Am nächsten Tag schien Cat wieder ganz die Alte zu sein, aber ich wusste es besser. Sie war schon immer eine gute Schauspielerin gewesen. Ich sagte jedoch nichts. Auch die Art und Weise wie sie arbeitete, war anders. Sie hängte sich voll rein und die Trauer und Wut spornten sie zu Höchstleistungen an. Innerhalb eines halben Tages war sie wieder bestens über meine Organisation informiert und hatte alles im Griff. Sie war eine unglaublich gute Organisatorin und ich bewunderte sie immer wieder dafür, mit welcher Leichtigkeit sie alles managte.
Abends hatte ich sie dann aus ihrer Wohnung geholt und zum Essen eingeladen, doch selbst dort ließ sie die Arbeit nicht los. „Was ist mit der Versteigerung?", fragte sie auf dem Rückweg zu meinem Apartment, „Willst du das wirklich so machen?"
„Cat, wenn ich eins weiß, dann, dass es Millionären und Milliardären schrecklich langweilig ist. Die lieben das Drama und den großen Auftritt. Und genau das werde ich ihnen bieten. Außerdem ist es praktisch."
„Du bist auch stinkreich", grinste sie.
„Mag sein, aber mir ist nicht langweilig. Ich habe genug zu tun."
Wir betraten die Eingangshalle und wollten gerade in den Lift steigen, als mich Wallace Jensen zu sich rief. „Miss Everton!"
Ich ging zu der Theke, hinter der er stand. „Ich soll Ihnen etwas übergeben", sagte er und ich runzelte die Stirn.
„Mir?"
„Ja, ein junger Mann war vorhin hier und sagte, ich solle Ihnen das hier geben." Ein seltsames Lächeln lag auf Wally Lippen, als er das Etwas hervorholte und mir übergab.
Es war eine vollkommene, blutrote Rose.
Mein Herzschlag beschleunigte sich, gleichzeitig schoss mir die Röte in die Wangen.
„Es freut mich für Sie, Miss Everton. Wirklich. Er schien mir sehr sympathisch zu sein", meinte der Portier.
Lächelnd nahm ich die Rose entgegen. „Danke, Wally." Dann huschte ich schnell zu Cat in den Aufzug, die die Türen für mich aufgehalten hatte.
„Was wollte er von dir?"
„Ach, es hat nur jemand etwas für mich abgegeben", sagte ich und versuchte möglichst unbeteiligt zu wirken. Die Rose versuchte ich mit meinem Körper abzuschirmen. Es ging Cat schließlich nichts an. Doch selbstverständlich wurde sie misstrauisch, was vielleicht auch daran lag, dass ich inzwischen so rot wie die Rose selbst war.
Sie sah mich an und ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus, nachdem sie sich vorgebeugt und die Blume entdeckt hatte. „Ist das etwa das, was ich denke?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, was du denkst, das es ist."
Allerdings vergrößerte das ihr Grinsen nur noch. „Wow. Ich habe doch wesentlich mehr verpasst als ich dachte. Wer ist er?"
Ich schüttelte den Kopf und strich über das samtige Blatt der Pflanze. „Ich bin mir noch nicht sicher wie die Sache... ausgeht."
„Verrate mir wenigstens seinen Namen", bettelte sie.
Zum Glück rettete mich der Fahrstuhl, der im obersten Stockwerk ankam. Die Türen schwangen auf und ich trat schnell hinaus in den Flur um der winzigen Kabine zu entkommen.
Cat folgte mir in mein Apartment und ich spürte ihre Blick in meinem Rücken brennen. Drinnen legte ich meine Sachen ab, ging gleich in die Küche und füllte eine schmale Vase mit Wasser.
„Was meinst du damit, dass du dir noch nicht sicher bist wie die Sache ausgeht?", hakte Cat weiter nach.
Ich seufzte. Ich meinte damit, dass ich nicht wusste, ob er mich nicht irgendwann mal verhaftete. Und Cat vielleicht gleich mit. „Es ist kompliziert."
„Wann ist es das nicht?"
Ich ging zu dem Steinway-Flügel und stellte die Vase mit der Rose darin darauf ab. Sie sah irgendwie einsam und traurig auf dem glänzenden, schwarzen Holz aus, aber ich fand, sie passte nirgends besser hin.
Schließlich drehte ich mich zu Catalina um und sah sie an. „Er hat keine Ahnung wer ich bin, okay? Und das alles ist einfach so schrecklich neu für mich. Die Wahrheit ist, dass ich selbst nicht weiß, was ich überhaupt tue."
Verständnisvoll nickte sie. „Dann lass dir Zeit."
Ich wusste nicht, auf was genau sie diesen Rat bezog, aber er war in jedem Fall gut.
Dann klatschte sie plötzlich ein Mal in die Hände. „So. Mir fällt gerade ein, dass ich noch etwas erledigen muss. Ich werde dann gehen."
Ich nickte und verabschiedete mich von ihr. Ich konnte mir denken, dass das nur ein Vorwand war, mich alleine zu lassen, damit ich eventuell sogar meinen Liebsten anrufen konnte. Ich würde das nicht berichtigen und verabschiedete mich daher. Als sie die Tür geschlossen hatte, fuhr ich mir durch die Haare. Es war nicht so, dass ich mich nicht freute, dass sie wieder da war oder sie nicht vermisst hatte, aber manchmal war es einfacher mit seinen Problemen alleine zu sein.
Ich ließ mich auf die Couch fallen, schaltete den Fernseher an und klappte den Laptop auf meinem Schoß auf. Meine Beretta zog ich aus meinem Hosenbund und legte sie neben mich. Als ich von Chips meine Zahlen bekommen hatte, hatte ich bemerkt wie viele Schätze ich inzwischen angesammelt hatte. Ich hatte lange genug gewartet bis sich der Rummel um die einzelnen Kunstgegenstände gelegt hatte und war nun bereit sie zu verkaufen, was ich auf einer Versteigerung tun wollte. Und da demnächst ein Maskenball à la Rudolfina-Redoute in dem Opernhaus stattfand, nutzte ich die Gelegenheit. Dort würde sich alles treffen, was in der Stadt Rang und Namen hatte und auch ein paar Politiker und Stars sollten dort erscheinen. Kurz gesagt, alles was Geld hatte. Darunter einige meiner Kunden. Dafür würde ich sorgen.
Ich schickte Cat eine E-Mail mit allen Namen, die eine Einladung für die Versteigerung erhalten sollten und den Auftrag für den Abend des Balls einen Raum im Opernhaus zu mieten. Das würde zwar nicht einfach werden, aber wenn das jemand hinbekam war es Cat. Um meine Einladung für den Ball an sich würde ich mich selbst kümmern. Es bekam zwar nicht jeder eine Karte, aber ich hatte Geld und dank meiner vielen einflussreichen Freunde würde das kein Problem sein.
Nachdem ich die Mail abgeschickt hatte, klappte ich den Laptop zu und griff stattdessen nach der Post, die ich heute Morgen bekommen, aber noch nicht geöffnet hatte. Gelangweilt ging ich die Briefumschläge durch, die fast alle von Banken oder Versicherungen waren oder bei denen es sich um Rechnungen handelte. Schließlich blieb ich bei einem Umschlag ohne Absender hängen. Ohne darüber nachzudenken, riss ich ihn auf und entfaltete das Papier. Ein Schauer lief mir über den Rücken als mir die Tarot-Karte in den Schoß fiel. Eigentlich sollte ich inzwischen daran gewöhnt sein, doch sie erinnerte mich nicht nur daran, dass ein zweifacher Mörder meiner Adresse kannte, die Botschaft war dieses Mal wesentlich eindeutiger.
Die Karte hieß „Der Tod" darauf abgebildet war ein weißes Pferd mit roten Augen. Sein Reiter in silberner Rüstung trug eine Fahne mit einer weißen Blume auf schwarzem Untergrund. Das Visier des Helms war geöffnet, sodass man das Gesicht des Reiters sehen konnte. Es war ein Skelett und sollte wohl den Tod personifizieren. Neben dem Pferd waren außerdem zwei Kinder, die auf dem Boden knieten und ein Priester, der die Hände zum Gebet gefaltet hatte. Im Hintergrund ging gerade die Sonne zwischen zwei Türmen auf, aber das ausschlaggebende war die Leiche, über die das Pferd gerade hinweg stieg. Es war die eines Königs, was wohl sagen sollte, dass nicht mal ein König mächtiger als der Tod war. Ich wusste nicht ob ich zu viel dahinein interpretierte, aber ich war mir sicher, dass der König mich darstellen sollte. Dieses Mal stand die Karte wohl für meinen Herausforderer und der schien niemand geringeres zu sein als der Tod persönlich.
Ich sah auf den Zettel, den ich noch in der Hand hatte. Das Papier mit dem Wasserzeichen war leer, bis auf eine einzige Nachricht, von der ich nicht wusste ob sie schlimmer war als die offene Drohung der Karte: »Come and find me, „Jordan"!« Es war eine freche Herausforderung und auch, dass die wenigen Zeilen handschriftlich verfasst waren, bewies, dass der Täter sich nicht länger versteckte.
Doch das, was mich erzittern ließ, waren die beiden Anführungszeichen. Sie bestätigten endgültig meine schlimmste Befürchtung: Jemand wusste nicht nur wo ich wohnte, sondern auch dass ich Jordan war. Und offensichtlich hatte derjenige eine Rechnung mit mir offen und drängte darauf sie zu begleichen.
Ich ballte die Hand, mit der ich das Papier hielt, zu einer Faust und es knitterte. Erst jetzt fiel mir das Wasserzeichen auf, das sich über die gesamte DinA4 Seite zog. Ich kannte das Emblem und es gab mir noch einen weiteren Grund dorthin zu gehen.
Die Wut kochte in meinem Bauch und als ich auf der Rückseite auch noch eine Uhrzeit entdeckte, zu der man mich dorthin beorderte, war das zu viel für mich. Ein wütender Schrei entfuhr meiner Kehle, ich sprang auf und zerfetzte das Papier in der Luft. Wie konnte mich jemand so zum Narren halten?! Nicht nur, dass er jede Einzelheit meines Lebens zu kennen schien, er verwendete sie gnadenlos gegen mich und besaß zusätzlich noch die Frechheit mich offen herauszufordern.
Doch das Schlimmste war, dass es funktionierte. „Der Tod" hatte mich in der Tasche und das von Anfang an. Er hatte gewusst, dass ich dort auftauchen würde wenn auch nur die geringste Möglichkeit bestand ihn umzubringen. Selbst wenn ich wusste, dass es eine Falle war. Entweder war ich zu arrogant oder zu versessen darauf mich an dem Mörder meiner Freunde zu rächen. Eines davon würde auf jeden Fall zutreffen, da war er sich sicher gewesen. Und leider hatte er recht. Außerdem zwang er mich alleine zu kommen, da das Risiko, dass noch jemand erfuhr wer Jordan wirklich war, zu groß war. Selbst wenn ich nicht kommen würde, könnte er mich immer noch damit erpressen. Mir blieb also keine Wahl.
Wutentbrannt zerknüllte ich das Papier endgültig und griff nach meiner Beretta Px4 Storm. Meine Fingerknöchel traten weiß hervor, so fest umschloss ich den Griff.Wenn der Tod Rache wollte, konnte er sie bekommen.
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Criminal - Krieg der Schatten
AcciónOne-Night-Stand mit Folgen: Als sich Ever und Vincent in einer Bar treffen, funkt es sofort zwischen ihnen. Nach einer gemeinsamen Nacht flüchtet sie jedoch überstürzt aus seiner Wohnung und versucht in den nächsten Tagen verzweifelt, sich den charm...