Böses Erwachen | 4

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„Ever!"

Ich drehte mich um und sah Vincent Nash auf mich zukommen. Er war aus dem grauen Ford gestiegen, der auf der anderen Seite der Straße parkte und getönte Scheiben hatte. Er trug einen Anzug und ich musste nicht fragen, um zu wissen, dass er im Dienst war.

„Shit...", murmelte ich und schloss kurz gequält die Augen, bevor er bei mir ankam. „Vincent", sagte ich dann höflich und lächelte ihn halbherzig an, „Was machst du hier?"

„Das gleiche könnte ich dich fragen", wich er der Frage geschickt aus.

„Ich will zu meinem Anwalt." Ich deutete auf die Kanzlei Summers & Fiori.

Er nickte. „Du warst weg als ich vom Duschen kam", meinte er schließlich mit einem unsicheren Lächeln, „Ich habe nicht mal deine Nummer. Geschweige denn deinen richtigen Namen." Er lachte nervös.

„Nein, ...die hast du nicht", sagte ich langsam.

Eine unangenehme Pause entstand.

Sein Lächeln verschwand. „Verstehe", nahm er es gefasst auf.

Das schlechte Gewissen packte mich. „Vincent, ich kann nicht. Ich..."

Ich hielt inne, da sein Blick an irgendetwas hängen blieb. Langsam streckte er seine Hand aus und ich widerstand dem Drang, einen Schritt zurück zu machen. Mein Herz schlug wie wild in meiner Brust und ich wusste nicht, ob es Angespanntheit oder etwas anderes war. Er packte meinen linken Arm und schob den Ärmel meines Blazers zurück, sodass meine Uhr zum Vorschein kam. Die Rolex glänzte im Licht.

Dann ließ er meinen Arm wieder los und sah mich an. „Schon klar. Ich war also nur ein Zeitvertreib. Dem reichen Mädchen war langweilig, hm?"

Ich biss die Zähne aufeinander. Ich konnte ihm die Wahrheit nicht erzählen. Auch wenn ich das im Moment nur zu gern getan hätte.

Er nahm mein Schweigen als meine Reaktion auf und nickte wissend.

„Es ist anders", entgegnete ich jetzt doch. Ich wollte nicht, dass er so von mir dachte.

„Natürlich", erwiderte er sarkastisch, „Wahrscheinlich wartete zuhause dein Mann auf dich." Doch bevor ich auch nur versuchen konnte, die Situation zu retten, drehte er sich einfach um und ging.

„Vincent!"

Er reagierte nicht.

„Verdammt!", zischte ich. Ich hatte nicht gewollt, dass es auf die unschöne Art endete, aber vielleicht war es das beste so. Hinter mir knallte eine Autotür zu und ich schloss die Augen. Dann atmete ich tief durch und richtete meinen Blick wieder auf die Kanzlei. Ich musste die Sache abhaken. Also ging ich zielstrebig auf den Eingang zu.

Schon alleine der Eingangsbereich der Kanzlei zeugte von Qualität. Er war in Grautönen gehalten und die Absätze meiner Pumps klackten auf den matten Fliesen. Links und rechts waren Ledersessel für die wartenden Kunden aufgestellt und gegenüber des Eingangs war der Empfangstresen, hinter dem eine junge Frau saß. Hinter ihr, auf Augenhöhe, prangte das goldene Logo der Kanzlei auf einer grauen Platte.

„Miss Everton", begrüßte sie mich mit ihrem perfekten Zahnpasta-Lächeln, „Mr. Fiori erwartet Sie bereits in seinem Büro. Sie kennen den Weg?"

„Ja. Danke." Ich bog nach rechts ab und stand kurz darauf vor einer schwarz getönten Glastür, die in Fioris Büro führte. Höflich klopfte ich an und als ein „Herein" ertönte, trat ich ein.

Lorenzo Fiori saß hinter seinem Schreibtisch aus Mahagoni-Holz. Als er mich sah, stand er hastig auf und umrundete den Tisch. „Miss Everton!", begrüßte er mich freudig. Im Gegensatz zu seiner Angestellten wirkte sein Lächeln nicht einstudiert.

Criminal - Krieg der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt