Teil 17

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Sophie:

Zufrieden lächelt Yacine auf mich herab, so dass ich ganz weiche Knie bekomme.

Jemand aus dem Team ruft in die Runde: "Wer kommt noch mit in die Pizzeria?" Von allen Seiten kommen zustimmende Rufe, nur Yacine schaut mich an und fragt: "Wollen wir mit den Jungs essen gehen, oder lieber zu zweit?" Verlegen wehre ich ab: "Nein, nein, geh du nur mit deinen Kollegen mit, ich fahre dann mal ins Hotel." Bestimmt schaut er mich an und entscheidet: "Das ganz sicher nicht, ich werde den Abend heute auf jeden Fall mit meiner weit gereisten Privatärztin verbringen." Ich lächle, und schon kommen die ersten Bemerkungen von hinten, was wohl Yacine heute abend vor habe." Schnell antworte ich: "Also gut, in diesem Fall bin ich gern beim Pizzaessen dabei." "Gute Entscheidung, du wirst es nicht bereuen", stimmt mir Yacine zu.

Bald erreichen wir die Pizzeria. Offenbar ist das Team hier Stammgast, denn das Personal begrüsst es freundlich und gratuliert bereits zum heutigen Sieg.
Wir setzen uns an den grossen Tisch, und ich verpasse es, gleich neben Yacine zum Sitzen zu kommen. Er nimmt mir schräg gegenüber Platz, und neben mir sitzt der Trainer, den ich etwa in meinem Alter schätze.

Die Stimmung ist freudig und ausgelassen, wen wundert's nach diesem unerwarteten Sieg. Die Jungs bestellen alle ein grosses Bier und langen kräftig zu bei den Pizzen.

Mein Sitznachbar stellt sich vor als Andrea und fragt mich, woher ich Yacine kenne. Ich sage ihm, dass ich eine Freundin der Familie sei und Yacine schon als Kind gekannt habe. "Zudem bin ich selbst eine begeisterte Volleyballspielerin - wenn auch auf einem leicht anderen Niveau", füge ich mit einem schiefen Lächeln an. "Kürzlich habe ich Yacine wieder getroffen und ihm gesagt, ich würde gern mal eines seiner Spiele live miterleben. Da hat er sich nicht zweimal bitten lassen und mir gleich das Ticket für heute besorgt." Andrea erwidert erfreut: "Also wenn Yacine bei all deinen Anwesenheiten eine ähnliche Leistung wie heute aufs Parkett legt, dann spendier ich dir gleich eine VIP-Karte für die ganze Saison." Ich lache laut heraus, und Yacine, der unseren Dialog nicht mitbekommen hat, schaut uns fragend an, doch wir zucken nur beide unschuldig die Schultern.

Meine Pizza schmeckt ausgezeichnet, und auch das Tiramisu zum Dessert ist das beste, das ich je gegessen habe. Ich mustere Yacine aus dem Augenwinkel, und mir fällt auf, dass er immer wieder fast etwas stolz zu mir rüber anschaut. Er lacht viel und scheint den Abend in vollen Zügen zu geniessen.

Andrea lehnt sich etwas zu mir und raunt mir zu: "Also, eigentlich würde ich dich ja liebend gern um ein Date bitten, aber wenn ich sehe, wie Yacine dich anschaut, lasse ich glaub lieber die Finger davon." Ich kichere und antworte: "Da täuschst du dich, ich könnte ja glatt seine Mutter sein." Andrea wirft mir nur einen vielsagenden Blick zu.

Kurz darauf klingelt Andreas Handy und er entschuldigt sich kurz für das Gespräch. Als er zurückkehrt, sieht er etwas verärgert aus. Ich schaue ihn fragend an, und er meint, der Teamarzt falle morgen aus. Er klopft mit dem Löffel an sein Glas und - als die Gespräche langsam verstummen - erhebt er seine Stimme: "Also, Jungs, zuerst die gute Nachricht, weil ihr heute so toll gespielt habt, ist morgen nur am Morgen Training und der Nachmittag frei." Allgemeines erfreutes Gemurmel ertönt. "Und jetzt das, was euch weniger freuen wird. Emanuele kann morgen nicht zu uns stossen, er hat einen familiären Notfall. Wie ihr wisst, standen morgen die Impfauffrischungen auf dem Plan, es wäre alles vorbereitet gewesen, alle Dosen bereits bestellt, so dass er euch während des Morgentrainings hätte impfen können. Nun müssen wir umdisponieren, das heisst, dass ihr morgen nachmittag alle in eine Arztpraxis gehen müsst und euch dort impfen lassen müsst." Diesmal ist das Gemurmel eher unmutig, und jemand meint: "Das ist aber unser freier Nachmittag, und nun werden wir stundenlang in einem Wartezimmer rumhängen, das ist nur mässig lässig." Und ein anderer meint: "Können wir das nicht machen, wenn Emanuele wieder zurück ist?" Bedauernd schüttelt Andrea den Kopf: "Tut mir leid, ihr wisst, dass wir in 3 Wochen bereits in Brasilien sind und es höchste Eisenbahn ist, die Impfungen nun aufzufrischen, sonst bekommen wir die Reiseerlaubnis nicht. Ausserdem weiss ich nicht genau, wann wir wieder mit Emanuele rechnen können." Wieder ertönt unmutiges Gemurmel.

Da sehe ich, dass mich Yacine mit einem fragenden Blick mustert. Ich überlege kurz und nicke ihm dann zustimmend zu. Er erhebt seine Stimme und verschafft sich so Gehör: "Hey Leute, ich hätte da vielleicht eine Lösung für das Problem." Sofort wird es ruhig, und alle Blicke richten sich auf ihn. "Hört mal, Sophie könnte uns die Spritzen auch geben, sie ist Medizinerin, so könnten wir das doch während des Trainings erledigen und hätten den Nachmittag wieder frei."

Spontaner Applaus ertönt, und Andrea raunt mir zu: "Du bist tatsächlich Ärztin?" Ich antworte: "Das bin ich, ja." "Und würdest du das machen, ich meine, immerhin ist es auch dein freier Tag?" fragt er mich. "Klar doch, wenn ich euch damit einen Gefallen machen kann."

Die Stimmung ist langsam ausgelassen, und jemand meint etwas lauter: "Ja, Jean-Babtiste könnte man so sicher einen Gefallen machen" und wippt mit den Augenbrauen auf und ab. Ein anderer fragt: "Und wo würde die hübsche Lady uns dann pieksen?" Worauf wieder ein anderer ruft: "Er will eigentlich nur wissen, ob er denn seine Hosen runterlassen muss", worauf lautes Gelächter ertönt.

Ich muss auch lachen und sage dann: "Also, die erste Spritze bekommt ihr als Rechtshändler in den linken Oberarm, die zweite in den rechten Oberarm. Wenn ihr nun aber euren rechten Arm in nächster Zeit intensiv braucht, zum Beispiel an einem Match, dann bekommt ihr bereits die zweite Impfung ins Hinterteil. Bekommt ihr mehr als zwei Impfungen, sind die restlichen alle in den Po." Ein Scherzkeks will wissen: "Kann man denn auch die erste schon in den Hintern bekommen?", was ein lautes Kichern auslöst. Wieder einer will wissen: "Hey, Sophie, darf man sich denn auswählen, in welcher Position man die Spritze in den Hintern bekommt?" Was ein paar kreative Vorschläge provoziert, die alle mit lautem Gelächter quittiert werden. Ich werfe augenzwinkernd ein: "Ich sehe schon, ihr könnt es kaum erwarten." "Und wie", meint einer, "ich glaube, ich brauche heute abend schon eine Beruhigungsspritze!" Worauf wieder ein lautes Gegröle ertönt.

Langsam nimmt das ganze etwas groteske Formen an, und Andrea ermahnt seine Schützlinge: "Hey Jungs, jetzt bitte wieder etwas mehr Niveau und nicht so laut, wir sind schliesslich nicht alleine hier."

Die Stimmung bleibt jedoch locker und ausgelassen, und es ist schon fast Mitternacht, als wir aufstehen und uns langsam auf den Heimweg machen. Die Jungs lassen es sich nicht nehmen, mich kurz zu drücken, und der eine oder andere zwinkert mir zu und meint sinngemäss: "Schlaf gut, wir sehen uns ja schon bald wieder."

Dr. Sophie Marchand und Yacine VincentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt