Verräter | 3

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Ich kannte den Hafen. Schon einige Male war ich hier gewesen, daher kannte  ich den groben Aufbau des Container-Labyrinths. Für die meisten mochte er so aussehen als wären die Blechkisten wahllos einfach hier abgestellt worden, tatsächlich hatte die Anordnung System. Und wenn man das kannte, war es gar nicht mehr so schwer, sich zurecht zu finden.
 
Der FBI-Agent kannte das System nicht. Das merkte ich daran, dass er öfter beinahe gegen eine Wand lief, wenn ich meine Haken schlug. Aber das machte er durch seine Hartnäckigkeit wieder weg. Noch hatte ich zu wenig Vorsprung, aber das würde sich ändern. Ich hatte schlichtweg die besseren Karten und vor allem hatte ich Erfahrung darin vor den Cops wegzurennen. Ganz egal von welcher Behörde.
 
Ich bog ein weiteres Mal nach links ab und die Containerschlucht tat sich auf. Der Abstand wurde breiter, da hier die Gabelstapler durchfuhren, um die überdimensionalen Blechkisten zu be- oder entladen. Hinter einem davon huschte ich im letzten Moment vorbei, bevor er dem Agenten den Weg versperrte. Fluchend stoppte er ab und musste um ihn herum laufen. In der Zwischenzeit war ich über einige Tonnen gesprungen und mit einem eleganten Wandsprung über einige Paletten gehechtet. Zugegeben, ein wenig Angeberei war dabei, aber hauptsächlich verschaffte mir das etwas mehr Zeit, um genug Abstand zwischen mich und den Blondie zu bringen.
 
Der Agent hatte inzwischen auch begriffen, dass er sich den falschen Flüchtigen ausgesucht hatte, aber das schien ihn nur noch verbissener zu machen. Er ließ einfach nicht locker und ich musste zugeben, dass ich das nicht mehr besonders lange durchhalten konnte. Dank seiner Ausbildung hatte er auf lange Sicht die bessere Ausdauer. Langsam aber sicher wurde mir klar, dass ich die Schnelligkeit nicht mehr lange halten konnte. Meine Lungen schrieen nach mehr Sauerstoff und ich begann zu japsen. Das Pochen meines Herzens hallte in meiner Schläfe wider und ich spürte wie meine Beine schwer wurden. Mein eigener Atem übertönte sogar seine Schritte, weshalb ich erst begriff wie nah er schon war, als ich spürte wie seine Finger meinen Rücken streiften.
 
Panik flutete durch meine Venen und ein Brennen ging von der Stelle aus, an der er mich berührt hatte. Ich konnte mich nicht umdrehen, weil ich mein Gesicht so lange wie möglich vor ihm verbergen wollte. Aber das war auch nicht nötig. Ich wusste auch so, dass er mit einem beeindruckenden Sprint aufgeholt hatte und direkt hinter mir war. Wäre er nur ein bisschen schneller gewesen, hätte er mich packen und zum Stehenblieben zwingen können. Aber das durfte nicht passieren. Denn dann würde er Fragen stellen, deren Antworten ich ihm nicht geben konnte, und weiter nachforschen. Und dann war ich fällig.
 
Das Adrenalin, das durch das Wissen um seine Nähe in mir freigesetzt wurde, gab mir noch einmal Kraft und ich zog mein Tempo erneut an. Cops waren auch nur Menschen, aber verdammt, sie waren schnell. Ihre Schnelligkeit gepaart mit Ehrgeiz machte es beinahe unmöglich, ihnen einfach davon zu laufen. Wenn ich eins in den letzten Jahren gelernt hatte, dann, dass man kreativ werden musste, wenn man Bundesagenten entkommen wollte.
 
Aus diesem Grund rannte ich weiterhin zwischen den Blechboxen hindurch und suchte nach einer Gelegenheit auf elegante Art und Weise zu verschwinden. Und die bot sich zwei Reihen weiter, wo die Container noch einzeln standen und nicht gestapelt waren.
 
Schließlich wagte ich es doch meinen Kopf ein wenig zu drehen. Ein wenig Vorsprung hatte ich mir wieder erarbeitet, viel war es jedoch nicht. Gleichzeitig suchte mein Verstand fieberhaft nach einem Weg, ihn endlich abzuhängen. Meine Augen zuckten unruhig hin und her und suchten nach etwas, was mir dabei half. Einmal wäre ich deshalb beinahe gegen einen Container gelaufen, was mich fast meine Freiheit gekostet hätte, weil der starrköpfige Agent mir ein weiteres Mal so nahe gekommen war, dass ich seinen Atem im Nacken gespürt hatte. Vielleicht hatte ich mir das aber auch nur eingebildet.
 
Inzwischen rebellierten sämtliche Fasern meines Körpers gegen jeden weiteren Schritt und bei jedem Atemzug entwich ein seltsames Pfeifen meiner Kehle, was immer der Fall war, wenn ich nahe der Grenze meiner Ausdauer war. Ich hatte nicht mehr viel Zeit. Ganz im Gegensatz zu Blondie. Zugegeben, ich hatte ihn unterschätzt, was ich jetzt bitter bereute. Allerdings nur, bis mir endlich der ersehnte Geistesblitz kam.
 
Noch einmal sah ich mich nach meinem Verfolger um. Zwei Meter. Mehr trennte mich nicht vor meinem sicheren Untergang, doch das reichte nicht aus. Deshalb nahm ich meine letzte Kraft zusammen und beschleunigte meinen Schritte ein letztes Mal. So schaffte ich es meinen Vorsprung zumindest um wenige Sekunden zu vergrößern. Unsicher, ob das reichen würde, schlug ich einen Haken und verschwand hinter der nächsten Ecke. Zwar sah der Agent, dass ich abermals nach rechts abbog, aber nicht, was ich gleich danach tat.
 
Der Gang war etwas schmaler als zwei Meter und ein Container war 2,50 Meter hoch. Ich legte noch einmal an Geschwindigkeit zu, dann sprang ich mit voller Kraft gegen die rechte Containerwand, drückte mich mit meinem rechten Fuß ab und nutzte den Schwung, um mich an der oberen Kante des linken Containers festzuhalten. Schließlich zog ich mich geschickt nach oben und hievte mich auf das Dach. Keine Sekunde bevor mein Verfolger um die Ecke bog, rollte ich mich in die Mitte des Daches und blieb regungslos liegen.
 
Der Wind war inzwischen heftiger geworden und pfiff über mich hinweg. Er übertönte meinen schweren Atem, den ich anzuhalten versuchte. So hörte ich, wie der Agent unter mir erneut fluchte, als er merkte, dass er mich aus den Augen verloren hatte. Doch er blieb nicht stehen und seine Schritte entfernten sich in die Richtung, in der er mich vermutete.
  Als ich sicher war, dass er sich weit genug entfernt hatte, wagte ich es wieder zu atmen und schnappte nach Luft. Meine Brust schmerzte und ich schien nicht genug Sauerstoff einatmen zu können.

Criminal - Krieg der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt