Criminal - Krieg der Schatten

Der alltägliche Wahnsinn | 3

Ich musste zugeben, dass ich überrascht war, als ich Vincent an dem Pokertisch bei Zola, Bates und Orlov sitzen sah. Doch mein Gesicht blieb eine steinerne Maske, wie immer wenn es auch nur im entferntesten Sinne um Geschäfte ging.

Wer in dieser Branche auch nur die Regung eines Gefühls zeigte, war tot. Es war einfach und brutal.

Ich überspielte meine Überraschung, indem ich zu Evan sah, bei dem ich mich eingehakt hatte. Auch er hatte eine ausdruckslose Miene aufgesetzt und war jetzt ganz der Evan, den ich kannte. Still, aber respekteinflößend. Offensichtlich hatte er nicht bemerkt, wie ich auf den Neuen reagiert hatte, weshalb ich davon ausging, dass es mir auch sonst keiner angesehen hatte. Er musterte Vincent ebenfalls unauffällig.

Ich überlegte einen Moment, wie ich mich verhalten sollte und stellte nach einem weiteren Blick fest, dass er nicht fast an seinem Drink erstickt wäre, weil ich ihn das letzte Mal so eiskalt hatte abblitzen lassen. Ich sah Angst. Zwar nur für einen winzigen Moment, aber es reichte, damit ich verstand, dass er nicht in seiner Freizeit hier war. Er fürchtete, dass ich ihn auffliegen lassen würde.

Wir setzten uns an den Tisch und Orlov schnaubte. „Und ich dachte, ich könnte heute tatsächlich gewinnen..."

Statt einem Lachen entlockte dieser Kommentar den Anwesenden lediglich ein verhaltenes Lächeln, während Zola mit düsterer Miene vor sich hinstarrte. Schon als wir hereingekommen waren, hatte ich das Gefühl gehabt, dass uns sein kalter Blick förmlich aufspießte.

Evan und ich legten unsere Einsätze auf den Tisch und die Karten wurden neu ausgeteilt. Erst jetzt sah ich Vincent direkt an. Es ärgerte ihn anscheinend genauso sehr wie mich, dass wir uns ständig über den Weg liefen. Das schlimmste daran war, dass es mich immer wieder dazu brachte, über die seltsame Situation zwischen uns nachzudenken. Und so sehr ich mir auch wünschte, dass mich die ganze Sache kalt ließ, das tat sie nicht.

Mit einem bohrenden Blick fragte ich ihn stumm, was zum Teufel er hier machte, aber er wich ihm aus.

„Adam Tyne", wurde er schließlich von Bates vorgestellt, „Rogan hat ihn als Ersatz eingeladen."

Für den Bruchteil einer Sekunde lächelte ich wissend. Todd Rogan war gestern vom FBI verhaftet worden, aber ich hatte nicht vor, das hier zum Besten zu geben. Ich sah, wie Vincent sich anspannte. Wenn Evan oder ich davon wussten und es erzählten, würde sich auch der Rest die Verbindung zusammenreimen können. Doch Evan nickte ihm lediglich zu und ich ließ ihn noch einen Moment bangen, bevor ich mich ihm vorstellte. Meine Stimme war gleichzeitig höflich und frostig, was ihn umso mehr verwirrte. Doch kurz darauf hatte er sich von dem Schock erholt und wir richteten unsere Aufmerksamkeit auf das Spiel.

Soweit ich beurteilen konnte, war nicht Orlov in Führung gewesen, sondern Vincent und ich musste zugeben, dass mich das ein wenig beeindruckte. Ich selbst hatte schon viel Geld in dieser Pokerrunde verloren und wusste, dass die anderen Spieler alles andere als blutige Anfänger waren. Wahrscheinlich hatten sie schon gepokert, bevor sie ihre ersten ehrlichen Dollar verdient hatten. Falls sie das überhaupt jemals auf ehrliche Art und Weise getan hatten.

Vincent spielte gut und nach zwei Stunden waren nur noch er, Evan und ich im Rennen.

„Woher kommen Sie, Tyne?", wollte Evan wissen.

Nash spielte mit seinem Pokerchip und machte damit den Eindruck perfekt, dass ihn das ganze hier beinahe langweilte. Er mimte den arroganten Reichen ziemlich gut. „Von hier. Ich wohne in der Stadt."

„Wie kommt es, dass ich noch nie etwas von Ihnen gehört habe?"

Vincent blieb gelassen und zuckte nicht mal mit der Wimper, als er einen Stapel seines Einsatzes in die Mitte schob und damit mitging. „Sagen wir, ich halte mich gerne bedeckt."