Anna
„Es wird wirklich langsam Zeit, dass ich mit deiner Mutter rede, Anna.", ich strich das Nutella am Brot ab.
„Man kann mit ihr nicht reden. Sie wird sofort aggressiv."
„Aber das kann nicht für immer so weiter gehen.", Leylas Mutter nahm ein Schluck von dem Kaffee.
„Ich weiß.", ich spielte mit dem Buttermesser herum, „Nach sechs Monaten, wenn ich den Abschluss geschafft habe, gehe ich, okay?"
„Sechs Monate sind aber noch lang."
Ich nickte.
„Ich überlege mir etwas."Ich erzählte Leyla daraufhin, dass ich befürchte ihre Mutter würde mich aus dem Haus schmeißen. Leyla meinte nur, dass sie das nicht tun würde und ich mir nur unnötig Sorgen mache. Dabei hatte sie Recht.
Am Abend, nachdem wir an unserem Kunstprojekt weiterarbeiteten, packte ich eine kleine Dose aus. Ich fragte Leyla, ob ihre Eltern noch Zuhause sind, daraufhin schüttelte sie den Kopf.
Das Graffitti, das wir oder bessergesagt ich heute kreiert habe, schmückte einem Zug. Es war sehr knapp, dass mich die Sicherheitskräfte festgehalten haben und ich eine Anzeige bekommen hätte. Ich mochte den Nervenkitzel, doch Leyla schien ängstlich und besorgt, dass wir Ärger bekommen.
Ich freute mich schon darauf das Projekt vorzustellen, aber war mir gleichzeitig auch sicher, dass wir es verbessern müssen, denn sonst werden wir niemals gewinnen.„Rauchst du mit?", ich blickte auf das leere Pape vor mir.
„Ich habe noch nie.", ihr Gesicht schimmerte in einem leichten rot Ton.
„Ich will dich zu nichts zwingen.", ich drehte den Joint.
„Okay.", ich wusste nicht, ob sie „okay" zu dem Rauchen sagte oder zu meiner vorherigen Aussage. Auf jeden Fall setzte sie sich mit mir und ein paar Decken auf den Balkon und wir blickten in die Sterne. Der vertaute Geruch machte mich glücklich. Ich dachte zurück an die Tage, an denen ich fast jeden Tag gekifft habe, weil mich alles so genervt hat. Nach einigen Zügen begannen sich meine Muskeln leicht anzufühlen. Wie ich dieses Gefühl vermisste. Schließlich reichte ich Leyla den Joint und sie zog daran. Sobald sie den Rauch auspusten konnte, begann sie zu Husten. Sie trank daraufhin das Wasser und nahm noch ein paar Züge.
„Schau mal die Sterne an!", bemerkte Leyla und zeigte mit ihrem Zeigefinger in den klaren Sternenhimmel.
„Krass, oder?", ich konnte nicht aufhören zu grinsen und die Schmetterlinge in meinem Bauch machten Backflips. Ich saß nämlich gerade mit der Liebe meines Lebens auf dem Balkon und sah in die Sterne. Etwas schöneres gibt es nicht.
„Es ist unglaublich, wie schön die Welt eigentlich ist.", ihre Stimme klang sehr emotional und weich.
Ich nickte und sah zu Leyla. Ihre grünen Augen mit den süßen Lachfältchen leuchteten voller Freude und Begeisterung in der Dunkelheit.
„Schau erst einmal wie schön die Stadt ist.", bemerkte sie.
Ich musste lachen, denn ich fand es witzig, wie sie alles so faszinierend fand. Es erinnerte mich an mich früher. Ich fand meine Faszination an der Kunst durch das Cannabis.
„Alles überwältigt mich gerade.", in den Decken eingepackt saß sie festgeklebt in ihrem Stuhl.
Wir saßen einige Minuten oder auch Stunden dort. Ich hatte jedliches Gefühl für Zeit verloren.
„Was denkst du, passiert nach dem Tod?", sie warf die Frage einfach so in den Raum. Ohne Vorwarnung für ein tiefgründiges Gespräch. Erschrocken von der Frage musste ich zuerst einmal überlegen.
„Willst du wissen, was ich glaube oder hoffe?"
„Beides.", sie schaute mich, nachdem sie ununterbrochen auf den Sternenhimmel gestarrt hat, an.
„Ich glaube, wir werden einfach in ein großes Nichts katapultiert. Weißt du, nichts ist nicht einmal so schlecht. Irgendwie würde ich es auch gut finden, wenn Nichts wär. Es gäbe keine Schmerzen, keine Angst, aber bedauerlicherweise auch keine Freude. Du hättest keine Pflichten und..."
„Das gefällt mir nicht.", unterbrach sie mich. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es nichts gibt. Es gibt so viel, also geht es theoretisch nicht, dass es nichts gibt."
Ich war verwirrt und wusste nicht genau, wovon sie redete.
„Ich hoffe, dass ich in einen Ort voller Liebe komme, wo es keine Regeln und Gesetze gibt. Jeder kann machen, was er will und wird so akzeptiert, wie er ist. Plötzlich sehe ich dich dann zwischen den schönen Blumenwiesen und Sternschnuppen."
Es herrschte einige Minuten Ruhe.
„Ich glaube, jeder wird dorthin gehen, woran er glaubt, denn die menschliche Seele bildet sich ihre Umgebung selbst. Christen werden in den Himmel aufsteigen, Buddhisten werden wiedergeboren und Atheisten landen in ihrem Nichts.", platze aus Leyla heraus. Ihre Worte machten mich nachdenklich und wir philosophierten noch etwas länger über das Leben, die Liebe und den Sinn.
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Die rosarote Stadt
RomanceImmer wenn Anna mit Leyla zusammen ist, verwandelt sich die sonst so graue Stadt in eine rosarote Metropole. Leyla will alles über Anna erfahren, doch diese hält ihre Geheimnisse tief verschlossen. Zwischen Sonnenuntergängen und Graffittis wollen b...