50

8 0 0
                                    

Leyla

Ruhig saß ich zwischen den ganzen Schülern und hörte den anderen zu, die ihre Kunstwerke vorstellten. Normalerweise würde ich jetzt meine Rede hundert Mal im Kopf durchgehen und nervös mit meinen Füßen auf den Boden treten, doch ich war entspannt. Nicht einmal eine Rede hatte ich vorbereitet. Mein Wunsch war nur, dass Anna hier wäre, denn sie würde bestimmt das Reden übernehmen und ich würde unauffällig im Hintergrund stehen. Sie hätte eine wundervolle Rede geschrieben, mit dieser sie jeden in dem Raum überzeugt hätte.
Die ersten zwei Mädchen hatten eine schöne Skulptur angefertigt. Sie war schon fast perfekt. Auf der Hölzernen Bühne schoben sie die Figur hinter dem Vorhang hervor.
Dürfen wir vorstellen: Das Blumenmädchen.", beide hatten Kleider verziert mit Sonnenblumen an. In diesem Moment fühlte ich mich mit meinem Hoodie fehl am Platz.
Das Mädchen aus Ton starrte in das Publikum. Nur bis zu den Schultern wurde sie angefertigt. Blumen ersetzten ihre Haare. Es schien jedes Detail perfekt zu sein. Sie erzählten etwas zu dieser Figur, wie sie entstanden ist und was ihre Inspirationen waren. Ich probierte etwas für meine Rede zu überlegen, doch mir fiel nichts gutes ein.
Als nächstes kam ein schmaler Junge und ein hübsches Mädchen auf die Bühne. Beide hatten eine große Leinwand in der Hand auf der ein Wald mit unzähligen Tieren zu finden war. Ihr Kunstwerk war genauso perfekt bis in das letzte Detail wie das vorherige. Mit meiner Collage fühlte ich mich nun mickerig. Ich hätte mir mehr Mühe geben sollen. Ich hätte diese wertvollen Bilder nicht einfach so auf ein weißes Blatt Papier klatschen sollen. An meinem Kunstwerk fielen mir plötzlich zu viele Sachen ein, die zu bemängeln wären. Nun fiel ich über die ganze Vorstellung der Landschaftsmalerei in ein Loch der Selbstzweifel. Ich wünschte, ich hätte noch etwas Zeit und könnte mein Kunstwerk verändern. Mein Wunsch ging aber nicht in Erfüllung, denn Herr Grüner holte mich hinter die Bühne. Mein kalenderartiges Kunstwerk war auf einem Metall Gestell befestig, sodass ich es nicht selbst halten muss, sondern hinausschieben kann.
Viel Glück.", Herr Grüner warf mir ein aufmunterndes Lächeln zu. Sein Lächeln strahlte eine es wird alles wieder gut" Atmosphäre aus. Das gefiel mir, denn ich ging mit einem besseren Gefühl auf die Bühne.
Als ich auf der Bühne stand, bereute ich es keine Rede vorbereitet zu haben. Mir schien nämlich jedes Wort fremd und unpassend.
Der Gedanke, dass Anna enttäuscht von mir sein wird, tieb mich dazu an, doch etwas zu sagen. Nach einigen Sekunden merkwürdiger Stille und verwirrter Gesichter von der Seite des Publikums, machte ich meinen Mund auf.
Dieses Kunstwerk hat den Titel: Die rosarote Stadt", meine Mutter saß in der ersten Reihe und schaute mich erwartungsvoll an.
Diese sonst so graue, hässliche Stadt verwandelt sich Abends und in den Morgenstunden in eine rosarote Illusion. Deshalb entschied ich mit meiner Freundin Anna diese Sonnenuntergänge in einem Moment festzuhalten. Erst mit dem zweiten Blick fallen einem die Graffittis auf.", mir fiel es nun leichter zu reden.
Ich vermute, dass die Graffitti-Künstler eine Botschaft in die Welt setzten wollen. Es scheint so, als wollen diese die Welt zu einem besseren Ort machen und Menschen zum Nachdenken anregen. Mit dem Schriftzug Die Vergänglichkeit der Erinnerung", wollen die Künstler Aufmerksamkeit auf Salvador Dalís Bild ziehen.", ich blätterte das Blatt um und es zeigte sich die nächste Seite, auf der viele Schroftzüge waren und man das Graffitti besser sah.
Die Menschen laufen mit verbundenen Augen durch das Leben. Sie übersehen die wunderschöne Kunst in dieser Welt. Das einzige was zählt ist arbeiten und Geld verdienen. Wir finden, dass Personen mehr hinterfragen und sich eine eigene Meinung bilden sollen. Mit Kunst geliegt dies gut. Man sieht ein Kunstwerk und bewertet innerhalb von Sekunden, ob es schön oder hässlich ist. Ein Kunstwerk hat nämlich die Möglichkeit eine Geschichte zu erzählen. Ein einziges Gemälde kann ein Buch mit dreihundert Seiten ersetzten.", nun war ich auf der letzten Seite angekommen. Dieses Bild von Anna sah einfach nur wunderschön aus und ich bemerkte, dass mein Kunstwerk das schönste war. Auch wenn ich nicht gewinnen sollte, wird kein einziges Kunstwerk dieser Welt meines übertreffen.
Anna hatte hauptsächlich die Ideen für unser Projekt. Sie erfüllte den Großteil der Arbeit. Sie strebte so sehr danach zu gewinnen und in diese Universität zu gehen.", es wurde außergewöhnlich still, als ich über sie redete.
Sie war mein rosanes, rotes, violettes Wunder. Es scheint so, als würden diese Farben nur ihr gehören.", ich wurde emotionaler als gewollt.
Als mir schließlich die Worte ausgingen, klatschten die Schüler. Mein Blick erfasste Herr Grüner, der mich hinter dem Vorhang hervorschauend mit einem Daumen hoch anlächelte.

Die rosarote StadtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt