Projekt egal?"
„Ist es auch.", log sie und ich wusste genau, dsss sie den Studienplatz in der Uni gewinnen wollte.
„Du kannst doch zugeben, dass du gewinnen willst.", ich legte meine Hand auf ihre Schulter. Anna ließ das Magazin aus den Händen fallen und schaute zu Boden.
„Ich will doch nur einmal in meinem Leben etwas gewinnen.", ihr Blick wanderte direkt von dem Boden in meine Augen und ich bemerkte die Verzweiflung darin.
„Nie war ich die Beste in irgendetwas immer sagte man mir, wie schlecht ich bin und, dass ich nichts erreichen werde, doch bei diesem Projekt möchte ich mich anstrengen und allen zeigen, was ich kann. Vielleicht will ich auch den Studienplatz, doch das ist nebensächlich. Ich will einfach nur etwas machen, was die Leute fasziniert und dann beweisen, dass ich nicht immer die Verliererin bin!"
Ich wusste nicht was sagen soll, denn Anna tat mir in diesem Moment leid. Noch nie hat sie mir ihre Gefühle offenbart, bis jetzt. Erst jetzt war mir bewusst geworden, wie traurig sie überhaupt aussah. Die Augenringe und die Blässe in ihrem Gesicht, brachten Müdigkeit zum Ausdruck.
„Also bitte ich dich, Leyla, dass du mir hilfst."
Als das schöne Mädchen mich erwartungsvoll ansah, überlegte einige Sekunden, bis ich antwortete.
„Wir werden das Ding so was von gewinnen.", ihre nach unten gerichteten Mundwinkeln formten ein Lächeln.
„Danke.", sie umarmte mich und ich spürte ein leichtes kribbeln in meinem Bauch.
„Wie wär es, wenn wir ein Gebäude oder so mit Holz oder Karton nachkonstruieren?", mir fiel nichts besseres ein, ich wollte nur eine Idee bringen, um ihr zu zeigen, dass ich mich bemühte.
„Ich weiß nicht.", sie sah nicht überzeugt aus.
„Ich will etwas großes machen. Ich will, dass mehr Leute unser Kunstwerk betrachten, als nur die Schule.", ihre Augen funkelten als sie den See anstarrtete.
„Wir werden etwas finden.", insgeheim glaubte ich, dass Anna ihre Erwartungen viel zu hoch setzte. Ich hatte keine Hoffnung in unser Projekt.
Wir diskutieren noch etwas, jedoch fiel keinem von uns etwas wirklich gutes ein. Anna beschloss dann, dass wir eine Pause machen sollen, da uns heute sowieso nichts mehr einfallen würde. Wir hatten noch genug Zeit bis zum Ende des Schuljahres.

„Hast du eigentlich einen Freund?", fragte ich sie, als wir unsere Sachen zusammenpackten, da es schon dunkel wurde.
„Nein.", antwortete sie knapp. Die meisten Leute, die bei dem See waren, gingen ebenfalls nach Hause.
„Vermisst du Leon eigentlich?", fragte sie mich und ich war etwas überfordert mit dieser Frage.
„Ich weiß nicht.", wir saßen uns noch einmal auf die Bank und betrachteten die Sonne beim Untergehen.
„Ich glaube, ich habe ihn nie wirklich geliebt. Jana, meine damalige beste Freundin, hat sehr viel dazu beigetragen, dass wir zusammenkamen. Sie hatte auch eine Freund zu der Zeit und wollte unbedingt Doppeldates planen.", gab ich überraschend zu.
„Ich denke, genauso gut wie man Gefühle verstecken und unterdrücken kann, kann man diese auch erzwingen und fälschen. Bei Traurigkeit ist das oft so. Du kannst deine ganze Traurigkeit unterdrücken und glücklich spielen, bis du wirklich glücklich bist. Somit hast du die Glücklichkeit erzwungen und die Traurigkeit unterdrückt.", sie drehte den silbernen Ring, der an ihren Ringfinger schmückte. „Doch ob diese Glücklichkeit wahre und pure Glücklichkeit ist, ist eine andere Frage."
Nach einigen Sekunden Stille antwortete ich.
„Ich weiß, was du meinst.", mein Herz fing an zu pochen und ich spürte meinen Herzschlag sogar in meinem Bauch.
„Ich habe noch niemanden davon erzählt und ich bin mir auch nicht sicher.", mich kostete es viel Überwindung ihr das zu erzählen.
„Manchmal denke ich mir, dass ich nicht auf Jungs stehe, sondern auf Mädchen."
Mit jeder Sekunde, in der ich auf eine Antwort wartete, wurde mein Herzrasen nur noch schneller.
„Soll ich dir zeigen, wie du dir sicher wirst, ob du auf Jungs, Mädchen oder auf beide stehst?",
Anna rückte näher zu mir und unsere Oberschenkel berührten sich.
„Ja.", antwortete ich verwirrt.
Anna legte ihre Hand auf meine roten Backen und ihre Lippen näherten sich meinen. Zuerst war ich verwirrt, doch dann wurde mir klar, was sie vorhatte und ich wurde nur noch nervöser.
Ihre Lippen hatten meine Lippen zärtlich gestrichen. Ich schloss meine Augen und achtete auf meine Gefühle, doch in mir herrschte nur ein Chaos. Ich fühlte alles zugleich und konnte meine Gefühle nicht zuordnen. Das schöne Mädchen küsste so leidenschaftlich, wie ich es nicht kannte. Ihre Lippen waren so ungewöhnlich weich und ich wollte mich nicht mehr von ihr lösen.
„Und?", fragte sie, als sie mich aufhörte zu küssen. Ich war mir nicht sicher was sie hören wollte und ich hatte Angst etwas falsches zu sagen.
„Habe ich dich so sprachlos gemacht?", sie lächelte mich an und wir saßen immer noch nah aneinander.
Ich nickte. „Ich weiß nicht, was ich jetzt sagen soll."
„Okay, dann probiere deine Gefühle zu ordnen und wenn du darüber schläfst, ist es dir bestimmt klar, ob du lesbisch, bi oder heterosexuell bist.", sie zwinkerte mir zu und ließ mich alleine hier am See auf der Bank sitzen. Erstens konnte ich es nicht fassen, dass sie einfach so ging. Zweites fragte ich mich, warum sie das getan hat und Drittens war ich jetzt noch verwirrter als vorher .

Die rosarote StadtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt