Anna
„Anna, darf ich dich was fragen?", Leyla blinzelte mich neugierig an, während ich in mein Notizbuch krizelte.
„Frag mich alles was du willst.", ich war neugierg.
„Wo wohnst du eigentlich? Du erzählst nie etwas über deine Familie, obwohl du meine kennst.", ihre rot lackierten Fingernägel kratzten an dem alten Holztisch.
„Meine Familie ist nicht gerade perfekt.", verlegen spielte ich an dem Haargummi rum, das an meinem Handgelenk befestigt war.
Sie wusste anscheinend nicht was sagen und blickte nur traurig in das Buch vor ihr.
„Die Bibliothek macht bald zu. Wir können nicht zu mir, weil meine kleinen Cousinen da sind und die machen eine Menge Lärm.", stellte Leyla fest.
„Wir haben aber noch gar nichts gemacht.", ich blickte aus dem Fenster, um die grauen Wolken über der verregneten Stadt zu sehen.
„Raus können wir auch nicht gehen, denn es ist kalt."
Kurz darauf fiel mir ein, dass meine Mutter heute bei ihrem neuen Freund schlief also konnten wir zu mir. Ich lud Leyla zu mir ein und sie freute sich mein Zuhause zu sehen, doch ich war nur ungerne in meiner Wohnung.
Nach circa zehn Minuten standen wir vor dem großen Wohnblock, in dem ich wohnte.
Das Gebäude war das Gegenteil von Leylas Haus. Es war einfach ein grauer Betonblock mit Graffitti an den Wänden und Müll im Hausgang.
„Tut mir Leid für den Schmutz.", ich schämte mich als wir die Treppen hoch zu meiner Wohnung gingen.
Als ich die Wohnung aufsperrte, hoffte ich, dass meine Mutter aufgeräumt hat. Zu meinem Glück standen wir dann in einer sauberen Wohnung. Zu peinlich wäre es, wenn überall leere Pizzakartons und Glasflaschen rumliegen würden.
Zusammen gingen wir in mein Zimmer und packten unser Arbeitsmaterial aus.
„Dein Zimmer ist echt cool.", stellte Leyla fest und bestaunte die Wände, die mit Poster von Bands und Bilder von schönen Abenden zugeklebt waren.
„Sind das deine Eltern?", fragte sie und zeigte auf das eingerahmte Bild ober meinem Schreibtisch.
Ich erinnerte mich wirklich gerne an diesen Abend zurück. Es war Weihnachten 2009. Mein Vater musste damals noch in einer Firma arbeiten und meine Mutter hatte frei. Ich schaute den ganzen Tag Weihnachtsfilme mit meiner Mutter und wir aßen Popcorn und Lebkuchen. Später machten wir dann Essen und warteten auf meinen Vater. Ich konnte es kaum erwarten die Geschenke auszupacken und meinen Vater zu sehen.
Er kam die Tür herein, verkleidet als Weihnachtsmann mit einem riesigen, verpackten Teddybär. Wir aßen noch, bevor ich die Geschenke auspacken konnte. Ich konnte es kaum erwarten. Mama hatte von Papa eine Kamera bekommen und probierte sie gleich aus. Mit dem Selbstauslöser stellte sie die Kamera auf das Regal und wir standen da, Arm in Arm in Weihnachtspullover, mit einem Lächeln im Gesicht und ein Funkeln in den Augen. Dieses Weihnachten war das Letzte Weihnachten, als alles noch in Ordnung war. Ich war einfach nur das glückliche Kind mit Eltern, die mich lieb hatten und sich um mich kümmerten. Doch manchmal gab es Momente in denen ich mich fragte,, ob sie mich überhaupt jemals lieb hatten oder ich einfach nur ein Unfall war.
Ich hasste den ganzen Dezember wegen Weihnachten, denn jeder war bei seiner Familie und ich saß meistens alleine mit einer Flasche Whisky in der Kälte. Die Straßen waren an Weihnachten immer Menschenleer und die Stadt schien fast ausgestorben zu sein.
„Alles okay, Anna?", ich schreckte auf und blickte in Leylas helle Augen.

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Die rosarote Stadt
RomanceImmer wenn Anna mit Leyla zusammen ist, verwandelt sich die sonst so graue Stadt in eine rosarote Metropole. Leyla will alles über Anna erfahren, doch diese hält ihre Geheimnisse tief verschlossen. Zwischen Sonnenuntergängen und Graffittis wollen b...