Teil 14

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Yacine:

Es fällt mir extrem schwer, mich von Sophie zu lösen. Ich schaffe es nicht einmal, mich für alles zu bedanken, ich kämpfe gerade genug mit meinen Gefühlen für sie.
Wie in Trance wende ich mich ab und konzentriere mich darauf, ihre Wohnung zu verlassen, ohne in Tränen auszubrechen.

Ich fahre mit dem Bus bis zu ihrer Praxis und setze mich dort auf mein Motorrad. Auf der langen Fahrt nach Paris habe ich viel Zeit zum Nachdenken. Oh Mann, wie war das schön, als sie meinen Po nochmals behandelt hat. Das Spiel mit dem Thermometer in meinem Hintern hat mich ja sowas von angemacht. Ich hätte alles drum gegeben, wenn es weiter gegangen wäre. Wenn Sie mich weiter stimuliert hätte. Wenn Sie sich um meinen kleinen Freund gekümmert hätte. Und ich würde sterben dafür, sie einmal nackt zu sehen. Sie berühren zu dürfen. Ihren Körper zu massieren, sie zu stimulieren und zu sehen, wie sie erregt wird. Oh Gott, alleine die Vorstellung, in sie einzudringen bringt mich an den Rand meiner Selbstbeherrschung. Jede Faser meines Körpers zieht mich zu ihr, zu ihrem schönen Körper und ihrer wundervollen Persönlichkeit. Zu gern wüsste ich, ob mir diese unvorstellbare Freude in diesem Leben noch vergönnt sein wird. Oh Sophie, bitte komm ganz bald eines unserer Spiele schauen, ich muss dich dringend so schnell wie möglich wieder sehen.


Sophie:

Seit einiger Zeit hat mich der Alltag wieder umfangen. Die Praxis ist voll zu dieser Jahreszeit, und ich bin froh, wenn ich mir einen Abend in der Woche für unser Volleyballtraining frei schaufeln kann.

Aber meistens bin ich abends so müde, dass ich mich nicht einmal vor den Fernseher hängen mag. Auch heute ist wieder so ein Abend, an dem ich etwas Kleines gegessen habe und mich schon früh mit einem Buch ins Bett lege. Doch ich kann mich nicht so richtig auf die Geschichte konzentrieren. Immer wieder schwenken meine Gedanken ab zu Yacine. Es war ein wirklich schöner Tag, den wir zusammen verbracht haben. Er ist ein bemerkenswerter Mann, und bemerkenswert ist, was er sportlich alles erreicht hat. Doch ich fühle auch, dass er immer noch auf der Suche ist. Ich sehe allzu oft in ihm den kleinen Jungen, der er damals war, als er auf so traurige Weise von seiner Mutter verlassen worden ist. Und ich bin sicher, dass er gern einen Schritt vorwärts kommen würde, seiner Mutter gern wieder näher kommen würde. Wir haben uns darüber unterhalten, aber ich möchte nicht zu stark in ihn eindringen, ich fürchte mich, dass ich Wunden aufreissen könnte, die lange nicht wieder heilen würden.

Und doch wüsste ich gern etwas mehr von seinem Leben, bevor die Mutter sie verlassen hat. Ich glaube, dass ich ihn besser verstehen könnte, sein Verhalten besser einordnen könnte, hätte ich mehr Informationen.

Plötzlich kommt mir ein Gedanke: Ich muss ja nicht zwingend Yacine danach fragen, es gibt ja noch andere Leute, die die Geschichte mit ihm teilen, allen voran sein Vater und sein Bruder. Den Bruder kenne ich nicht. Ich glaube, er ist ziemlich viel älter als Yacine. Aber den Vater habe ich damals ein, zweimal gesehen. Ich erinnere mich, dass er ebenfalls Arzt ist, allerdings hat er - anders als ich - in einem Krankenhaus Karriere gemacht und ist bis zum Chefarzt aufgestiegen. Ich rechne kurz aus, wie alt er etwa sein muss, und ich schätze ihn so gegen Ende fünfzig. Sein Name ist Jacques Vincent. Er hat Yacine das eine oder andere Mal zu mir begleitet, damals war er natürlich noch zwanzig Jahre jünger. Er war ein äusserst attraktiver Mann, und unsere Praxisassistentinnen haben jeweils hinter vorgehaltener Hand miteinander getuschelt, wenn er wieder da war. Ob er wohl wieder eine Beziehung eingegangen ist?, frage ich mich. Nun ja, sicher, vermute ich, ein Mann wie er ist wohl nicht lange alleine...

Hmm, was würde er wohl sagen, wenn ich ihn um ein Gespräch bitten würde? Würde er es als vermessen auffassen? Ich nehme das Pad zur Hand und google seinen Namen. Schon bald habe ich ihn gefunden. Er ist tatsächlich Chefarzt der Chirurgie in einem mittelgrossen Spital in der Nähe unseres früheren Wohnortes. Ich recherchiere etwas weiter, und nach einigen Minuten habe ich seine private Telefonnummer ausfindig gemacht.

Ich schaue auf die Uhr, es ist kurz nach halb neun, also eine Zeit, in der man durchaus noch jemandem telefonieren darf. Ich bin allerdings ganz unschlüssig und etwas aufgeregt. Doch dann fasse ich mir ein Herz, nehme das Handy zur Hand und wähle seine Nummer.

Nach dem vierten Klingeln nimmt er ab und meldet sich mit barscher Stimme: "Vincent?" Ich bereue schon, dass ich angerufen habe, mache jetzt aber keinen Rückzieher mehr. "Ähm, da ist Sophie Marchand, guten Abend Herr Vincent." Leicht freundlicher fragt er: "Hallo, was wünschen Sie?" Ich hole tief Luft und beginne mit dem Erklären: "Ich war vor zwanzig Jahren Hausärztin in Ihrem damaligen Wohnort und habe Ihren kleineren Sohn ein paarmal behandelt." Jetzt erinnert er sich: "Ah, Frau Marchand, ich erinnere mich. Weshalb rufen Sie mich denn an?" Ich fahre weiter: "Nun, vor ein paar Wochen hat mich Yacine als Patient konsultiert. Keine Sorge, nichts Schlimmes. Ich rufe aus einem andern Grund an." Ich mache eine Pause, und er fragt: "Ja?" Ich zögere etwas und sage dann: "Herr Vincent, ich habe das Gefühl, dass Yacine den Tod seiner Mutter nie richtig verarbeitet hat und immer wieder ansteht mit dem Thema. Ich würde ihm gern helfen, aber ich weiss sehr wenig aus dieser Zeit. Und da dachte ich mir, ob Sie mir vielleicht weiter helfen könnten." Es folgt eine längere Pause, in der ich auf seine Antwort warte.

"Sie sprechen da in der Tat ein schwieriges Thema an. Ausserdem ist Yacine ja inzwischen erwachsen. Ich weiss nicht, ob er es wünscht, dass wir uns unterhalten", gibt er zu bedenken. "Da haben Sie sicher recht, und ich würde Sie nicht um Rat bitten, wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass Yacine ohne Hilfe nicht weiter kommt in diesem Thema." Er überlegt kurz und meint dann: "Hmm, lassen Sie mich das bitte noch etwas überdenken, ich kann Ihnen so spontan keine Antwort geben. Aber ich rufe Sie zurück, erreiche ich Sie unter dieser Nummer?" Erleichtert bestätige ich ihm: "Ja, gerne, tun Sie das. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Sie kurz treffen könnte. Ich danke Ihnen auf jeden Fall." Er meint: "Ja, gut, dann einen schönen Abend." "Danke, das wünsche ich Ihnen auch", verabschiede ich mich.

Ich beende das Gespräch und bin sehr erleichtert, dass ich den Anruf getätigt habe. Herr Vincent war nicht unfreundlich, und ich bin gespannt, ob er mich treffen wird.

Dr. Sophie Marchand und Yacine VincentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt