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Leyla

„Warte mal!", ich lief dem schönen Mädchen, dessen Name ich nun kannte, hinterher.
Sie blieb in dem Treppenhaus stehen und wartete, bis ich zu ihr kam.
„Ich wollte mich nochmal dafür bedanken, dass du mich damals nach Hause begleitet hast."
Sie funkelte mich mit ihren dunkelbraunen, fast schwarzen Augen an.
„Kein Problem.", Anna lief weiter und ich lief ihr nach.
„Und wegen der Jacke, ich bring sie dir morgen!", ich fühlte mich schlecht und es war mir auch peinlich, dass ich ihre Jacke geklaut hatte.
„Passt schon.", sie ging die Treppen mit einem schnellen Tempo runter und ließ mich zurück.
Sie mag mich bestimmt nicht. Ich meine, ich würde eine Person, die meine Sachen einfach mitnimmt, auch unsympathisch finden. Ich wollte aber, dass sie mich mag, denn auch wenn ich sie nicht kannte, hatte sie etwas faszinierendes an sich. Außerdem könnte ich Freunde gebrauchen, nachdem ich meine beste Freundin Jana und meinen Freund Leon verloren hatte. Beide bestritten, dass sie rumgemacht hatten, doch ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass das keine optische Täuschung war. Schon immer hatte ich Angst, dass Leon mich betrügen wird. Dass ich nicht gut genug für ihn bin. Aber niemals hätte ich Jana zutrauen können, dass sie diejenige war, die sich mit meinem Freund einlässt. Beide waren ziemlich wütend auf mich nachdem ich sie konfrontierte. Sie warfen mir vor, dass ich so etwas nie von ihnen behaupten darf und fragten mich wie ich nur so von ihnen denken konnte. Nach unserem Streit hatte ich keinen Kontakt mehr zu Beiden. Als ich sie heute in dem Klassenzimmer miteinander sah, wurde mir klar, dass zwischen ihnen mehr als nur Freundschaft war. Die Art wie er meine ehemalige beste und einzige Freundin ansah, bekam ich nie zu Gesicht. Sie nervten sich gegenseitig und lachten miteinander. Natürlich saßen sie auch nebeneinander und ich saß in allen Fächern alleine, außer in Kunst. Aber dort sitzt auch eine Person neben mir, die mich wahrscheinlich nicht mag. Mir brach es das Herz beide so glücklich zu sehen, denn mir ging es scheiße und es kümmerte beide einen Dreck. Die Zwei waren die wichtigsten Personen für mich, abgesehen von meinen Eltern, und nun tat es weh zu sehen, wie egal ich ihnen bin. Gleichzeitig war ich auch so wütend auf mich, denn wie konnte ich mit so einem Idioten Jahre zusammen sein. Ich machte mir Vorwürfe, dass ich nicht früher Schluss gemacht hatte. Ich wäre dann nie im Leben so verletzt, wie ich jetzt bin. Ich frag mich auch, ob ich eines Tages überhaupt jemanden finde, der mich nicht ersetzen wird.

In Gedanken verloren stand ich immer noch wie in Trance in dem Treppenhaus während alle Schüler schon auf dem Weg nach Hause waren.
„Alles okay?", hört ich eine sanfte Stimme hinter mir.
„Ja.", ich wischte mir die Tränen aus dem Auge.
„Wenn was ist, weißt du, dass du zu mir kommen kannst."
Herr Grüner war im Moment meine Lieblingsperson auf dieser Schule. Er kümmerte sich als einziger um seine Schüler und bei ihm waren Noten nicht das Wichtigste.
„Sie sind wohl der Einzige, den es auf dieser Schule noch kümmert wie es mir geht.", gab ich überrascht zu.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass es deiner neuen Freundin nicht egal ist, wie es dir geht.", wir spazierten gemeinsam das Treppenhaus in Schneckentempo runter.
„Sie ist keine Freundin, ich hab ihre Jacke geklaut."
Herr Grüner verkniff sich das Lachen.
„Ach, mach dir über das keine Sorgen. Gib ihr die Jacke zurück und gut ist.", er blieb im ersten Stock stehen.
„Ich weiß nicht.", ich war unsicher.
„Mach dir nicht so viele Gedanken, Ley.", ich nickte nur.
„Bis morgen."

Es war immer schön mit diesem Lehrer zu reden, denn da er noch jung war, verstand er meine Probleme. Im Gegensatz zu den alten Lehrern hier, behandelte er mich wie eine Person, nicht wie ein Sklave.
Ich hatte diese Schule sowas von satt und schmiss mich Zuhause auf mein Bett, auf dem ich nach kurzer Zeit einschlief, denn ich verbrachte wiedermal die halbe Nacht damit, über Leon nachzudenken.
Auch wenn ich Schluss machen wollte und ihn eindeutig nie oder nicht mehr liebte, fühlte sich mein Herz gebrochen an. Freunde können das Herz auch brechen.

Die rosarote StadtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt