Teil 30

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Yacine:

In den kommenden Wochen ist sportlich ziemlich viel los bei uns, neben einem gedrängten Spielplan stehen Werbeverflichtungen auf dem Programm und eine intensivierte Medienarbeit.
Oft komme ich abends ganz geschafft nach Hause. Doch das ist gut, so kann ich nicht den ganzen Tag an Sophie denken.
Sie hat mir klar gezeigt, dass ich meine Hoffnungen begraben muss, und ich will sie nicht weiter bedrängen. Aber, verdammt nochmal, das fällt mir sowas von schwer! Schon oft habe ich mein Handy zur Hand genommen und begonnen, eine Nachricht an sie zu tippen, nur um sie nachher wieder unverrichteter Dinge zu löschen.

Anfangs habe ich mir noch Hoffnungen gemacht, dass sie sich vielleicht bei mir melden würde, aber, nachdem ich wochenlang nichts von ihr gehört habe, habe ich irgendwann aufgehört zu hoffen.
Ich lenke mich ab mit immer noch härteren Trainings, doch der Schmerz lässt sich nicht so leicht wegdrücken. Es tut verdammt weh, ob ich nun will oder nicht, da muss ich einfach durch. Keine Ahnung, ob ich das schaffe.

Sophie:

Die nächsten Monate bin ich stark eingespannt in der Praxis, eine unserer Ärztinnen ist ausgefallen, und eine Grippewelle sorgt für volle Wartezimmer.
Ich hätte eigentlich einen Weiterbildungskurs zum Thema Chirurgie besuchen müssen, finde aber keine Zeit dazu, mich für den Kurs in meiner Nähe anzumelden und muss nun wohl einen weiten Weg auf mich nehmen, um den Kurs anderswo belegen zu können. So langsam wird mir alles etwas viel.
Nun steht ein Ärztekongress an, und - um nicht alles zu verpassen - melde ich mich seufzend wenigstens für zwei der fünf Tage an.

Ich treffe im Hotel ein und bin gerade dran einzuchecken, als ich hinter mir eine bekannte, warme Stimme vernehme. Ich drehe mich um und blicke direkt in die blauen Augen von Jacques Vincent, der mich überrascht ansieht: "Guten Tag Frau Marchand, wie geht es Ihnen?" "Ah guten Tag Herr Vincent, danke, gut, ich würde mich nur gerade gerne klonen, um all meinen Verpflichtungen nachzukommen", erwidere ich. "Das Gefühl kenne ich", pflichtet er mir bei.
Wir unterhalten uns noch etwas und erfahren, dass wir uns beide für den gleichen Kongress angemeldet haben und im selben Hotel übernachten.
Er schlägt vor: "Ich habe mir überlegt, heute abend auswärts zu essen, würden Sie mir die Freude machen, mich zu begleiten?" Ich bin etwas überrascht, weil unsere letzte Begegnung ja eher etwas trocken verlaufen ist, umso mehr freue ich mich über seinen Vorschlag und sage sofort zu.

Als ich auf mein Zimmer komme, gönne ich mir nach der stressigen Reise zuerste eine entspannende Dusche und ziehe mir nachher ein einfaches petrolfarbenes Wollkleid an, das meine Figur vorteilhaft zur Geltung bringt und das Grün meiner Augen hervorhebt.
Herr Vincent wartet schon in der Lobby auf mich und kommt erfreut auf mich zu, als er mich erblickt. Er ist nach wie vor eine attraktive Erscheinung, fast so gross wie sein Sohn. Ob er wohl regelmässig Sport treibt, dass er noch so gut in Form ist?
"Ich habe in einem kleinen Restaurant zwei Plätze für uns gebucht, ich hoffe, das ist für Sie in Ordnung?" begrüsst er mich. "Das ist perfekt, ich verhungere schon fast", stimme ich ihm zu.
Als wir uns an den Tisch gesetzt und unser Nachtessen bestellt haben, hebt er sein Weinglas und meint: "Nun, da wir uns hier als Kollegen treffen, schlage ich vor, dass wir uns duzen." "Sehr gern, Jacques, ich bin Sophie", entgegne ich, und wir prosten uns zu.

Wir verbringen einen gemütlichen Abend zusammen, an dem wir viel voneinander erfahren. Ich lerne dabei eine sehr angenehme Seite von ihm kennen und habe den Eindruck, dass er meine Gesellschaft ebenfalls geniesst.
Als wir uns verabschieden, sage ich ganz spontan: "Wenn du einmal Zeit und Lust hast, etwas gemeinsam zu unternehmen, sei es einen Konzert- oder Theaterbesuch oder so, dann bin ich gern dabei." Er schmunzelt und meint: "Pass auf, sonst komme ich tatsächlich darauf zurück." "Sehr gern", antworte ich und drücke ihn kurz an mich.

Leider haben wir für den Kongress unterschiedliche Vorträge gebucht und sehen uns während der nächste zwei Tage nicht mehr.
Umso überraschter bin ich, als ich heimkehre und in meiner Post einen Brief entdecke mit zwei Tickets darin für einen Opernbesuch in der nächst grösseren Stadt. Darunter steht mit schwungvoller Schrift geschrieben: "Ich würde mich sehr freuen über deine Begleitung, Jacques."
Erfreut nehme ich mein Handy zur Hand und rufe ihn an, um die Einladung anzunehmen.

Von da an treffen wir uns immer regelmässiger, sei es zum Essen auswärts, für kulturelle Anlässe oder einfach mal auf einen Spaziergang.

Dr. Sophie Marchand und Yacine VincentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt