Masken | 1

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Es war Freitagabend. Draußen war es bereits dunkel und mein Apartment wurde nur von den Lichtern der Stadt erhellt. Heute war die Nacht des Maskenballs; die Nacht der Versteigerung. Nach dem mehr oder weniger kleinen Zwischenfall mit Lucy Heavens war bei den Vorbereitungen alles glatt gegangen.
 
Ich ging zur Tür. Der Stoff meines Kleides schleifte über die Fliesen und ich nahm meine Schuhe. Ich trug ein langes, schwarzes Abendkleid mit tiefen Rückenausschnitt und kleinen silbernen Details, unter dessen Rock ich mit einem nach innen gedrehten Oberschenkelholster meine Beretta befestigt hatte. Man konnte ja nie wissen.
 
Die Verbrennungen, die Heavens mir durch den unter Strom gesetzten Metallstab zugefügt hatte, hatte ich mit jeweils einem dünnen, schwarzen Seidenschal verdeckt, die ich mir um meinen linken Unter- und rechten Oberarm gewickelt hatte. Der hässlichen Striemen im Gesicht war unter viel Make-up verborgen und durch meine blutrot geschminkten Lippen und das Diamantencollier um meinen Hals hatte ich für Ablenkung gesorgt.
 
Doch die Krönung meines Outfits war eine echte venezianische Halbmaske. Schwarze, filigrane Metallranken, die elegante Muster bildeten, verdeckten meine Augen und die Hälfte meines Gesichts. Ich hatte sie von einem Freund aus Italien bekommen, der dort mit seinen Masken Diamanten schmuggelte.
 
Zum Schluss schlüpfte ich in meine Schuhe und hängte mir einen Mantel um. Dann stieg ich in ein Taxi und fuhr zum Opernhaus. Als ich aus dem Wagen ausstieg, ragte das imposante Gebäude hell erleuchtet vor mir auf. Das warme Licht und der beige Sandstein harmonierten perfekt miteinander und ließen es wirken wie aus einer anderen Zeit.
 
Frauen in Abendkleidern und Männer in Smokings gingen die große Treppe zum Eingang hinauf und verschwanden zwischen den Säulen, die das Dach hielten. Ich legte meinen Kopf in meinen Nacken und sah hinauf zu der Statue, die sich golden vom Nachthimmel abhob. Sie stellte einen Engel mit einer Harfe in den Händen dar. Eine seltsame Ironie, dass sich ausgerechnet hier, an einem scheinbar so reinen Ort der Musik und der Kunst, kriminelle Machenschaften abspielten. Auf der anderen Seite trog der Schein, denn schon immer waren die schlimmsten Dinge hinter den schönsten Fassaden verborgen worden.
 
Ich folgte den Gästen zum Eingang, wo ich meine Einladung vorzeigte und mit einem Nicken eingelassen wurde. Ich liebte die Oper. Nicht die Aufführung an sich, sondern das Gebäude. Das Innere des Opernhauses war noch prachtvoller als das Äußere. Hier setzte sich der neue Barockstil fort. Die Wände waren mit Stuck geschmückt und die hohen Decken mit Fresken überzogen. Kleine Balkone ragten ein Stück weit ins Foyer hinein, auf denen weitere Menschen standen und auf die Neuankömmlinge herunter sahen. Das absolute Highlight war allerdings die Marmor-Treppe, die zu der ersten Etage hinaufführte. An ihrem Ende war der Haupteingang zu dem Zuschauerraum. Dort teilte sich die Treppe auf und ging nach rechts und links ab, von wo aus man zu den Gängen gelangte, die zu den Balkonen und weiter hinten zu den Logen führten.
  
Als ich das Foyer betrat, gab ich meinen Mantel ab und mischte mich unter die Leute. Für Frauen bestand Maskenpflicht, aber auch viele Männer trugen eine Maske. Man versuchte dauerhaft sich seinen Gegenüber ohne Maske vorzustellen und ich war erstaunt wie sehr sogar eine Halbmaske doch die Identität verschleiern konnte. Doch viele legten es nicht darauf an anonym zu bleiben. Es widersprach der Geschichte und ein Stück weit auch dem Zweck der Oper sich den Blicken der anderen zu entziehen. Schon immer hatte ein Besuch der Oper dem „Sehen und Gesehen werden" gedient und bis heute hatte sich kaum etwas daran geändert.
 
Ich ging die breite Treppe hinauf, suchte mir einen Balkon und sah auf die anderen Gäste hinunter. Die High Society hatte sichtlich Spaß an diesem Event. Es unterschied sich von den immer gleich bleibenden Spendengalas und Banketts. Zwar trafen auch hier die üblichen Leute aufeinander, aber auf eine andere, geheimnisvolle Art, umgeben von einem Hauch Dramatik.
 
Mir fiel auf, dass ich eine der wenigen Frauen war, die alleine hier war. Die meisten waren etwas älter und mit ihren Männern hier. Die typischen Börsenmarkler und Millionäre und die Neureichen und jungen Erben, die man gut an ihrer aufgetakelten Begleitung mit zu tiefem Ausschnitt erkennen konnte. Für sie war Anonymität eine Schande.

Criminal - Krieg der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt