Teil 10

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Sophie:

Wir machen uns auf den Weg zu meinem Auto, und er fragt mich: "Kann ich mein Motorrad für den Moment hier stehen lassen?" Ich antworte ihm bestimmt: "Ja, das werden Sie, ich lasse nicht zu, dass Sie Ihren Hintern jetzt auf diese Maschine quetschen." Er muss ob meiner Wortwahl lächeln, und ich fahre fort: "Sie können sie morgen dann holen, kein Problem."

Wir steigen in mein Auto, und während ich losfahre, frage ich ihn: "Haben Sie Hunger? Ich hätte mir heute abend eine Suppe mit Ei gekocht, aber wenn Sie grossen Hunger haben, können wir auch etwas Richtiges holen." "Nein, nein, lassen Sie nur, ich habe ein etwas mulmiges Gefühl in meinem Magen, eine Suppe passt schon." "O.k., dann halte ich bei der Tankstelle kurz an und hole noch ein frisches Brot."

Als wir zuhause ankommen, zeige ich ihm das Gästezimmer und das Bad, wo er sich schnell eingerichtet hat. Er hat nur eine kleine Sporttasche dabei.

Ich bereite schnell die Suppe zu, und grad als sie fertig ist, kommt er aus dem Bad. "Wir können uns gleich setzen, die Suppe ist fertig", sage ich. "Vielen Dank", meint er und setzt sich ganz vorsichtig auf den Stuhl, wobei er schmerzhaft das Gesicht verzieht. "Haben Sie Schmerzen?" frage ich unnötigerweise, denn ich sehe ja, dass es so ist. Er meint nur: "Ja, ein wenig." "Bevor Sie sich schlafen legen, gebe ich Ihnen noch ein Schmerzmittel, dann können Sie gut schlafen." Er meint: "Ach, das geht auch ohne."

Doch ich widerspreche: "Es geht nicht nur um die Schmerzen, sondern auch darum, dass Sie sich entspannen können. Das Mittel wirkt zudem entzündungshemmend. Und, vergessen Sie nicht, die Wirkung der Betäubungsspritzen wird in den nächsten Stunden noch ganz nachlassen." Und augenzwinkernd füge ich an: "Hier müssen Sie jetzt nicht den Helden spielen, sondern einfach nur vernünftig sein."
Er lächelt müde und meint unsicher: "Na ja, wenn Sie meinen..."

Schweigend essen wir unsere Suppe, er hat tatsächlich keinen grossen Appetit, löffelt aber eine kleine Schale leer und isst ein Stück Brot dazu.
Wie er so fast zerbrechlich neben mir sitzt, fühle ich mich ihm sehr nahe, und ich schlage vor: "Da wir uns jetzt so quasi im privaten Rahmen unterhalten, könnten wir uns ja Du sagen. Ich bin Sophie." Er lächelt mich müde an und meint nur: "Das mache ich sehr gern, danke, Sophie."

Wieder essen wir eine Zeit lang schweigend weiter, bis wir beide fertig sind. Obwohl er recht müde scheint, hilft er mir selbstverständlich den Tisch abzuräumen. Ich spreche ihn darauf an: "Du scheinst ziemlich müde zu sein, leg dich doch gleich etwas hin." "Ja, ich bin heute früh aufgestanden für das Training und hab mich nachher gleich in den Flieger gesetzt. Dann hab ich die Maschine gemietet und war noch einige Stunden damit unterwegs. Nun ja, und die Behandlung eben hat mich irgendwie mehr geschafft, als ich gedacht hätte."

Nachdem wir fertig aufgeräumt haben, macht er sich auf den Weg ins Zimmer und ich sage ihm: "Ich komme nachher noch mit dem Schmerzmittel vorbei."

Als ich eine halbe Stunde später in sein Zimmer trete, liegt er im Bett, hat sich auf die Seite gelegt und zusammengerollt. Das Kissen hat er unter seinem Kopf zerknüllt und die Decke liegt halb über seinem muskulösen Körper. Er wirkt grad irgendwie verletzlich, wie er so da liegt.

Vorsichtig setze ich mich auf seine Bettkante und bin mir nicht sicher, ob er schon schläft. Doch er hebt seine Hand und streicht zärtlich über mein Bein. Leise frage ich ihn: "Wie geht es deinem Po?" Verschlafen meint er: "Hmm, tut ein bisschen weh." Ich flüstere: "Du bekommst noch eine kleine Spritze, du kannst gleich so liegen bleiben." Er protestiert nicht und lässt es einfach über sich ergehen, dass ich die Decke zurück streife, seine Unterhose etwas runter ziehe und ihm das Schmerzmittel in den oberen Teil seiner Pobacke appliziere.
Zärtlich decke ich ihn wieder zu, und im Halbschlaf bittet er mich: "Bleib noch bei mir, ne me quitte pas." Er ist, ohne es zu merken, in seine Muttersprache verfallen. Ich streife meine Hausschuhe ab und lege mich hinter ihn, so dass ich ihn von hinten mit meinen Armen umfangen kann. "Oui, reste chez moi, ne me quitte jamais, reste ici pour tout le temps." Ich streiche ihm leicht über sein Haar und flüstere: "Mais oui, j'y reste, j'y reste." Und ich spüre, wie sein grosser Körper bebt, während er sich langsam in den Schlaf weint.

Dr. Sophie Marchand und Yacine VincentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt