Böses Erwachen | 2

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Ich wurde davon wach, dass sich die Matratze unter mir wölbte. Noch im Halbschlaf spürte ich eine  Hand, die mir zärtlich über die Wange strich und ich musste unwillkürlich lächeln. Doch der süße Schlaf zog mich zurück in seinen Bann und so kam es, dass ich noch einige Minuten vor mich hin döste, bevor ich mich entschloss, offiziell aufzuwachen und meine Augen öffnete.

Ich blinzelte gegen die Helligkeit an und stellte fest, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich war. Erst nach einigen Sekunden erinnerte ich mich an die letzte Nacht, woraufhin das Lächeln zurückkehrte  und ich mich wieder in das Kissen sinken ließ. Ich drehte meinen Kopf, doch Vincent war verschwunden. Hinter der geschlossenen Badezimmertür hörte ich das Wasser der Dusche plätschern.

Ich fuhr mir über das Gesicht und spürte hinter meiner Schläfe die Nachwirkungen des Alkohols pochen. Nur ein wenig, so viel war es gestern nicht gewesen, aber hinzu kam, dass ich heute Nacht kaum geschlafen hatte. Wieder musste ich unwillkürlich grinsen. Eigentlich ließ ich mich nicht auf solche Dinge ein, aber verdammt, es fühlte sich nicht einmal falsch an. Vincent hatte etwas an sich, das mich faszinierte und gleichzeitig dazu brachte, mich wohl zu fühlen. Ich genoss es, dass er es intellektuell mit mir aufnehmen konnte und so hatte auch alles angefangen. Mit einem Schlagabtausch. Es kam nicht oft vor, dass mir jemand die Stirn bot und mir war erst gestern aufgefallen, wie sehr mir das gefiel. Und als würde ihn das alleine nicht schon attraktiv genug machen, war er weder arrogant noch oberflächlich. Bis tief in die Nacht hatten wir uns unterhalten, dann waren wir zu ihm gefahren.

Mein Blick fiel auf unsere Klamotten, die überall verstreut in der Wohnung herumlagen. Sie war nicht groß, aber dafür hell, schlicht und modern. Sein Palettenbett lag auf einer etwas erhöhten Ebene und sein kleiner Tisch, der in der Einbauküche stand und nur zwei Stühle hatte, verriet mir, dass er nicht viel Besuch hatte. Die etwas spartanische Einrichtung war für mich ein wenig ungewohnt, aber ich fühlte mich sofort wohl.

Ich drehte mich auf die Seite und kuschelte mich nochmal in das Kissen, als etwas auf seinem Nachttisch meine Aufmerksamkeit erregte. Es sah ein bisschen aus wie ein dünner Geldbeutel aus schwarzem Leder und mein Herz setzte aus. Kurz schaute ich zur Badezimmertür, dann klappte ich die Lederbörse auf und das goldene Stück Metall leuchtete mir fast spöttisch entgegen.

Gequält schloss ich die Augen. „Shit", murmelte ich, während ich noch einmal den Ausweis durchlas. Special Agent Vincent Nash, FBI. Auf dem Foto sah mir aus den braunen Augen Vincents perfektes Gesicht mit den dunkelbraunen Haaren entgegen, von denen ihm einige Strähnen in die Stirn fielen. Ich erwischte mich dabei, wie ich fast sehnsüchtig auf seine Lippen starrte, die nur einige Meter entfernt im Badezimmer waren. Trotzdem zwang ich mich, mich von dem Gedanken loszureißen. Stattdessen wurde mir schlagartig bewusst, dass ich hier schleunigst verschwinden musste. Sofort. 

Vorsichtshalber wischte ich meine Fingerabdrücke von der Börse, bevor ich seine Marke genau so zurücklegte, wie sie vorher gelegen hatte, und mich aufsetzte. Mit dem Laken um meinen nackten Körper gewickelt, stieg ich aus dem Bett und begann auf Zehenspitzen meine Kleidung und meinen Hut aufzusammeln. Warum musste er ein verfluchter Bundesagent sein? Warum musste so etwas ausgerechnet mir passieren? Andererseits war dieser Mann einfach zu gut um wahr zu sein. Irgendeinen Haken gab es immer.

Als ich mich angezogen hatte, nahm ich meine Schuhe in die Hand und schlich zu der Tür. Ein letztes Mal warf ich einen Blick auf die geschlossene Badezimmertür. Mein Verstand schrie mich an, dass ich gehen sollte, doch mein Herz, von dem ich nicht gedacht hatte, dass es überhaupt noch etwas zu melden hatte, rebellierte. Ich ignorierte es. Wie jedes Mal. Schließlich schloss ich die Tür hinter mir und diese Geste hatte etwas endgültiges. Ich wusste, dass ich ihn vergessen musste und das hier überhaupt nicht hätte passieren dürfen. Niemals. Aber es war passiert. Und jetzt setzte auch die Reue ein. 

Criminal - Krieg der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt