Verräter | 4

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Ich schlang meine Jacke enger um meinen Körper. Meine Kapuze verhinderte, dass mir meine Haare ins Gesicht peitschten. Seit heute Mittag hatte der Wind noch einmal zugenommen und durch die kühle Nachtluft war es noch kälter. Lässig lehnte an der Motorhaube des schwarzen Autos und wartete. Ab und zu nahm ich das Fernglas mit Nachtsicht in die Hand und warf einen Blick auf den einzelnen Container, der etwas abseits der anderen stand. Inzwischen war kurz vor Neun und da wir erst Sommeranfang hatten, war es bereits dunkel. Alex Levly hatte recht behalten und wir hatten ihn genau dort gefunden, wo er gesagt hatte. Seit Stunden warteten wir in ausreichender Entfernung darauf, dass sich etwas tat, doch bis jetzt war nichts passiert.

Doch gerade als die Langeweile Überhand nahm, stellte sich Evan sich neben mich und kreuzte die Arme vor der Brust. „Bist du dir sicher, dass sie noch kommen?", fragte er.

„Sie wollen die Ware so schnell wie möglich verkaufen", entgegnete ich, „Da ist es nur logisch, wenn sie jeden Tag herkommen." „Und woher willst du wissen, dass sie nicht schon da waren?"

„Weil sie nicht dumm sind. Sie würden es nicht riskieren tagsüber herzukommen."

Er nickte, doch seine Bedenken blieben. Aber nicht lange. Etwa zehn Minuten später fuhr ein Auto ohne Licht auf den Parkplatz, auf dem wir heute Mittag noch gewesen waren. „Erinnere mich das nächste Mal daran, wenn ich an dir zweifle."

Ich lächelte halbherzig.

„Ich sag den Jungs Bescheid, dass es gleich losgeht", sagte er dann, deutete mit dem Daumen hinter sich und ging.

Mein Lächeln ging mit ihm. Auch wenn meine Stimme und mein Äußeres völlig ruhig waren, war ich angespannt. Das hier war viel zu wichtig um zu versagen und ich wusste nicht, was mich dort unten erwartete. Zwar hatte ich die Männer durchleuchtete, die wir dort unten vermuteten, trotzdem konnte ich sie nicht wirklich einschätzen. Das waren nur Zahlen und Buchstaben auf irgendeinem Stück Papier und Menschen waren viel mehr als das.

„Kate, wir können."

Ich drehte mich um. Evan stand hinter mir und hinter ihm wiederum die restlichen zehn Männer. Alle waren bewaffnet und wenn man es nicht besser wusste, könnte man sie mit ihren M16A4-Gewehren und kugelsicheren Westen für ein Einsatzteam des FBIs halten. Ein letztes Mal sah ich durch das Fernglas zu dem Container, den die Gestalten inzwischen geöffnet hatten. Sie waren darin verschwunden und hatten die Tür hinter sich geschlossen, sodass nur noch ein von hier aus kaum sichtbarer Lichtstrahl durch die Ritzen der Tür drang. Wenn man es nicht wusste, würde man ihn übersehen und nie auf die Idee kommen, dass jemand darin war.

Ich warf das Fernglas in das Auto. „Dann los."

Wir brauchten von unserem Standort etwa zehn Minuten bis zu dem Container. Kurz davor formierten wir uns zu einer Gruppe, in der ich in zweiter Reihe ging. Ich spürte, wie die Schussweste mich schützend umgab und erinnerte mich an die Schießerei vor zwei Wochen. Damals waren Evan und ich diejenigen gewesen, die überrascht worden waren. Dieses Mal hatten wir den Spieß rumgedreht und ich fühlte mich lange nicht so nackt und verletzlich wie damals. Die Gruppe hielt und ich riss mich aus meinen Gedanken. Meine volle Konzentration galt jetzt dem Container, der inzwischen einige Meter vor uns lag. Evan gab einige Handzeichen und wir teilten uns in drei Gruppen auf. Zwei davon positionierten sich links und rechts an den Wänden, die dritte blieb davor und verschanzte sich hinter der nächsten Kiste aus Stahl, unter denen auch ich war.

„Leise und effizient", erinnerte ich Evan und er nickte.

Er zählte von fünf an herunter und mein Puls schnellte in die Höhe. Ich spürte wie mein Herz auf Hochtouren lief und Adrenalin durch meine Adern schoss. Cat hatte mich schon oft gefragt, ob ich Angst hatte, wenn ich bei solchen Situationen dabei war. Ich hatte Nein gesagt, aber natürlich war das gelogen gewesen. Ich war mir sicher, dass jeder einzelne hier Angst hatte, es nur nicht zeigte. Es waren Dinge, an die man sich niemals gewöhnen würde. Man malte sich aus was passieren konnte und stellte sich vor, wie der Mensch, der neben einem stand plötzlich von einer auf die andere Sekunde nicht mehr da war. Oder man selbst getroffen wurde.

Criminal - Krieg der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt