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Anna

Nachdem mich Leylas Mutter aus dem Haus geschmissen hatte, stieg ich in mein Auto und fuhr los. Ich fuhr einfach ziellos in der Gegend herum, bis mich die Müdigkeit dazu brachte auf einem Parkplatz anzuhalten. Ich wollte nicht schlafen, doch da es schon Mitten in der Nacht war, fielen meine Augenlider quasi von selber zu. Meine Augen brannten zudem noch, da heulen und dauern auf die Straße schauen keine gute Kombination ist. Außerdem macht weinen wirklich müde. Früher als ich so viel weinte, bis keine Tränen mehr kamen, schmiss ich mir ein paar Schlaftabletten ein und schlief für die nächsten Stunden tief und fest. Ich überlegte mir einfach alle Schlaftabletten jetzt zu schlucken, denn dieses Jahr in dem ich clean von Tabletten und chemischen Droger war, brachte mir schlussendlich nichts. Klar bin ich ein bisschen besser und motivierter in allem geworden, aber ich vermisse die alten Zeiten schon, da mich diese Substanzen immer so glücklich gemacht hatten.
Die Leute beschimpfen mich hier sogar als Junkie, obwohl ich schon aufgehört habe diese Scheiße zu konsumieren.
Jeder unteilt sofort ohne überhaupt über tieferen Gründe oder ob es die Person verletzt, nachzudenken. Das nervt mich so verdammt in dieser Gesellschaft.
Da ich zu müde war, beschloss ich einfach zu schlafen und morgen über alles nachzudenken.

Das Hupen eines LKWS riss mich urplötzlich aus meinem traumlosen Schlaf. Verwirrt schaute ich mich in der fremden Umgebung um, bis ich realisierte, was gestern passierte.
Ich holte mein Handy aus der Jackentasche, um schließlich festzstellen, dass jenes kein Akku mehr hatte.
Ich bekam Hunger, deshalb beschloss ich zu dem nächsten Supermarkt zu fahren. Dort kaufe ich mir etwas zu Essen, ein Ladekabel, welches ich schlussendlich sowieso nicht benutzte und eine Landkarte.
Auf altmodische Weise saß ich in meinem Auto, aß den Toast und studierte die Landkarte. Wie sich herausstellte, war ich nicht weit von dem Meer entfernt. Mir kam die Strecke sowieso von irgendwoher bekannt vor. Die schönsten Tage meines Lebens verbrachte ich nämlich auch dort am Meer mit der Liebe meines Lebens. Ich fuhr nicht ziellos durch die Gegend. Ich hatte mein Ziel und das war das Meer. Durch die dunkle Wolkendecke brach endlich ein Stück Licht. Die Sonne ließ den nassen Asphalt schnell trocknen.
Ich konzentrierte mich die ganze Fahrt lang auf die Straße, um nicht an Leyla zu denken. Mein Ort zum Denken war nämlch das Meer. Es scheint so, als würde dir dieser unendliche Ausblick in das blaue genug Platz für deine Gedanken und Gefühle gibt. Deshalb fühlen sich so einige frei in der Nähe des Meeres.
Im Endeffekt befand ich mich einige Minuten später auf eine dieser atemberaubenden Klippen. Ich war nicht auf dem gleichen Platz, wie ich mit Anna war. Leider musste ich den steilen Felsen hinaufklettern und schnitt mir ausversehn mein Oberarm auf. Es brannte, doch es tat gut. Es tat gut, zu wissen, dass ich hier bin und lebe. Von der schmalen Klippe aus, welche vom Rest der Landschaft sozusagen abgeschnitten war, sah ich mein schönes Graffitti. Vor mir befand sich das Wasser, welches mit enormer Wucht gegen den Felsen schlug. Von hier aus sieht alles so viel anders aus, als von dort drüber. Man könnte denken, ich würde mich an einem anderen Ort befinden, obwohl die Stelle mit dem Graffitti nur einige Meter entfernt war.
Alles wirkte viel enormer und mächtiger. Der Nordwind wehte mir meine Haare in das Gesicht und verpasste mir Gänsehaut.
Ich wusste nicht, ob ich zitterte, da es so kühl war, oder, da ich Angst hatte.
Angst vor der Zukunft.
Angst Leyla zu verlieren.
Angst obdachlos zu sein.
Angst zu versagen.
Angst zu existieren.
Angst zu sterben.
Angst die Kontrolle zu verlieren auf dieser hohen Klippe.
Mit hundertprozentiger Sicherheit kontne ich sagen, dass ich tot wäre, wenn ich mich nach hinten fallen lassen würde. Nur wenige Schritte war ich von dem Abgrund entfernt. Ich spürte die Präsenz des Todes. Seine Anwesenheit war an diesem magischen Ort eindeutig sehr zu spüren. Vielleicht sind die Menschen hier so glücklich, weil sie nicht nur das Leben leben sondern auch den Tod.
Die Unsicherheiten und Selbstvorwürfe zerfraßen mein Kopf. Ich fühlte mich schwer und nutzlos. Es fühlt sich so an, als hätte ich versagt. Junkie mit einem Vater, der im Gefängnis sitzt und eine Mutter, die sich ein Scheiß um mich künmert. Die Chancen für die Zukunft stehen super für mich. Diese Gesellschaft will keine verlierer und schwachen Menschen. Man muss normal und anpassungsfähig sein, um zu dieser Gesellschaft zu gehören.
Ich zum Beispiel könnte jetzt einfach die Schwerkraft ihre Arbeit tun lassen und ein besseres Zuhause finden.

Die rosarote StadtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt