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Leyla

„Beruhig dich.", die Arme ließen Anna immer noch nicht los. Sie trat mit den Beinen auf alles, was ihr im Wege stand. Wahrscheinlich wollte sie den Mann treffen. Was sie jedoch nicht bemerkte war, dass dieser nach unserem Augenkontakt sofort in der Menschenmenge untertauchte.
„Wenn jemand etwas gegen mich sagt, ist es okay, doch wenn jemand etwas gegen meinen Engel sagt, muss ich einfach reagieren.", behauptete sie nachdem sie sich beruhigt hatte und wieder alleine stehen konnte.
Immer noch gelähmt von dem Schock stand ich neben ihr und beobachtete ohne ein Wort zu sagen, das Geschehen.
„Das war einfach nur ein dummes Arschloch, mach dir nichts draus.", mit einem Klopfen auf Annas Schulter und einem netten Lächeln verließ uns Mark.
Verwirrt schaute ich Anna an.
„Weißt du noch, als ich mit dir in die Bar gegangen bin?", fragte sie mich. Ich nickte.
„Ist dir dort etwas aufgefallen?", ich schüttelte meinen Kopf.
„Das war eine Lgbtq Bar.", einige Minuten brauchte mein Gehirn um zu erfassen, auf was sie hinaus wollte.
„Ich habe Mark dort früher schon einmal getroffen und es war mir sehr unangenehm. Er sprach mich dann darauf an und alles war in Ordnung. Als ich Probleme hatte, redete ich öfters mal nach dem Kunstunterricht mit ihm und er ist wirklich nett.", mein Gehirn arbeitete gerade in Slowmotion. Es lag vielleicht am Alkohol, an der vorherigen Situation oder einfach an beidem.
„Jedenfalls hat er deshalb gerade eigenriffen und mir geholfen.", sie holte noch eine Bierflasche aus dem Rucksack und öffnete sie mit dem blauen Feuerzeug.
„Jetzt weißt du zu wem du gehen kannst, wenn du Probleme hast.", mit einem Zwinkern nahm sie mich an der Hand und wir spazierten zu mir nach Hause.
„Jetzt muss du mir aber auch sagen, was das gerade war. Warum dieser Mann so ausgezuckt ist.", ich ging schon davon aus, dass Anna wusste, wer der Mann war, aber sagte ihr trotzdem den Namen.
„Noch nie zuvor hatte ich ihn so gesehen. Klar, er war manchmal aggressiv, doch nicht so! Er behandelte Leon eigentlich immer gut, als wäre er der beste Sohn.", ich nahm einen tiefen Atemzug der vernebelten Luft, um mich zu beruhigen. Die Feuerwerke ließen die Luft verbrannt riechen.
„Entschuldigung, dass ich das jetzt sage, aber er ist ein Arschloch.", sie drückte meine Hand fester. „Gut, dass du mit ihm Schluss gemacht hast."
„Ja, ich bin aber gerade wirklich geschock. Meinst du, seine Frau hat sich von ihm getrennt oder warum war er gerade so aggressiv?", ich klang wie ein kleines Kind.
„Manche Menschen sind einfach von Grund aus assozial und erhalten ihre schöne Fassade Zuhause, bei der Familie und im Job aufrecht. Alkohol bringt sie dazu diese Fassade fallen zu lassen. Ich denke, er war einfach nur zu betrunken und ist ein assozialer Mensch.", ihre Worte klangen so weise, als könnten sie von einer älteren Dame stammen.
„Vielleicht."
Da meine Eltern schon schliefen, beobachteten wir am Balkon die verschmutzte Stadt. Krass was Silvester für ein Schmutz freisetzt.
„Hast du einen Vorsatz?", fragte Anna und unterbrach somit das Schweigen.
„Nein.", ich nahm ein Schluck von dem Bier.
„Ich mache mir nie Vorsätze zu Silvester."
„Ich auch nicht.", der Lärm der Stadt wurde immer leiser und die Raketen weniger. „Ich finde Vorsätze dumm. Die meisten halten es sowieso nicht ein."
„Warum sollte man im nächsten Jahr ein besserer Mensch werden, wenn man sich auch jeden verdammten Tag im Jahr aussuchen kann, um besser zu werden.", fügte ich hinzu.
„Viele denken, dass das neue Jahr ein Neustart ist, weil sich die letzte Ziffer des Datums ändert. Menschen sind aber kein Datum und ändern sich nicht von alleine.", ihre Finger steckte sie zwischen das Gitter von dem Balkon.
„Ich verstehe es nicht. Am einunddreißigsten Dezember um 23:59 sind sie immer noch am selben Ort, in der selben scheiß Stadt, mit den selben Personen und dem selben langweiligen Job, wie am ersten Jänner um 00:01.", meine Hand überdeckte meinen Mund, denn ich klang viel mehr anti-Alles, als ich es wollte. Doch wenn man betrunken nicht das sagen kann, was man will, wenn dann?
„Du hast Recht, mein Engel.", sie ließ das Gitter los und legte ihre Hand auf meinen Oberschenkel. „Uns kann aber egal sein, was der Rest der Welt macht, solange wir uns lieben und glücklich sind."
Ein Gähnen regte uns dazu an ins Bett zu gehen, denn die Sonne ging schon auf und ließ die dreckige Stadt in voller Pracht strahlen. Überall lag Müll von Raketen und leere Flaschen. Die Häuser umhüllte eine dicke Schicht Nebel. eine Dieser Morgen war das Gegenteil von schön und ästhetisch. Wir hatten sowieso noch genug Tage Zeit für schöne Sonnenaufgänge und gute Gespräche.

Die rosarote StadtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt