LXI

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Ich hatte noch mein ganzes Leben vor mir und ein Mann hieß Verpflichtungen. Erstrecht wenn wir eine Familie gründeten.
Dazu wäre ich noch nicht bereit.
Oder?

Erschöpft legte ich mich mit meinem Laptop in mein Bett. Das Nachdenken ließ mein Kopfschmerzen also wollte ich mich ablenken.

Ich öffnete das Netflix von Ali am Laptop und schaute mir irgendwelche Filme an. Gelangweilt durchsuchte ich die Filmabteilung und fand nichts, was ansatzweise ansprechend war. Ich atmete tief durch und drückte auf irgendwas.

Gerade schaute ich einen Comedyfilm und lachte mich tot, als mein Laptop mir anzeigte, dass Ali mit mir skypen will. Halbherzig drückte ich auf Pause und sah wie sich das Tab von Skype öffnete. Alis angespanntes Gesicht tauchte auf meinem Laptop auf, doch als er mich sah, zogen sich automatisch seine Mundwinkel nach oben.

Lächelnd begrüßte ich ihn und erst jetzt bemerkte ich, wie sehr ich mich nach ihm sehnte. Ich vermisste ihn, doch würde nicht mehr nur ein Schritt in die Richtung meiner Heimatstadt wagen. Dafür hatte ich viel zu viel Angst von meiner Vergangenheit überrumpelt zu werden. Gerade wollte ich nur mein Leben in vollen Zügen genießen, aber dennoch eine gute Absicherung für die Zukunft haben. Ich würde erst zurück gehen, um jeden zu zeigen, was ich in meinem Leben selbst erarbeitet hatte.

,,Du hast in nicht mal einem Monat Geburtstag, Meleğim. Wir machen fett Party, denn DU WIRST 20!!!", schrie er plötzlich und ich zuckte zusammen. Er dreht die Musik auf und fing an dazu zu tanzen. Ich lächelte bei dem Anblick. Ali war unbeschwert und glücklich, ich war neidisch, obwohl er so viel in seinem Leben selbst meistern musste. Auf keinen konnte er sich verlassen und nach einiger Zeit nicht mal mehr auf sich, das hatte er mir erzählt.

,,Dieses Mal will ich mein Geburtstag nicht feiern. Ich habe neu hier einen Job bekommen, ich sollte mich darauf konzentrieren.", seufzte ich und lehnte mich in mein Kissen zurück. Tausende Gedanken kreisten in meinem Kopf herum und ich versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Die letzten Tage und Monate waren zu viel für mich. Ich zerbrach unter diesem Druck und wollte einfach nur noch wegrennen. Ich war zwar schon aus meiner Heimatstadt verschwunden, doch mein Leben verfolgte mich. Wollte ich ein Leben in der Flucht vor mir selbst führen?

,,Wir werden feiern. Mir egal, was du sagst.", stur reckte Ali seinen Kinn und starrte mich an. Ich merkte, wie er versuchte, sich das grinsen zu verdrücken, weshalb seine Mundwinkel zuckten. Wann konnte ich das letzte Mal einfach loslassen und leben? Wann konnte ich durchatmen, ohne von meinen Zweifeln erdrückt zu werden?

,,Können wir nicht an dem Tag einfach eingekuschelt im Bett liegen und zusammen Netflix schauen?", ich versuchte meinen Hundeblick aufzusetzen, doch der hatte noch Verbesserungsbedarf, weswegen Ali mich einfach auslachte. Schmollend drehte ich mein Kopf weg und verschränkte meine Arme vor meiner Brust. So eine Reaktion erwartete ich wirklich nicht von meinem besten Freund!

,,Wir gehen feieeeern.", sagte er, machte diesmal ein türkisches Lied an, breitete seine Arme aus und schnippste mit seinen Fingern. Wie auf Hochzeiten. Ich musste zugeben, er konnte das wirklich gut.

Ich lachte laut auf, schlug meine Hände auf mein Gesicht und nuschelte ein: „Du bist so peinlich!"

„Du liebst mich.", meinte er und grinste über das ganze Gesicht. Dieser Junge machte mich so glücklich, weshalb ich mir bildlich vorstellte, wie es wohl aussehen würde, wenn ich und er heirateten, doch das war unrealistisch. Er und ich waren keine Menschen, die zusammenpassten oder gar eine Ehe führen konnten. Wir waren frei und unabhängig, naja, wir versuchten es.

,,Und wie.", flüsterte ich, damit er es nicht hörte und lächelte leicht. Ertappt legte sich ein leichtes Rot auf meine Wangen und ich kaute auf meiner Lippe rum. Hatte er es gehört?

mala mentirosaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt