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Leyla

„An was denkst du?", ich strich ihr schwarzes langes Haar aus dem Gesicht.
„Willst du das wirklich wissen?", fragte sie und nahm einen Zug von ihrer Zigarette.
Ich nickte woraufhin sie angestrengt schaute.
„Ich wünsche mir wirklich für dieses Jahr, dass ich an der Kunstuniversität angenommen werde und wir das Projekt gewinnen.", das grelle Licht der Raketen war das einzige, welches die dunkle Nacht erhellte.
„Aber?"
„Das was wir bis jetzt geliefert haben ist zu schlecht.", ihre schwarzen Augen reflektierten die Lichter.
„Ich finde, wir haben gute Arbeit geleistet.", sie drückte ihre Zigaretten auf dem Waldboden aus und legte den Stummel zurück in die Schachtel.
„Gut.", sie nahm einen tiefen Atmezug. „Gut ist aber nicht gut genug. Ich vertrau dir jetzt etwas an, okay?", ich nickte und rutschte auf der Holzbank näher zu ihr.
„Ich habe einfach nur verdammt Angst. Ich will nicht wie meine Eltern enden. Ich will etwas erreichen in meinem Leben und eine gute Arbeit bekommen und vielleicht sogar eine eigene Familie gründen. Ich will nicht, dass meine Mutter Recht hat in dem was sie von mir behauptet. Ich will ihr zeigen, dass sie falsch liegt, indem sie sagt, ich wäre ein Versager, so wie mein Vater und würde nie etwas auf die Reihe bekommen.", sie nahm meine kalte Hand und wärmte sie in ihrer. „Deshalb ist es mir wirklich verdammt wichtig dieses Projekt zu gewinnen und etwas schönes zu kreieren, das jeden umhauen wird. Ich will wirklich in die Universität, mit dir zusammen. Das ist doch das einzige, was ich in diesem Leben will."
Sprachlos saß ich neben ihr. Es war gut, dass sie einmal sagte, was sie denkt und ihre Gefühle nicht hinter tausend Mauern versteckte. Diesmal war ich mir sicher, dass sie es so meinte, denn als sie mir von ihren Plänen erzähle, war verdammt viel Emotion in ihrer Stimme erhalten.
„Wir schaffen das, okay. Ich werde dir helfen und dich nie verlassen.", mein Arm lag auf ihrer Schulter. „Das was dir wichtig ist, ist für mich auch verdammt wichtig und ich will, dass du glücklich bist. Dass wir zusammen glücklich sein können.", sie nahm mich in den Arm und flüsterte ein „Danke.", in mein Ohr.
Ich wollte mich wirklich bemühen, dieses Projekt zu verbessern und eine gute Idee aufbringen.
Zwei Raketen holte Anna aus ihrem Rucksack. Sie trank noch den letzten Schluck von ihrem Bier aus und stand auf.
„Wir wollen doch nicht, dass der Wald abbrennt, also komm.", an meiner Hand zog sie mich von der Bank auf und wir gingen weiter in die Stadt hinein.
„Wünsch dir was, okay? Das ist nämlich deine Rakete.", die Bierflasche stand schon auf dem eisigen Boden, als Anna die Rakete anzündete und zu mir lief. Nach einem lauten Schnall, zeichneten sich in den vernebelten Himmel hellblaue Funken. Natürlich konnte ich an nichts anderes denken, als an Anna. Wortlos zündete sie noch eine Rakete an, die für sie bestimmt war. Nun war sie an der Reihe sich etwas zu wünschen.
„Was hast du dir gewünscht?", erkundigte ich mich neugierig, nachdem die schönen violetten Funken verblassten.
„Engel, wenn ich es dir verrate, geht mein Wunsch doch nicht in Erfüllung.", sie legte sanft ihre Hand auf meine Wange.
„Du hast Recht.", ich wollte ihren Wunsch trotzdem wissen.
In Mitten der unzähligen Menschen, die das neue Jahr feiern und sich große Vorsätze machten, liebte mich Anna. Das war alles, was ich wollte. Ihr Körper an meinen geschlungen und unsere Lippen aufeinander.
Ein plötzlicher lauter Krach ließ uns auseinander gleiten.
„Scheiß Lesben." waren die Worte, die aus dem Mund eines betrunkenem Mannes kamen. Die Scherben der Bierflasche verzierten den Asphalt vor unseren Füßen. Fassungslos blickten wir dem braunhaarigen Mann in die Augen.
„Leck mich doch.", Anna nahm meinen Kopf, zog ihn zu ihrem und küsste mich noch einmal, nur diesmal leidenschaftlicher. Währenddessen zeigte sie dem älteren Mann demonstrativ den Mittelfinger. Ich hörte Menschen, die um uns herum applaudierten.
Als wir uns nach dem Kuss, der aus einem Film sein konnte, gelöst hatten, sah ich in meinem Augenwinkel Mark Grüner, der ebenfalls klatschte.
„Ich seh schon, du bist der Mann bei euch.", der Betrunkene packte Anna am Kragen und machte große Augen.
„Lass es!", ich probierte seinen Arm von Annas schwarzem Pullover wegzuzerren, doch erfolglos. Seine einzige Reaktion darauf war ein Lächeln.
„Und für diese hässliche Schlampe hast du meinen Sohn verlassen?", beim Reden spuckte er Anna ins Gesicht. Erst nach diesem Satz erkannte ich den Mann und ich spürte ein Stich in meinem Herzen. Er ließ Anna mit voller Wucht auf den Boden fallen und drehte sich zu mir.
„Leon hat so oder so etwas besseres verdient als dich, du Miststück!", so hatte ich seinen Vater noch nie gesehen. Er verhielt sich wie ein zwölf-jähriger Junge mit Aggressionsproblemen.
Als ich eine Sekunde wegschaute, um mich wieder zu beruhigen, tropfte Blut auf den Boden. Der Mann wischte mit seiner Hand das Blut unter seiner Nase weg. Anna holte noch einmal aus und wollte zuschlagen, doch jemand hielt sie fest. Ich stand nur nutzlos daneben und starrte in die geweiteten Pupillen des Mannes, die buchstäblich das Böse wiederspiegelten.

Die rosarote StadtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt